Rekorde an Weihnachten

Diese fünf Bücher empfiehlt die Redaktion im November

Eine Autorin, die beschließt, über weiße Gegenstände zu schreiben; ein Eichhörnchen, das sich darüber ärgert, dass die Bäume keine Blätter mehr haben; und ein Blind Date, das Folgen hat - nur für wen? Darum und mehr geht es in den neuen Buchtipps der TAGEBLATT-Redaktion.

Mittwoch, 11.11.2020, 06:02 Uhr
Symbolbild. Foto: pixabay.de

Symbolbild. Foto: pixabay.de

Von Ina Frank

Diese fünf Bücher empfiehlt die Redaktion im November

Die Erzählerin beschließt, über weiße Gegenstände zu schreiben. Sie macht sich eine Liste: Wickeltuch, Babyhemdchen, Salz, Schnee, Eis, Mond, Reis, Schaumkronen, Lilienmagnolien, weißer Vogel, weißes Lächeln, blankes Papier, weißer Hund, weißes Haar, Totenhemd. Eine Auswahl, die ungewöhnlich erscheinen mag. Doch sie weist hin auf ein tragisches Ereignis in der Familie der Erzählerin, auf dem der Roman aufbaut: den Tod ihrer Schwester.

Die Eltern der Erzählerin lebten einst in einem abgelegenen alleinstehenden Haus auf dem Land. Das erste Kind kommt zwei Monate zu früh auf die Welt, die Mutter trifft das völlig unvorbereitet. Ihr Mann ist bei der Arbeit, das nächste Telefon 20 Minuten entfernt. Sie bringt das Kind allein zur Welt. Es stirbt zwei Stunden nach der Geburt.

Geschichte springt von Wahrnehmung zu Wahrnehmung

Als die Erzählerin sich „eine Mietwohnung in der Hauptstadt eines mir unbekannten Landes“ – im Verlauf des Romans wird klar, dass es Warschau sein soll – nimmt und dort den Winter verbringt, blitzt die Erinnerung an die Geschichte ihrer Schwester immer wieder auf, in Bildern von Weiß. Reiskuchen, weiß wie die Haut des Babys. Die Muttermilch am Tag nach der Geburt. Der weiße Schnee in der winterlichen europäischen Stadt. „Ich stelle mir daher vor, wie sie statt meiner in diese Stadt kommt. In diese verstörend vertraute Umgebung, die ihr im Leben und im Tod so ähnlich ist“, sagt die Erzählerin.

Was dann folgt, ist kein Roman im klassischen Sinne mehr; die Geschichte folgt nicht einem Handlungsstrang, aber auch nicht mehreren, die sich unterscheiden ließen. Sie springt von Wahrnehmung zu Wahrnehmung, ist bald mehr Poesie, wenngleich der Reim ausbleibt. Die Erzählerin nimmt sich vor: Sie will ihrer Schwester ein Leben geben – unter einer Bedingung: „Ich werde dir nun weiße Dinge geben. Weiße Dinge, die nicht beschmutzt wurden. Nur reinweiße Dinge will ich dir geben.“ Also sitzt ein weißer Schmetterling auf dem Stadtwall, fällt der weiße Schnee in großen Flocken auf Mantelärmel, die, es könnte kaum anders sein, schwarz sind, verwandelt sich die Welle des Wintermeers in weiße Gischt, als sie bricht. Das klingt mal berührend, oft verwirrend, manchmal auch ein bisschen zu kitschig. Eine besondere Art, eine Familiengeschichte zu verarbeiten, auf die sich die Leser erst einlassen müssen. Ein weiteres Kind der Mutter stirbt früh. Und die Erzählerin muss feststellen: Hätte es diese beiden Tragödien nicht gegeben, hätte es sie selbst, die drei Jahre später geboren wurde, nicht gegeben.

Han Kang: Weiß. Aufbau Verlag 2020. 151 Seiten. 20 Euro.

2. Ein Buch für alle, die den Herbst lieben und gerne vorlesen

Von Fenna Weselmann

Diese fünf Bücher empfiehlt die Redaktion im November

Der Herbst ist da, und bunte Blätter sorgen für Farbe an den Bäumen. Doch wohin verschwindet auf einmal all die rauschende Farbenpracht? Als das Eichhörnchen eines Tages aus seinem Kobel schlüpft, hat sein Zuhause auf einmal nicht mehr alle Blätter am Baum. Das Eichhörnchen kann es nicht fassen und ist stinkwütend.

Gestern noch schmückten so viele schöne bunte Blätter seinen Baum: rote, orangefarbene und sogar goldene. Doch heute sind ein paar davon spurlos verschwunden. Wenn es nach dem Eichhörnchen geht, kann das nur eines bedeuten: Sie wurden gestohlen, und der Blätterdieb ist noch immer auf freiem Fuß. Das Eichhörnchen schaut unter Steinen und hinter Büschen, verdächtigt schließlich sogar Maus und Eule, sich seiner Blätter bedient zu haben. Die können Eichhörnchen gar nicht verstehen. Schließlich haben sie die Blätter doch eigenhändig gesammelt. In der Not sucht Eichhörnchen Rat bei seinem besten Freund Vogel. Hat Vogel vielleicht eine Ahnung, wer hinter dem Blätterklau steckt? Der weiß Eichhörnchen zumindest fürs Erste zu beruhigen.

Ausgezeichnete Autorin

Doch es verschwinden immer mehr Blätter vom Baum. Eichhörnchen verzweifelt. Als Vogel endlich das Geheimnis um den windigen Blätterdieb lüftet, ist die Sache nur für den Moment erledigt. Denn am anderen Morgen sieht Eichhörnchen sich mit der nächsten „Naturkatastrophe“ konfrontiert: Das Gras ist über Nacht verschwunden.

Alice Hemming hat schon als Kind gern geschrieben. Mittlerweile hat sie das Schreiben zu ihrem Beruf gemacht und bereits über 50 Kinder- und Bilderbücher veröffentlicht, für die sie mehrfach ausgezeichnet wurde. Das Bilderbuch glänzt aber nicht nur durch die Geschichte, der Blätterdieb lebt nicht zuletzt von Nicola Slaters Illustrationen, die das Eichhörnchen von der ersten Seite an ans Herz wachsen lassen. Kein Wunder, dass dieses Buch sofort vergriffen war und gerade nachgedruckt wird.

Alice Hemming: Der Blätterdieb. Baumhaus Verlag 2020. 32 Seiten. Ab vier Jahre. 14,90 Euro

Von Jette Heins

Diese fünf Bücher empfiehlt die Redaktion im November

Mia Corvere ist eine junge Assassinin (Auftragsmörderin), ausgebildet, um zu töten und willens, diese Fähigkeit auch einzusetzen. Sie sinnt auf Rache. Rache an den drei mächtigsten Männern des Landes: ein General, ein Konsul und ein Kardinal – die Mörder ihrer Familie. Um dieses Ziel zu erreichen, schließt sie sich der gefürchteten Roten Kirche an, deren Assassinen, die Klingen, absolut tödlich sind. Bevor sie allerdings eine Klinge werden kann, muss sie gefährliche Prüfungen bestehen und sich gegen die anderen Mitstreiter durchsetzen. Denn nur vier werden auserwählt – und Mia will unbedingt eine von ihnen sein.

Um ihr Ziel zu erreichen, scheut Mia auch nicht davor zurück, eine Gabe zu benutzen, die ebenso selten wie gefürchtet ist: Sie ist eine Dunkelin. Eine gefährliche Gabe, die ebenso viele Gefahren wie Vorteile mit sich bringt. Mia kann nämlich die Schatten kontrollieren und sie zu ihrem Vorteil nutzen. Und besonders ein Schatten begleitet sie seit dem Tod ihrer Familie: eine Schattenkatze namens Herr Freundlich. Dank dieser ist Mia furchtlos. Herr Freundlich nährt sich von ihren Ängsten und lässt nur den Willen und das Ziel zurück. Fragt sich nur, ob das wirklich ein Vorteil ist?

Ein episches Finale

Der erste Teil der Nevernight-Reihe (Die Prüfung) erschien 2017, Band zwei (Das Spiel) folgte 2018. Und dieses Jahr ist nun auch endlich der dritte Teil auf den Markt gekommen. Damit ist die Reihe abgeschlossen und kann in einem Rutsch durchgelesen werden – und sie ist ein besonderes Leseerlebnis.

Der Schreibstil von Autor Jay Kristoff ist ausladend und genauso einzigartig wie der Inhalt. Außerdem sind im Buch Fußnoten enthalten, die einige Situationen und Begriffe näher erläutern und ausschmücken. Ich persönlich finde die Reihe so herausragend, weil ich immer wieder von Wendungen überrascht worden bin und durchgehend mitfiebern konnte. Dabei lässt die Spannung auch nicht nach, sondern verstärkt sich von Buch zu Buch noch. Auch der dritte Band hat mich wieder überrascht und mitgerissen. So viel sei gesagt: Das Finale der Reihe ist episch.

Jay Kristoff: Nevernight – Die Rache. S. Fischer Verlage. 784 Seiten. 24,99 Euro (gebundene Ausgabe).

Von Franziska Felsch

Das Thema, das sich Frida Skybäck für ihren Roman „Der kleine Buchladen am anderen Ende der Welt“ ausgesucht hat, ist nicht gerade leicht verdaulich, denn es gehört wohl zu dem Schlimmsten, was einem Menschen passieren kann: Jemand, der einem nahesteht, verschwindet spurlos.

Als Madeleine im Sommer 1987 aus Amerika weggeht, um ein Praktikumsjahr bei einer Freikirche in Schweden zu absolvieren, ist ihre ältere Schwester Patricia alles andere als begeistert. Sie fühlt sich mit dem Erbe ihrer Eltern, einer unwirtschaftlichen Farm, im Stich gelassen und antwortet auf keinen der Briefe von Madeleine. Der scheint es anfangs gutzugehen in dem idyllischen Strandort Ljusskär. Die Gemeindemitglieder kümmern sich liebevoll um die 20-Jährige, die unter der Schuld leidet, für den Tod ihres Vaters verantwortlich zu sein. Doch dann geschehen merkwürdige Dinge, und als Madeleine von einer Dorfbewohnerin erfährt, dass sie auf sich aufpassen soll, ist sie verwirrt. Stecken hinter dem Nettsein des charismatischen Pfarrers wirklich nur väterliche Gefühle?

Kein reiner Wohlfühlroman

30 Jahre später, und da beginnt eigentlich das Buch, erhält Patricia einen Brief aus Schweden, der nichts weiter enthält als eine Kette, die sie Madeleine einst geschenkt hat. Sofort reißt die alte, nie ganz verheilte Wunde wieder auf, und Patricia beschließt, der Sache erneut auf den Grund zu gehen. Sie will die Suche, die sie damals ergebnislos abbrechen musste, wieder aufnehmen, und dabei helfen ihr die Frauen eines Buchsalons. Am Ende, so viel darf verraten werden, kommt die Wahrheit ans Licht. Bis es soweit ist, erlebt Patricia, wie sie sagt, den schönsten Sommer ihres Lebens. Die Gespräche mit ihren neuen Freundinnen über Literatur, Liebe und alltägliche Probleme verschaffen ihr heitere Momente, die auch der Leser erfährt.

Trotz witziger Szenen, die die Autorin einbaut, ohne den tragischen Hintergrund aus den Augen zu verlieren, trotz der Spannung, die sie bis zum Schluss aufrechterhält, ist auch dieser Roman wie ihr Bestseller „Die kleine Buchhandlung am Ufer der Themse“ kein reiner Wohlfühlroman, aber dennoch lesenswert, weil er deutlich macht, dass Vergebung und Verständnis wichtig sind.

Frida Skybäck: Der kleine Buchsalon am anderen Ende der Welt. Insel Verlag 2020. 469 Seiten. 10,95 Euro.

Von Claudia Chwialkowski

Die 30-jährige Laura fährt zu einem Blind Date und kehrt nicht wie versprochen am nächsten Morgen zurück, um ihrer Schwester Rosie das Auto zurückzubringen. Was ist passiert? Ist Laura etwas zugestoßen?

Oder ist gar nicht Laura das Opfer eines Verbrechens geworden, sondern hat selbst jemandem etwas Schreckliches angetan – schließlich stand sie als 17-Jährige unter Verdacht, einen Mord begangen zu haben? Selbst Rosie zweifelt manchmal an Lauras Unschuld.

Das Buch soll verfilmt werden

Der Thriller „Die Nacht zuvor“ der US-amerikanischen Autorin Wendy Walker beginnt an einem Donnerstagabend um 19 Uhr und endet am darauf folgenden Sonnabend um 22 Uhr. Dazwischen liegen 336 spannende und temporeiche Seiten, auf denen die Geschehnisse in kurzen Kapiteln aus unterschiedlichen Perspektiven abwechselnd erzählt werden.

Was Laura seit der Abfahrt zu ihrer Internetbekanntschaft widerfährt, wird in Kapiteln unter der Überschrift „Die Nacht zuvor“ aus ihrer Sicht erzählt. Parallel dazu erfährt der Leser, wie Rosie verzweifelt versucht, ihre jüngere Schwester zu finden, unterstützt von ihrem Mann Joe und dem gemeinsamen Jugendfreund Gabe.

So wie Rosie zweifelt, ob ihre Schwester damals und heute Opfer oder Täterin war, tappt auch der Leser dank überraschender Wendungen bis zum Schluss im Dunklen. Der Thriller soll übrigens fürs Fernsehen verfilmt werden mit Eva Longoria als Produzentin.

Wendy Walker: Die Nacht zuvor. dtv 2020. 336 Seiten. 15,90 Euro.

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