Treffen radikaler Rechter: Wie umgehen mit der AfD?

Sollte ein AfD-Verbotsverfahren angestoßen werden? Die Debatte hat nach Berichten über ein Treffen rechter Aktivisten mit Politikern der AfD wieder Fahrt aufgenommen. Foto: Carsten Koall/dpa
Seit langem schwelt die Debatte über ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD. Nach Berichten über ein Treffen von Politikern der Partei mit radikalen und extremen Rechten bekommt sie neuen Schwung.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Berlin. Die Berichte über ein Treffen rechter Aktivisten mit Politikern von AfD und CDU in Potsdam haben die Debatte über den Umgang mit der AfD erneut befeuert. Aus Sicht des Thüringer Verfassungsschutzchefs Stephan Kramer ist ein Verbotsverfahren die „Ultima Ratio“ im Umgang mit der Partei. Auch CDU-Chef Friedrich Merz sprach sich klar gegen ein Verfahren aus. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte dagegen am Rande seiner Israel-Reise, er halte es für geboten, Beweise gegen die Partei zu sammeln.
Man müsse sich genau einzelne Äußerungen, einzelne Personen und einzelne Gliederungen anschauen und dann Beweise sammeln, die hart genug seien, um ein Gerichtsverfahren durchsetzen zu können, eine Beweislage aufzubauen und entsprechend zu agieren. „Das halte ich schon für geboten“, sagte Habeck den Sendern RTL/ntv während seines Israel-Besuchs.
Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte, das Beispiel für gezielte Umsturzfantasien in Kooperation mit Vertretern einer Partei, die im Bundestag und in Landtagen sitze, erfülle sie mit tiefer Sorge. „Angesichts der nun deutlich gewordenen schwerwiegenden Bedrohungslage muss aus meiner Sicht die Strafverfolgung Priorität haben“, sagte sie der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft sowie der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“.
Correctiv-Recherche
T Buxtehuder AfD-Mann war bei konspirativem Treffen zu massenhafter Abschiebung dabei
Mehrere Mitglieder der Werteunion waren dabei
Über das Potsdamer Treffen im November hatte zuerst das Medienhaus Correctiv berichtet. Zu den Teilnehmern zählten mehrere AfD-Politiker, darunter Roland Hartwig, Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel. Auch CDU-Mitglied Ulrich Vosgerau war nach eigenen Angaben dabei. Correctiv nannte zudem mehrere Mitglieder der Werteunion. Diese stand CDU und CSU lange nahe, ist aber keine Parteigruppierung. Sie gilt als besonders konservativ und übte an der CDU-Linie unter der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel teils scharfe Kritik.
Redner war bei dem Potsdamer Treffen Martin Sellner, lange Kopf der rechtsextremistischen Identitären Bewegung in Österreich. Er sprach nach eigenen Angaben darüber, wie erreicht werden könne, dass mehr Ausländer und sogar Menschen mit deutschem Pass Deutschland verlassen, und wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur Assimilation gedrängt werden könnten.
Buxtehuder AfD-Mann bei konspirativem Treffen
„Spannend“, findet Maik Julitz, AfD-Kreisvorsitzender im Landkreis Stade, die Ideen Sellners. Auch er zahlte die mindestens 5000 Euro für einen Platz an der Tafel im Landhaus Adlon. „Das habe ich gerne bezahlt und würde es auch wieder tun, weil ich Projekte bedenke, die ich für unterstützenswert halte“, sagt der Unternehmer aus Buxtehude.
Wie Correctiv berichtet, hat Sellner nicht nur davon gesprochen, Asylbewerber und Ausländer mit Bleiberecht abzuschieben, sondern auch „nicht assimilierte“ deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund und sogar Menschen, die sich für Asylsuchende einsetzen.
Wie steht Julitz dazu? „Ich möchte nicht, dass in dem Artikel steht, dass ich für Vertreibung bin. Oder für irgendetwas, das nicht rechtsstaatlich ist“, sagt er. Er sagt auch: „Wenn jemand eine doppelte Staatsbürgerschaft hätte und kriminell wird, könnte ihm die deutsche entzogen werden.“ Die Rechtsgrundlage dafür könnte geschaffen werden - später, wenn die Voraussetzungen da sind, sprich: Wenn die AfD auf Bundesebene das Sagen hat.
Merz: AfD inhaltlich stellen
Merz sagte der „Rhein-Neckar-Zeitung“, man solle der AfD nicht dabei helfen, sich im Rahmen eines Verbotsverfahrens auch noch als Opfer zu gerieren. „Wer die AfD noch stärker machen will, der sollte noch lange über ein Verbotsverfahren reden.“ Es gelte, die AfD mit politischen und nicht juristischen Mitteln zu bekämpfen. „Wir müssen diese Partei inhaltlich stellen, weil sie nirgendwo realistische Antworten hat“, sagte Merz dem Medienhaus Table.Media. Der CDU-Bundesvorstand kommt ab diesem Freitag zu seiner Klausur in Heidelberg zusammen.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) schließt ein Verbotsverfahren dagegen nicht aus. „Wenn der Verfassungsschutz und die Sicherheitsbehörden hier ausreichend Erkenntnisse für ein Verbotsverfahren sehen, dann ist die Frage eines Verbots der Partei zu beantworten“, sagte Strobl dem SWR. Es gebe gute Gründe, dass der Verfassungsschutz die AfD auch in Baden-Württemberg beobachte.
Verfassungsschützer: Aussagen keine Überraschung
Verfassungsschützer Kramer sagte dem „Handelsblatt“, er selbst und auch andere Kolleginnen und Kollegen vom Verfassungsschutzverbund hätten den Correctiv-Bericht mit Interesse gelesen. Die dargestellten Aussagen seien keine Überraschung für den Verfassungsschutz. Sie deckten sich mit den Erkenntnissen der Behörden und den Bewertungen in den vergangenen Jahren.
Faeser: CDU muss sich von AfD distanzieren
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte die CDU zu einer klaren Abgrenzung nach rechts auf. „Die CDU-Führung könnte sich hier deutlich klarer zeigen. Eine schleichende Normalisierung von menschen- und demokratieverachtender Politik am äußersten rechten Rand darf sich nicht fortsetzen“, sagte sie der „Frankfurter Rundschau“.
CDU-Chef Merz betonte, dass es keine Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD geben werde. Auf die Frage, ob er sich sicher sei, dass kein CDU-Landesverband eine AfD-Minderheitsregierung tolerieren würde, sagte Merz der „Rhein-Neckar-Zeitung“: „Wir haben dazu eine klare Beschlusslage, die wir an diesem Wochenende bei der Klausurtagung des Bundesvorstands auch noch einmal bekräftigen werden: Es wird keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.“