Astrid Masoch aus Issendorf ist 100 Jahre alt

8 Kinder, 31 Enkel, 60 Urenkel und 5 Ururenkel: So groß ist die Familie von Astrid Masoch . Foto: Felsch
Astrid Masoch aus Issendorf hat ihren 100. Geburtstag gefeiert. Die achtfache Mutter hat in ihrem langen Leben viel gesehen und erlebt und gewinnt jeder Situation etwas Gutes ab. Außerdem beweist die alte Dame reichlich Humor.
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Nicht alle waren an dem Geburtstag da, kommen aber regelmäßig. „Bei 8 Kindern, 31 Enkeln, 60 Urenkeln und 5 Ururenkeln teilen wir uns das auf mit den Besuchen“, sagt Tochter Evelyn Hortes, die in der Nähe wohnt und dreimal in der Woche ihrer Mutter beim Baden hilft. „Sie macht fast alles noch allein“, bestätigt ihre Schwester Renate Schultheiß, die einkauft, den Rasen mäht oder die Fenster putzt. Mehr nicht. Hilfe beim Kochen oder gar eine Pflegekraft braucht sie nicht: „Bloß nicht, ich komme zurecht“, sagt die Hundertjährige abwehrend.
Ihre Hände wollen nicht mehr so und sie ist etwas langsam zu Fuß. Ein Rollator steht im Garten, einer im Haus. „Ich wünschte, sie würde ihn öfter benutzen, rein zur Sicherheit“, sagt Evelyn Hortes leise. „Quatsch, wenn ich falle, steh’ ich eben wieder auf, ich brauche so was nicht, kann ich ja gleich auf den Friedhof gehen“, kontert ihre Mutter, die bis vor kurzem noch Keyboard spielte. „Aber dann hatte ich keine Lust mehr.“ Jetzt vertreibe sie sich die Zeit mit Kreuzworträtsel und Lesen. „Aber was Gescheites, was mit Inhalt, nicht irgendwelche Schwarten“, betont sie.
Wenn das Wetter mitspielt, sitzt sie im Garten und „lässt sich die Sonne auf den Pelz“ scheinen. Eine Notfalluhr trägt sie am Handgelenk, damit die Familie beruhigt ist. „Das ist schon besser“, gibt die gebürtige Hamburgerin zu, die 1986 mit ihrem Mann aufs Land zog.
Ihr Mann starb kurz nach der Diamantenen Hochzeit
„Den habe ich im Treppenhaus kennengelernt“, sagt Astrid Masoch. Als sie davon erzählt, leuchten ihre Augen. „Er hat mir geholfen, unseren ausgebüxten Köter zu suchen, da hat sich das dann halt so langsam ergeben.“ Drei Tage nach der Diamanthochzeit starb ihr Mann. Mit 91 Jahren. „Er hatte noch mal alle Familienmitglieder um sich und ist dann verschieden. So möchte ich auch sterben, bloß nicht leiden, das habe ich bei meiner krebskranken Mutter gesehen, die ich gepflegt habe“, sagt sie.
Mit 14 Jahren ging Astrid Masoch von der Schule ab. Weil sie nicht wusste, was sie machen wollte, landete sie als Betreuerin in einem Ferienlager in St. Peter-Ording. „Hat Spaß gemacht, aber ich habe kein Geld verdient“, erzählt die betagte Issendorferin.
Erst mit 21 Jahren erfuhr sie von ihrem Stiefvater, dass ihr leiblicher Vater aus Amerika stammte und ein Patient ihrer Mutter, einer Dentistin, war. Als junges Mädchen arbeitete sie selbst kurz als Helferin bei einem Zahnarzt an der Alster. „Hatte ich nicht viel zu tun, nur drei Patienten pro Tag“, weiß sie noch.
Acht Kinder brachte sie zur Welt
Nach der Hochzeit im März 1943 erblickte der erste Sohn im November das Licht der Welt, 1958 bekam sie ihr letztes Kind – alles Hausgeburten. „Krankenhaus brauchte ich nicht, am nächsten Tag bin ich wieder einkaufen gegangen“, sagt sie, als sei das das Selbstverständlichste der Welt.
„Meine Eltern hatten kein anderes Hobby“, ulkt Evelyn, worauf ihre Mutter ihr scherzhaft mit der Faust droht. „Meine Damen“, nennt Astrid Masoch ihre beiden Töchter gern. Sie sei ein „verwöhntes“ Einzelkind gewesen, meint sie über sich selbst, ihre Großeltern betrieben ein Speiselokal in Rothenburgsort – bis der Krieg kam und alles in Grund und Boden bombte, einschließlich ihres Opas. „Er wollte partout nicht mit in den Keller“, sagt sie leise.
Zwei Mal noch musste sie Hamburg verlassen, „weil ein paar Flugzeuge unser Dach zerstörten“. – „Nicht schön, wenn man immer wieder ausgebombt wird, aber so war das eben“, sagt sie achselzuckend. Ein halbes Jahr wurde sie nach Westpreußen ausquartiert, ein anderes Mal nach Celle.
Von da ist sie dann „bei Nacht und Nebel“ wieder zurück nach Hamburg, wo ihr Mann als Dreher für die Wehrmacht schuftete. „Ich bin ausgebüxt, obwohl das verboten war.“
Sie strahlt Zufriedenheit aus
Nach dem Krieg lebten sie in einem Behelfsheim auf der Peute, erst 1958 konnten sie eine große Wohnung in Billstedt beziehen. Obwohl die Kinder zu zweit in einem Bett schliefen, war es für alle ein Paradies. „Als meine Tante aus Kopenhagen kam, rümpfte sie nur die Nase, doch wir fühlten uns wohl“, lacht die alte Dame, die anscheinend allem immer noch etwas Gutes abgewinnen konnte und eine große Zufriedenheit ausstrahlt.
Vielleicht ist das ja das Geheimnis ihres hohen Alters. Ihr selbst ist der Grund „schnuppe“: „Wenn ich dran bin, bin ich dran, Hauptsache ich muss nicht leiden.“