„Riesenproblem”: Weltweite IT-Störung legt VW-Werke lahm

Ein neuer Volkswagen Golf 8 (l) schwebt an einer Produktionslinie im VW Werk.
Die Ursache ist zunächst nicht bekannt, der Wolfsburger Autobauer hat einen Krisenstab einberufen. Nach einer Cyberattacke von außen sieht es nicht aus. Mehrere Werke können nicht arbeiten.
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Eine IT-Störung hat am Mittwoch das zentrale Netzwerk des Volkswagen-Konzerns lahmgelegt. Die Produktion in mehreren Werken stehe still, bestätigte am Abend ein Konzernsprecher. Ein Krisenstab wurde einberufen.
„Wir können eine IT-Störung von Netzwerkkomponenten am Standort Wolfsburg bestätigen”, sagte der Sprecher. Die vier fahrzeugproduzierenden Werke in Deutschland stünden momentan still - also Wolfsburg, Emden, Zwickau und Osnabrück. Auch die Komponentenwerke in Kassel, Braunschweig und Salzgitter seien betroffen: „Die Störung besteht seit 12.30 Uhr und wird aktuell analysiert. Es gibt Implikationen auf fahrzeugproduzierende Werke.”
Auch die VW-Tochter Audi ist von der IT-Störung betroffen, wie eine Audi-Sprecherin am Abend auf Anfrage der dpa sagte. In welchem Umfang das der Fall sei, werde noch untersucht.
Krisenstab einberufen
Zu Auswirkungen im Ausland konnte der Konzernsprecher zunächst nichts sagen. Derzeit sehe es nicht nach einem Angriff von außen aus, hieß es am Abend weiter. Wann das Problem behoben sein werde und die Produktion wieder laufe, sei noch nicht abzuschätzen. Zuvor hatte das „Handelsblatt” über die IT-Störung berichtet.
Nach Angaben einer IT-Dienstleisterin, die für die Netzwerke der Unternehmen zuständig ist, handelt es sich um eine weltweite Störung. „Überall stehen die Bänder still seit heute Nachmittag - auf der ganzen Welt. Audi und VW sind betroffen”, sagte sie am Mittwochabend der dpa. „Wir haben ein Riesenproblem.”
Man könne nicht genau sagen, wie lange die Störung andauern werde. Die IT-Spezialistin des externen Netzwerkdienstleisters von VW und Audi geht davon aus, dass die Störung die IT mindestens bis Donnerstag beschäftigen werde. Wie es dazu gekommen sei, könne man nicht sagen. Von einer Panne bis zu einem Hackerangriff sei alles möglich.
Ende August war der VW-Rivale Toyota von einem Totalausfall betroffen. Bei dem japanischen Autoriesen hatten technische Probleme für etwa einen Tag zu einem kompletten Produktionsausfall in Japan geführt. Schuld gewesen sei ein Fehler im System zur Verwaltung der Teilebestellung. Später hieß es, Ursache sei unzureichender Speicherplatz auf Servern gewesen. Bei dem Vorfall habe es sich nicht um einen Cyberangriff gehandelt, wurde betont.
Toyota hatte erst im März vergangenen Jahres alle seine Werke schließen müssen, nachdem sein inländischer Zulieferer Kojima Industries einen durch einen Cyberangriff verursachten Systemausfall erlitten hatte. Auch dabei waren alle 28 Produktionslinien von Toyota in den 14 Fabriken betroffen, was die Produktion von etwa 13.000 Fahrzeugen beeinträchtigte. Der Konzern war außerdem gezwungen, im Juli einen Teil seines Betriebs vorübergehend einzustellen, nachdem ein Cyberangriff auf ein Computersystem im Hafen von Nagoya, einem Drehkreuz von Toyota, die Hafendienste zwei Tage unterbrochen hatte.
Durchsuchung bei VW wegen Betriebsratsvergütung
Bei VW in Wolfsburg hat es eine Dursuchung wegen des Vorwurfs überhöhter Betriebsratsgehälter gegeben. „Hintergrund sind Gehaltszahlungen an Betriebsratsmitglieder unter Verstoß gegen das Begünstigungsverbot des Betriebsverfassungsgesetzes”, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig auf Anfrage der dpa. In diesem Zusammenhang habe es am Dienstag mehrere Durchsuchungen gegeben. Zuvor hatte die „Wolfsburger Allgemeine” darüber berichtet.
Nach Angaben aus Konzernkreisen wurden bei VW mehrere Büros durchsucht und dabei Unterlagen und Daten sichergestellt. Der Einsatz habe mehrere Stunden gedauert. Daneben wurden laut Staatsanwaltschaft auch vier Privatwohnungen durchsucht, „die nicht mit VW zu tun haben”. Dabei habe es sich „teilweise auch um Durchsuchungen bei Unverdächtigen gehandelt”.
Hintergrund ist das seit Jahren laufende Verfahren wegen des Verdachts überhöhter Betriebsratsgehälter bei Volkswagen. Der Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte Anfang dieses Jahres Freisprüche für vier frühere VW-Personalmanager gekippt, denen die Staatsanwaltschaft Untreue vorwirft, weil sie Betriebsräten zu hohe Gehälter bewilligt haben sollen. Jetzt muss das Verfahren vor dem Landgericht Braunschweig, das die Vier zunächst freigesprochen hatte, neu aufgerollt werden.
„Wir bestätigen, dass es am Dienstag, 26. September 2023, eine Durchsuchung von Büroräumen im Volkswagen-Werk Wolfsburg durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegeben hat”, sagte ein VW-Sprecher auf Anfrage. „Der Volkswagen-Konzern kooperiert vollumfänglich mit den Ermittlungsbehörden. Vor dem Hintergrund des laufenden Verfahrens äußern wir uns darüber hinaus nicht weiter.” Auch die Staatsanwaltschaft wollte mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine weiteren Einzelheiten nennen.
VW hat nach dem BGH-Urteil mehreren Dutzend Betriebsräten die Gehälter gekürzt. Zahlreiche Betroffene klagten dagegen vor dem Arbeitsgericht, fast alle bekommen dort bisher recht. Von 17 Entscheidungen seien 16 zugunsten der klagenden Betriebsräte ausgegangen, erklärte ein Betriebsratssprecher am Mittwoch. „Lediglich ein Fall ging bisher verloren.” Daraus sei eine klare Tendenz zu erkennen, dass die Arbeitsgerichte die Sache anders sehen als der Strafsenat des BGH. (dpa)