Seine Mützen macht Lars Küntzel alle selbst
Lars Küntzel (48) ist der Inhaber und der letzte bekannte Mützenmacher in dem Mützenfachgeschäft Walter Eisenberg in Hamburg. Hannappel
Lars Küntzel führt Hamburgs ältestes Mützengeschäft. Seine Mützen macht er alle selbst. Sein prominentester Kunde ist Altkanzler Helmut Schmidt. Er machte den „Elbsegler“ in der ganzen Welt berühmt.
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Er war gelernter Maschinenbauer – oder war es Maschinenschlosser, das weiß Lars Küntzel (48) gerade selber nicht mehr so genau. Spielt auch keine Rolle, denn in dem Berufsfeld wollte der Hamburger lieber nicht arbeiten. Studieren war ziemlich teuer. Lieber selbstständig sein. Als was, das war dem damals 24-Jährigen eigentlich egal. Noch heute hält er seine Herangehensweise von damals nicht für naiv oder blauäugig. „Das passt schon so“, sagt er nüchtern. Es war sein „alter Herr“, wie er seinen Vater bezeichnet, der ihn an das Mützengeschäft von Claus Eisenberg erinnert, den Laden könne er doch übernehmen. Wer trägt heute noch Mützen, fragte sich Lars Küntzel damals. Doch irgendwie gefiel ihm die Idee. Von Nähen hatte er keine Ahnung. Besser: kaum Ahnung. Seine letzten Erfahrungen hatte er im Hauswirtschaftsnähkurs in der vierten Klasse gemacht. So ging er zu Claus Eisenberg und erzählte ihm ehrlich und unverblümt, so wie er ist, von seinen Plänen. Es dauerte einige Monate, doch dann kam der Anruf: du kannst ihn haben, meinen Laden, sagte Claus Eisenberg. Das ist jetzt 23 Jahre her. Seit April 1992 nun führt Lars Küntzel das Traditionsgeschäft an der Steinstraße. Mit Erfolg.
Er ist rappelvoll, der Laden, Kisten stapeln sich, nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes, bis unter die Decke. Es sind alte Kisten, die auf alten Regalen stehen. Auch die massive Vitrine ist alt. Alles ist alt. Plakate aus der Vorkriegszeit an der grauen Wand, vergilbt und verblasst, alt eben. Doch es hat seinen Charme. Wer das Geschäft von Lars Küntzel in der Steinstraße betritt, der reist in die Vergangenheit, zurück ins Jahr 1892, als noch Hermann Eisenberg hinter dem wuchtigen Tresen stand. 100 Jahre lang war das Mützengeschäft in Eisenberg-Hand. Erst unter Hermann, dann kam Walther, dann Claus. Der Name „Walther Eisenberg – der Mützenmacher“ blieb auch, als Lars Küntzel kam. „Für viele bin ich Herr Eisenberg. Macht doch nichts“, sagt er. „Ich korrigiere sie nicht.“
Mützenmachen ist für Lars Küntzel Handarbeit. Seine Werkstatt hat er in einem abgetrennten Raum im hinteren Teil des Ladens. Dort sitzt er und näht nach alten Original-Schnittmustern. Seine Pfaff-Nähmaschinen sind natürlich alt, über 100 Jahre alt, noch von Hermann Eisenberg. Die Neuen, die sich Lars Küntzel eines Tages mal angeschafft hatte, stehen nur rum. Er braucht sie nicht. In seinem Portfolio hat er 19 Mützen – sie heißen Elblotse, Sommersegler, Alte Fock oder Fleetenkieker. Besonders beliebt sind die flachen Modelle. Das Standardmaterial ist Marinetuch, die teureren sind aus Segeltuch oder Kashmir.
Gelernt hat Lars Küntzel sein Handwerk von seinem Vorgänger Claus Eisenberg. Doch eine klassische Ausbildung hat er nicht. Die Schnittmuster hängen seit Jahrzehnten an der Wand, sie sind über 120 Jahre alt. Viele Produktionen sind aber Einzelanfertigungen auf Anfrage. Dann dauert es auch mal länger, vier bis acht Wochen. Doch die Standardmodelle hat der Mützenmacher meistens im Regal.
Seine Kundschaft kommt gezielt, viele sind langjährige Stammkunden. Auch aus dem Ausland. Er beliefert auch Shanty-Chöre. „Sie sind lustigerweise alle aus Süddeutschland“, sagt der 48-Jährige. Lars Küntzel hat Kunden in der ganzen Welt. „Ich stehe in drei Reiseführern“, erklärt er seine Abnehmer aus Asien und Afrika. Die meisten Stammkunden sind aber aus Deutschland und Ü 50. Doch ab und an zieht es derzeit auch jüngere Männer in den Laden. Oder auch mal Frauen. Ein kleiner Trend. Der hanseatische Look ist angesagt. Statt Käppi Schiffermütze tragen.
Max Schmeling war bekennender Eisenberg-Mützenträger. Ebenso Henning Voscherau. Auch Helmut Schmidt ist langjähriger Kunde. Der Altkanzler machte die nordische Mütze „Elbsegler“ bekannt. Wie Helmut Schmidt so ist? Hat er mit ihm geplaudert, wie er es auch mit seinen anderen Kunden tut? Lars Küntzel kann nicht viel zu seinem prominentesten Kunden erzählen, denn immer wenn Helmut Schmidt in seinem Laden stand, war er gerade nicht da. Meistens hatte seine Mitarbeiterin Glück, einmal auch seine Mutter. So kann es passieren. Doch der Mützenmacher macht sich nicht viel daraus.
Lars Küntzel ist ein Hanseat, ein Geschichtenerzähler, einer von der ruhigen Sorte, er ist selbstbewusst, aber bescheiden. Manchmal sitzt er den ganzen Tag alleine in seiner Werkstatt, dann, wenn mal keine Kunden in den Laden kommen. Denn, Laufkundschaft hat er nicht so viel. Viele bestellen mittlerweile auch in seinem Onlineshop. Es ist das Einzige, was der 48-Jährige neu eingeführt hat, seit er den Laden übernommen hat. Warum auch viel verändern, „es ist ja alles gut so, wie es ist“. Das Geschäft läuft gut. Und so sitzt er da, und näht. Im Hintergrund läuft das Radio. Und unterm Tisch sind seine zwei Bulldoggen, Donald und Paula. Sie liegen einfach rum, verbringen ihre Zeit im Laden, so wie Lars Küntzel. Die Fenster in der Werkstatt lassen nicht viel Sonnenlicht rein. „Ich kann den Himmel sehen, das ist ok“, sagt er. Außerdem achtet er auf seine Geschäftszeiten, Feierabend ist Feierabend. Der Mützenmacher ist nicht anspruchsvoll, doch er hat seine Prinzipien. Mit seinem Mützengeschäft wurde der Hanseat auch zum Mützenträger. Das gehörte für ihn dazu. Er brauchte einen Augenblick, wie er sagt, doch mittlerweile kann er nicht mehr oben ohne. Drei Mützen hat er. „Wenn ich sie mal vergesse, ist es ganz kalt auf dem Kopf, vor allem bei mir“, sagt der Mann mit der Halbglatze.
Ab und zu kommt auch mal Altbesitzer Claus Eisenberg vorbei. „Ich denke, er ist froh, dass ich es in seinem Sinne weiterführe.“ Die Beiden haben ein gutes Verhältnis. Nur eines hat Lars Küntzel von seinem Vorbesitzer nicht übernommen: „den Kittel“.
Stand Claus Eisenberg noch mit grauem Arbeitskittel, weißem Hemd und Krawatte hinterm Tresen, trägt Küntzel lieber kariert. „Als ich bei ihm lernte, hat er es immer mal wieder versucht. Aber das bin ich nicht“, sagt er. Trotzdem war Eisenberg Senior hartnäckig. „Ich häng ihn dir unten hin, hat er zum Abschied gesagt.“
Das Geschäft
Walther Eisenberg seit 1892 –
der Mützenmacher,
Inhaber Lars Küntzel, Steinstraße 21, 20095 Hamburg,
0 40/ 98 76 05 15,
Schablonen zum Anfertigen der Mützen hängen sauber aufgereiht an der Wand.