12 Tipps für Mountainbike-Einsteiger

Foto: www.cannondale.com | pd-f
Was kostet ein gutes Mountainbike für Anfänger? Wie finde ich das richtige Rad? Welches Equipment brauche ich? Sind Klickpedale sinnvoll? Fahrtechnik-Trainer Frank-David Koopmann von der Bikeschule Hamburg verrät, was MTB-Neulinge wissen müssen.
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Ja. Es gibt keine Altersbeschränkung. Auch 70-Jährige können Mountainbike fahren, wenn aus gesundheitlicher Sicht nichts dagegen spricht. „Um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist, empfehle ich insbesondere älteren Menschen einen Check-up beim Hausarzt, bevor sie sich auf Mountainbike setzen“, sagt Frank-David Koopmann, MTB-Coach der Bikeschule Hamburg. Auf welchem Level man fährt, bestimmt jeder selbst. Am Anfang muss es nicht gleich der steile Single-Trail, heißt: schmale Pfad, sein.
Um sein Mountainbike kennenzulernen und sich auszuprobieren, genügt eine Tour im Flachland. Wer regelmäßig fährt, erlangt zunehmend Fahrpraxis und kann sich auf anspruchsvolles Terrain wagen, zum Beispiel Downhill-, also: Bergab-, Strecken mit Wurzelpassagen oder Hindernis-Parcours. Hier gilt: Übung macht den Meister. „Dranbleiben heißt die Devise. Wer regelmäßig trainiert, sieht auch Erfolge“, weiß Koopmann. Wichtig sind dabei der Spaß an der Sache und die Lust, Neues auszuprobieren.
Race, All Mountain, Enduro, Fully oder Hardtail, Aluminium oder Carbon: Angesichts der großen Anzahl unterschiedlicher Mountainbike-Modelle, Hersteller und nicht zuletzt der Fachbegriffe fällt es Anfängern schwer, sich im Bike-Dschungel einen Überblick zu verschaffen.Welches Rad das richtige ist, hängt vom Einsatzbereich ab. Eine Alpenüberquerung stellt andere Anforderungen an ein Mountainbike als eine Marathonstrecke über Waldwege.
Koopmann: „Für alle, die erst mal ausprobieren wollen und noch nicht sicher sind, welches Terrain sie bevorzugt befahren wollen, hat sich ein Hardtail bewährt.“ Also ein Mountainbike, das hinten ungefedert ist (Hardtail = „harter hinterer Teil“), aber über ein gefedertes Vorderrad verfügt. Diese Eigenschaft kommt MTB-Novizen zugute. „Um ein gutes Gefühl fürs Rad zu bekommen und saubere Fahrlinien zu entwickeln, ist ein Hardtail besser geeignet als ein vollgefedertes Mountainbike, das sämtliche Unebenheiten problemlos toleriert.“
„Ein gutes Hardtail aus Aluminium kostet etwa 700, die Preise für ein vollgefedertes Mountainbike beginnen ab 1000 Euro“, erklärt der Experte. Koopmann empfiehlt, in jedem Fall ein Marken-Mountainbike zu kaufen. „Bei No-Name-Bikes lässt die Qualität erfahrungsgemäß zu wünschen übrig, es geht schon mal schnell was kaputt.“ Beim Fachhändler kann man sich vor Ort beraten lassen und das Wunschrad auch gleich Probe fahren. Vor allem Einsteigern ist vom Kauf im Internet abzuraten.
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Entscheidend für die Rahmengröße ist die Schrittlänge. Um diese selbst zu ermitteln, barfuß mit dem Rücken an eine Wand stellen, eine Wasserwage waagerecht zwischen die Beine klemmen und im Schritt bis ganz nach oben ziehen, bis ein leichter Druck spürbar ist. Ein Helfer misst mithilfe eines Zollstocks oder eines Maßbands nun die Entfernung vom Boden bis zur Oberkannte der Wasserwaage. Bei einem Erwachsenen liegen die Werte zwischen 60 und 95 Zentimetern. Bei einer Schrittlänge von 64 Zentimetern passt beispielsweise ein 36-Zentimeter-Rahmen. Im Internet finden sich zahlreiche Webseiten mit kostenlosen Rahmengrößenrechnern. Am besten ist es, die Rahmengröße im Fachgeschäft vor Ort ermitteln zu lassen.
Carbon ist leichter als Aluminium – das macht sich beim Gewicht des Bikes entsprechend bemerkbar. Allerdings ist es auch teurer, was es für Anfänger nicht unbedingt attraktiv macht. „Ich selbst besitze ein Hardtail mit Alu-Rahmen und bin damit immer gut gefahren“, resümiert der Mountainbike-Coach und setzt auf damit Altbewährtes.
Hinsichtlich der Reifengröße haben sich 27,5 Zoll inzwischen etabliert. Die früher verbreiteten 26-Zöller sind heute fast gar nicht mehr erhältlich. Und dann gibt’s noch die 29er, die sich seit geraumer Zeit wachsender Beliebtheit erfreuen. Vorteil der 29-Zoll-Reifen: Steine, Wurzeln und andere Hindernisse lassen sich mit großen Reifen besser überwinden. Außerdem nimmt man schneller mehr Geschwindigkeit auf. „Für Einsteiger empfehle ich jedoch den Standard 27,5 Zoll“, sagt Koopmann.
Das wohl wichtigste, wenn nicht gar lebenswichtige, Accessoire für Mountainbiker: der Helm. Ob luftiger oder geschlossener Halbschalenhelm, ist Geschmackssache. Wichtig: Vor der Ausfahrt darauf achten, dass der Helm fest auf dem Kopf sitzt und das Kinnband anliegt. Außerdem empfiehlt Koopmann ganzflächige Handschuhe, die im Falle eines Falles vor Verletzungen durch spitze Steine, Splitter oder Glasscherben schützen. „Von Handschuhen, die an den Fingerkuppen offen sind, rate ich ab. Sie bieten keinen ausreichend Schutz.“ Eine Sportbrille schützt die Augen vor Ästen, die im Weg sind, und fliegenden Steinchen. Für Technikfans, die gleich am Anfang Sprünge üben wollen, sind Schienbein- und Knieprotektoren eine lohnenswerte Investition.
„Wenn Anfänger das Springen trainieren, rutschen sie häufig von den Pedalen ab. Wenn dann eine Pedale gegen das Schienbein knallt, kann das sehr schmerzhaft sein.“ Wer weite Strecken zurücklegt, ist mit einer gepolsterten Radhose gut bedient. Ein Fahrradrucksack bietet die Möglichkeit, Proviant, Haustürschlüssel und Handy zu verstauen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche – mitunter teure – Gadgets wie gepolsterte Knöchelschoner, die über die Socken gezogen werden, reißfeste Radbekleidung und Protektorenunterhosen mit „Crash Pads“, also Polsterungen an den Seiten und im Bereich des Steißbeins, die die Verletzungsgefahr minimieren sollen.
Klickpedale ermöglichen eine stabile Verbindung zwischen Fuß und Pedal. Das Bindeglied sind Schuhplatten aus Metall („Cleats“), die jeweils unter dem rechten und linken Fahrradschuh, heißt: unter dem Fußballen, montiert werden. Diese rasten im Pedal rein. Der Vorteil gegenüber Plattform-Pedalen: Die Füße können auch in unwegsamstem Gelände nicht abrutschen. Außerdem ist die Kraftübertragung effektiver, da man nicht nur in die Pedale tritt, sondern diese auch nach oben zieht. Davon profitieren vor allem Mountainbiker, die Strecke machen und weniger auf Technik-Tricks bedacht sind.
Im Handel sind verschiedene MTB-Pedalsysteme erhältlich. Bei Klickpedalen hat sich das SPD-System (SPD steht für „Shimano Pedaling Dynamics“) bewährt. Koopmann ist ohne Klickpedale unterwegs und rät auch MTB-Neulingen davon ab. „Die Gefahr, zu stürzen, ist groß, wenn man es nicht schafft, sich schnell genug aus dem Pedal auszuklicken.“ Schuhe mit wenig Profil, die guten Grip auf dem „normalen“ Pedal haben, seien die bessere Wahl.
Die Einstellung des Sattels hängt vom Terrain ab, auf dem der Biker unterwegs ist. Bei steilen Abfahrten, Sprüngen und Steilkurven ist der Sattel ganz unten, damit er nicht im Weg ist und der Fahrer mit den Füßen den Boden erreicht, wenn er auf dem Rad sitzt. So kann er sich mit den Füßen abstützen und einen Sturz abfangen. Bei weiten Strecken wandert der Sattel nach oben. Das ist nicht nur komfortabler, sondern auch gelenkschonender. Koopmann: „In meinen Kursen verändern wir die Sattelposition ständig. Der Sattel wandert wirklich von Übung zu Übung und von Terrain zu Terrain hoch und runter.“
Der Reifendruck ist abhängig von drei Faktoren. Erstens: vom Körpergewicht des Fahrers. Schwergewichte brauchen mehr Luft im Reifen als Fliegengewichte. Zweitens: von der Beschaffenheit des Reifenmaterials. Dieses unterscheidet sich von Hersteller zu Hersteller. In der Regel ist auf dem Reifen eine Empfehlung angegeben. Drittens: von dem Untergrund, auf dem man rollt. Auf Schotter benötigen Reifen zum Beispiel weniger Luft als auf Asphalt. Bei einem 27,5-Zoll-Mountainbike bewegt sich der Reifendruck für gewöhnlich zwischen 1,8 und 2,7 bar. „Mein Tipp: Testfahrten unternehmen, die Luftpumpe mitnehmen und ausprobieren, um den individuellen Reifendruck herauszufinden.“
Als Richtschnur empfiehlt der Fahrtechnik-Trainer den „Daumen-Reifendruck-Test“: Wenn man mit dem Daumen (ohne Handschuhe!) auf die glatte Reifenfläche zwischen dem Profil drückt, sollte man den Reifen ganz leicht eindrücken können.
Ob in den Allgäuer Alpen, im Harz, in der Eifel oder in den Harburger Bergen: In ganz Deutschland werden inzwischen MTB-Fahrtechnik-Kurse angeboten. Es gibt Angebote für jedes Niveau, für Anfänger, Fortgeschrittene, Trail-Fans, speziell für Frauen, für Gruppen und Einzelfahrer. Koopmann und seine Kollegen bringen ihren Schützlingen richtiges Bremsen bei, Absteigen am Steilhang, Kurvenfahren und den berühmten Bunny-Hop, bei dem man mit seinem Bike über Hindernisse hüpft. Viele vermitteln auch auch handwerkliche Skills, erklären, wie das Fahrrad richtig eingestellt wird und geben Tipps zur Wartung. Das Ziel: weniger stürzen, sicherer fahren und dadurch mehr Spaß mit dem Mountainbike im Gelände zu haben. Anfänger, die die Technik step by step von der Pike auf lernen wollen, haben in einem Kurs die Gelegenheit dazu. Die Kosten variieren und hängen vom Umfang des Kurses ab.
Auch wenn die Harburger Berge einige Einkehrmöglichkeiten bereithalten, dürfen Getränke und kohlenhydratreiche Snacks auf einer MTB-Tour nicht fehlen. Ob Energieriegel, -gel oder Schwarzbrot mit Käse, bleibt jedem selbst überlassen. Dazu stilles Mineralwasser oder bei heißen Temperaturen, wenn man viel schwitzt, auch isotonische Drinks. Der MTB-Coach schwört außerdem auf Traubenzucker, um Unterzuckerung vorzubeugen. Regelmäßige Pausen sind Pflicht, um die Energiereserven wieder aufzuladen. Darüber hinaus ins Gepäck gehören eine kleine Luftpumpe, Flickzeug beziehungsweise ein Ersatzschlauch sowie ein Erste-Hilfe-Kit.