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Tierquälerei

Skandal-Schlachter in Düdenbüttel gibt auf

Das Familien-Unternehmen wird seine EU-Zulassung zurückgeben und alle Mitarbeiter kündigen. Das hat der Stader Rechtsanwalt Heinz-Jürgen Klüsener auf TAGEBLATT-Nachfrage mitgeteilt. Betroffen sind laut Rechtsanwalt 15 Mitarbeiter.

Von Karsten Wisser Freitag, 26.04.2019, 10:10 Uhr

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Der in einen Tierquälerei-Skandal verwickelte Schlachthof in Düdenbüttel stellt den Betrieb ein. Mit dem freiwilligen Verzicht auf eine Weiterführung des Unternehmens ist der Betreiber wahrscheinlich einer behördlichen Schließung zuvorgekommen. Der Landkreis Stade hatte den Betrieb in der vergangenen Woche bis zum 17. Mai verboten und das Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit LAVES prüfte, ob es genügend Gründe für einen Entzug der EU-Zulassung gibt. Noch am Donnerstag hatte eine LAVES-Sprecherin eine Entscheidung in dieser Frage bis Mitte Mai angekündigt.

Grund für den Skandal mit bundesweiter Medienpräsenz waren mit versteckter Kamera gemachte Filmaufnahmen der SoKo Tierschutz. Die Aufnahmen der ehrenamtlichen Tierschutzorganisation zeigen, dass kranke Rinder mit brutalen Mitteln auf die Transporter der Firma geladen worden sind. Sie dokumentierten innerhalb von drei Wochen so viele massive Verstöße gegen das Tierwohl und rechtliche Vorgaben, dass dahinter offenbar System steckte. Diese Tiere hätten aufgrund ihres Zustandes gar nicht mehr von den Bauernhöfen zum Schlachthof transportiert werden dürfen.

Sie wurden liegend mit einer motorbetriebenen Seilwinde auf Transporter des Schlachtbetriebs gezerrt. Die Berichterstattungen im ARD-Magazin PlusMinus und zuletzt am Mittwoch im ARD-Mittagsmagazin hatten einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die Bilder vom Leid der Tiere sind teilweise schwer zu ertragen. Die Aufnahmen sind auch deshalb brisant, weil sie zeigen, wie Landwirte in das grausame Geschäft mit den kranken Kühen eingebunden sind.

Wie es am Standort Düdenbüttel nach der Schließung weitergeht, ist noch nicht geklärt. Rechtsanwalt Klüsener bestätigte TAGEBLATT-Informationen, dass es Überlegungen für einen Neustart mit neuer Firma und neuer Leitung gibt. Hier werde man sich aber Zeit lassen und zum Beispiel auf eine komplette Videoüberwachung des Betriebs setzen, so Klüsener. Ein neuer Betrieb müsste auch eine neue EU-Zulassung beantragen. Dabei wird zum Beispiel die Zuverlässigkeit der beteiligten Personen geprüft.

Das Aus für den Betrieb in Düdenbüttel markiert aber noch nicht das Ende der Aufklärungsarbeit. Die SoKo Tierschutz hat Strafanzeigen gestellt. Neben allen Beteiligten im Schlachtbetrieb und den Landwirten hat die SoKo auch alle Mitarbeiter des Stader Kreis-Veterinärsamts angezeigt. Die Tierschützer werfen der Behörde vor, von den unwürdigen Zuständen beim Transport der Rinder gewusst und systematisch weggeschaut zu haben. Der Landkreis seinerseits hat ebenfalls Strafanzeige gegen den Schlachthof und beteiligte Landwirte gestellt.

Aufgrund der laufenden Ermittlungen der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft in Oldenburg äußert sich der Landkreis derzeit nicht zum Stand der internen Aufarbeitung. Bekannt ist aber, dass die beiden für den Schlachtbetrieb zuständigen amtlichen Tierärzte auf eigenen Wunsch bis zur Klärung der Vorwürfe nicht mehr in Düdenbüttel eingesetzt werden wollten. Wie die Staatsanwaltschaft sichtet das Kreis-Veterinärsamt derzeit 500 Gigabyte an Filmmaterial.

Da jedes Tier vor einer Schlachtung von einem amtlich bestellten Tierarzt zwingend angeschaut werden muss, ist es kaum vorstellbar, dass es keine Verdachtsmomente gegeben haben soll. Tatsächlich gab es auch im Zusammenhang mit den Transporten nach Düdenbüttel von den amtlichen Tierärzten nach TAGEBLATT-Informationen sechs Anzeigen. Sie richteten sich aber gegen die Transporteure und Halter der Tiere, nicht gegen das Unternehmen.

Der Skandal auch in den zuständigen politischen Gremien aufgearbeitet werden. Die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Außerdem wird der Kreisausschuss, das wichtigste Entscheidungsgremium nach dem Kreistag, in seiner Sitzung am kommenden Montag in nicht-öffentlicher Sitzung über den Kenntnisstand der Kreisverwaltung informiert.

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