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DHB-Reformen belasten den VfL Fredenbeck

Als Edgars Kuksa mit Lettland unterwegs war, verlor der VfL. Foto Jürgens

Als Edgars Kuksa mit Lettland unterwegs war, verlor der VfL. Foto Jürgens

Die Reformen und Regeln des Deutschen Handballbundes (DHB) und der Handball-Bundesliga (HBL) kommen beim Drittligisten VfL Fredenbeck nicht gut an. Fahrtkosten sind gestiegen und der Aufstieg in die 2. Liga wäre finanziell ein Kraftakt.

Von Daniel Berlin Donnerstag, 11.02.2016, 19:51 Uhr

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Die Pokalreise nach Essen brachte finanziell nichts ein, die Staffeleinteilung ließ die Fahrtkosten explodieren. Für „Wettbewerbsverzerrung“ hält VfL Trainer Andreas Ott die Tatsache, dass Spiele nicht verlegt werden können, wenn sein lettischer Nationaltorwart Edgars Kuksa unterwegs ist.

Der DHB-Pokal

In der ersten Runde um den DHB-Pokal trat der VfL im vergangenen Jahr in Essen gegen den THW Kiel an. Parallel spielte Zweitligist Essen gegen den Drittligisten Flensborg. Die Teams traten erstmals im Final-Four-Modus gegeneinander an. „Finanziell ging die Reise einigermaßen auf“, sagt der Geschäftsführer der Fredenbecker Handball GmbH, Ulrich Koch. Zu Verdienen gab es nichts. „Wenn der THW nicht dabei gewesen wäre, hätten wir Minus gemacht“, glaubt Koch. Ein Spiel im alten K.o.-Modus in der Geestlandhalle hätten dem VfL mehr als 2000 Zuschauer und gute Einnahmen beschert. Der VfL forderte schon damals die Rückkehr zum alten Modus.

Das sagen der DHB und die Handball-Bundesliga (HBL): „Der Modus ist nicht in Stein gemeißelt“, sagt Carsten Korte, DHB-Vizepräsident Amateur- und Breitensport. Der DHB werde den Modus reflektieren, aber keine Schnellschüsse abgeben. Der Sprecher der HBL, Oliver Lücke, räumt ein, dass der Modus kontrovers diskutiert wurde. Er schließt nicht aus, dass es unter den Teilnehmern „bilaterale Verhandlungen geben könnte, die klären, wer die Turniere ausrichtet. Grundsätzlich wurde der Modus eingeführt, um den Bundesligisten weniger Spiele pro Saison zu bescheren.

Die Staffeleinteilung

Weil Fredenbeck in der Weststaffel Fahrten nach Nordrhein-Westfalen und ins Rheinland bestreiten muss, sind die Fahrtkosten nach Aussagen von Koch um 70 Prozent gestiegen. Die Fahrtkosten machen gut zehn Prozent des Saisonetats des VfL aus. Zwei Busfahrer sind bei Auswärtsfahrten mit an Bord. „Das Busunternehmen kommt uns entgegen“, sagt Koch. Den Zeitaufwand, den die Spieler betreiben, wolle er nicht in die Kalkulation einrechnen. „Die Staffeleinteilung ist unglücklich“, sagt Koch. Er räumt ein, dass die Organisation der Staffeln nicht einfach sei. In der vergangenen Saison trat Fredenbeck in der Nordstaffel an.

Das sagen der DHB und die HBL: Korte meint, es werde immer Härtefälle geben. Die Vereine könnten einen Reisekostenausgleich anregen, über den sich die Gremien dann unterhalten sollten. In der Zweiten Bundesliga gibt es den Reiskostenausgleich seit ihrer Eingleisigkeit.

Der Nationalspieler

Mit Edgars Kuksa steht beim VfL ein lettischer Nationaltorwart unter Vertrag. Kuksa bestritt am Anfang des Jahres die WM-Qualifikation für sein Heimatland und fiel deshalb im Spiel gegen den ATSV Habenhausen aus. Der VfL verlor gegen den Tabellenletzten das Torhüterduell und das Spiel. Fredenbeck präsentierte sich zwar formschwach, dennoch hielt Trainer Andreas Ott die Tatsache, dass die Begegnung nicht verschoben werden durfte, für Wettbewerbsverzerrung. In der 1. und 2. Bundesliga sind dagegen Verlegungen üblich.

DHB und HBL weisen lediglich darauf hin, dass der Spielbetrieb in der ersten und zweiten Liga während der „Internationalen Wochen“ ruhe. Drittligisten könnten vor der Saison Einfluss auf Spielansetzungen nehmen.

Die eingleisige zweite Liga

Der VfL Fredenbeck ist dicht dran am sportlichen Aufstieg in die 2. Handball-Bundesliga und überlegt doch hin und her, ob er sich den Aufstieg überhaupt leisten kann. „Die zweite Liga ist kaum finanzierbar“, sagt Ulrich Koch. Das Problem sei die Eingleisigkeit. Die weiter steigenden Fahrtkosten bereiten ihm dabei weniger Kopfzerbrechen, aber die Arbeitgeber der Spieler müssten womöglich für den Ausfall entschädigt werden. Fredenbeck plädiert für eine Rückkehr zur Nord- und Südstaffel. Der DHB sehe in Liga eins und zwei Vollprofi-Ligen. Unabhängige Vollprofis in der Masse sind vom VfL aber nicht bezahlbar. Der Verein beschäftigt Studenten, Schüler, Auszubildende und Spieler, die tagsüber Berufen nachgehen.

Das sagen der DHB und die HBL: Oliver Lücke kann die Argumente des VfL nicht widerlegen. Korte sagt, ein Aufstiegsverzicht sei aus sportlicher Sicht schade. Dass die Schere zwischen zweiter und dritter Liga immer weiter auseinander geht, räumen beide ein. „An der Eingleisigkeit wird nicht gerüttelt“, sagt Lücke. 2012 wurde die Eingleisigkeit eingeführt, um die Vermarktungsmöglichkeiten, die Professionalität und die spielerische Qualität zu steigern.

Der Kommentar von Daniel Berlin
Verzicht oder Verderben

Rein aus der Sicht des Handball-Drittligisten VfL Fredenbeck und bei den aktuellen Strukturen des Tabellenführers der Weststaffel ist die eingleisige 2. Liga, die der Deutsche Handballbund (DHB), die Handball-Bundesliga (HBL) und die Landesverbände im Jahr 2012 auf den Weg gebracht haben, in der Tat eine mittelschwere Katastrophe. Im schlimmsten Fall steht der VfL am Ende der Saison immer noch ganz oben in der Tabelle und muss aus finanziellen Gründen auf den Aufstieg in die 2. Handball-Bundesliga verzichten. Hinter den Kulissen überlegen die VfL-Verantwortlichen in diesen Tagen, wie sie die Wirtschaft in der Region auf ihre Seite ziehen können, um für das Unternehmen Aufstieg Akzeptanz zu schaffen und viel Geld zu generieren.
Es ist in diesen Zeiten schwerlich möglich, den DHB zu kritisieren. Die Nationalmannschaft der Herren gewann schließlich sensationell die Europameisterschaft in Polen. Das Team war gespickt mit jungen Spielern mit hoher spielerischer Qualität. Die Reformen sollten genau das bewirken: Mehr Qualität in der ersten und 2. Liga, mehr Professionalität und bessere Vermarktungsmöglichkeiten. Dass der Erfolg so früh kam, überrascht selbst den DHB.
Das Mäzentum stirbt aus. Die Aufsteiger in die 2. Liga haben sich in der jüngsten Vergangenheit entweder finanziell verhoben oder dümpelten wie aktuell die HF Springe oder der SV Henstedt-Ulzburg am Tabellenende herum oder beides. Ein „normaler“ Drittligist mit einem Jahresetat zwischen 170 000 bis 250 000 Euro wird nach einem Aufstieg in die 2. Liga mit Bordmitteln nicht die geringste Chance haben.
Vereine, die in der 2. Liga bestehen wollen, müssen zu reinen Wirtschaftsunternehmen werden, ohne ihre Identität und damit die Akzeptanz bei ihren Anhängern zu verlieren. Wer das nicht schafft, verzichtet entweder auf den Aufstieg oder läuft sehenden Auges ins Verderben.

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