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Das Drob Inn rettet Drogenabhängigen das Leben

Eine Gruppe von Menschen steht vor der Kontakt- und Beratungsstelle Drob Inn des Trägervereins Jugendhilfe in Hamburg. Foto Gateau/dpa

Eine Gruppe von Menschen steht vor der Kontakt- und Beratungsstelle Drob Inn des Trägervereins Jugendhilfe in Hamburg. Foto Gateau/dpa

Das Drob Inn in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs ist nicht nur eine Beratungsstelle: 300 bis 400 Besucher pro Tag wollen sich im Drogenkonsumraum Heroin spritzen, Kokain nehmen oder Crack rauchen. Seit dem Jahr 2000 können sie das in der Einrichtung legal tun.

Dienstag, 08.08.2017, 07:00 Uhr

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Wer auf das Gebäude zugeht, bekommt sogleich Drogen angeboten. Auf einer Wiese lagern zu manchen Tageszeiten mehrere Hundert Menschen. Viele von ihnen warten auf Einlass in die Beratungsstelle. Das Drob Inn bietet auch eine warme Mahlzeit und Getränke für wenige Cent an.

Am Tresen des Konsumraums verteilt Peter Möller saubere Spritzen, Alkoholtupfer, Pflaster und andere Utensilien für den intravenösen Rausch. „Nur Drogen haben wir nicht“, sagt der Leiter des Drob Inns. An einem langen Metalltisch können sich 15 Drogenabhängige gleichzeitig spritzen. Der geflieste und weiß gekachelte Raum reizt nicht zum längeren Verweilen.

Wichtig ist die Sterilität und die Aufsicht des Sozialpädagogen. Das rettet Leben, praktisch tagtäglich. Im Drogenkonsumraum sei noch nie ein Mensch gestorben, sagt Möller. Dabei haben er und seine Kollegen häufig Notfälle zu bewältigen, allein im vergangenen Jahr 217 Mal. Ursache sind hauptsächlich Überdosierungen, Krampfanfälle und Psychosen. Ein Beatmungsgerät und eine Sauerstoffflasche stehen griffbereit am Tresen.

Die Zahl der Drogentoten in Hamburg ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen, und zwar um gut ein Viertel auf 75. Mindestens 18 von ihnen seien allerdings an Folgeerkrankungen wie Hepatitis C gestorben, sagt Möller. Die Zahl der eigentlichen Drogentoten liege bei 45. 20 Jahre zuvor waren es fast 160 gewesen.

Das Durchschnittsalter der Besucher im Drob Inn liege heute bei 40 Jahren. Das sei enorm hoch, meint Möller. Früher sei kaum ein über 50-Jähriger in die Beratungsstelle gekommen. Drei Viertel der Klientel sind Männer, etwa 70 Prozent haben einen Migrationshintergrund.

Möller und die Vorsitzende des Trägervereins Jugendhilfe, Christine Tügel, betonen, dass ihre Einrichtung kein rechtsfreier Raum ist. „Wir sind eine echte Beratungsstelle“, sagt Möller. Drogenkonsum und -handel ist im Café strikt verboten. Wer den Konsumraum nutzen will, muss sich anmelden. Es gilt eine strenge Hausordnung. Mehr als 1200 Mal haben die Mitarbeiter im vergangenen Jahr ein Hausverbot ausgesprochen.

Bis Mitte der 80er Jahre sei ausschließlich beraten worden, sagt Möller. Damit sei der Großteil der Szene aber nicht erreicht worden. Durch den Drogenkonsumraum bekommen die Mitarbeiter Kontakt zu den Abhängigen. Das Drob Inn ist nicht die einzige Einrichtung dieser Art in Hamburg, aber die mit Abstand größte. Rund 3000 Menschen zählten zur Kundschaft im vergangenen Jahr. Möller hat keine Illusionen, was seine Arbeit angeht. „Wir freuen uns über jeden, der abstinent wird“, sagt der 60-Jährige.

„Der erste Schritt ist Stabilisierung“, sagt Tügel. Viele der Drogenabhängigen seien „in einem wirklich desolaten Zustand“. Die Arbeit der Einrichtung werde von niemandem in der Hamburger Politik infrage gestellt, so Möller, auch wenn das Drob Inn von den Sparmaßnahmen nicht verschont werde. (lno)

Das Hamburger Drob Inn will Drogenabhängige künftig auch mit Hilfe von Video-Dolmetschern beraten. Das sei eine tolle Sache, sagte die Vorsitzende des Trägervereins Jugendhilfe e.V., Christine Tügel. Etwa 70 Prozent der Besucher haben nach Angaben von Drob-Inn-Leiter Peter Möller einen Migrationshintergrund. Unter ihnen seien Osteuropäer, Afghanen, Nordafrikaner und zahlreiche Flüchtlinge aus anderen Ländern. Die Verständigung sei oft schwierig. „Es fängt damit an, die Regeln zu erklären“, sagte Möller.

Die Einrichtung in der Nähe des Hauptbahnhofs verfügt zwar über Räumlichkeiten zum Drogenkonsum, im Café ist dies aber genauso wie der Drogenhandel strikt verboten. Möller vermutet, dass die Dolmetscher eine gewisse Einarbeitungszeit brauchen werden. Ausdrücke wie „Stein“ für Crack seien nicht jedem bekannt.

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