„Das ist wichtig zu verstehen: Nicht jedem, der lacht, geht es gut.“

Schauspielerin Nova Meierhenrich bei der Europapremiere "Fifty Shades of Grey - Gefährliche Liebe" im CinemaxX Dammtor. Foto: Daniel Reinhardt/dpa/Archiv
Nova Meierhenrich ist in Westfalen aufgewachsen, aber seit ihrer Kindheit liebt sie Norddeutschland und lebt deshalb in Hamburg. Im Interview spricht die Schauspielerin und Moderatorin ihre Erfahrungenüber Thema Depression, über Essens-Genuss und Perfektion.
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TAGEBLATT: Frau Meierhenrich, Sie arbeiten seit 25 Jahren im Showgeschäft, sind Moderatorin, Schauspielerin und Autorin. Zuvor hatten Sie nach Ihrem Studium bei einer Werbeagentur gearbeitet. Das war das, was sie immer wollten. Wieso kam dann doch alles anders?
Nova Meierhenrich: Das war ein großer Zufall. Ich bin bei einem Casting gelandet, weil ich für meine Magisterarbeit recherchieren wollte und bin tatsächlich als Moderatorin für ein Jugendmagazin beim MDR ausgewählt worden. Aber es ist mir schon schwer gefallen, meinen Traumjob in der Werbeagentur BBDO in Düsseldorf und alle Sicherheiten einer Festanstellung aufzugeben. Da muss man reinwachsen. Ich kann es heute noch nicht gut, aber ich bin besser geworden in den letzten 25 Jahren (lacht).
Und Sie wussten wirklich schon mit 14, dass Sie in die Werbung wollen?
Es war so. Andere wollten Tierärztin werden, ich wollte großartige Kampagnen kreieren.
Heute sind Moderatorin, Schauspiel und das Schreiben Ihre Schwerpunkte. Was beschäftigt Sie am meisten?
Ich mag es sehr, mich nicht entscheiden zu müssen. Das Schöne ist, dass ich in völlig unterschiedliche Rollen schlüpfen kann: Als Schauspielerin muss ich mich als Nova vergessen, als Moderatorin stehe ich als Nova auf der Bühne und als Autorin muss ich meine Gedanken bündeln. Für mich wäre es ein Dilemma, sich für eins entscheiden zu müssen.
Durch einen traurigen Anlass sind Sie im vergangenen Jahr Buchautorin geworden. „Wenn Liebe nicht reicht“ ist der Titel des Buches, in dem Sie die Depression ihres Vaters und schließlich seinen Suizid verarbeitet haben. Wie hat diese Erfahrung Ihr Leben verändert?
Ich weiß nicht, wie es anders gewesen wäre. Aber die Krankheit meines Vaters hat 20 Jahre meines Lebens und das meiner Familie geprägt. Diese Erfahrung wirst du nie vergessen. Ich hätte es mir natürlich anders gewünscht, aber darauf hat man leider keinen Einfluss. Man versucht, da zu sein und geht manchmal auch über seine Kräfte hinaus.
Glauben Sie daran, dass Zeit alle Wunden heilt, wie es heißt?
Nein, die Zeit heilt nicht alle Wunden. Aber die Zeit kann helfen, Erlebnisse und Schmerz zu verarbeiten und ihn abzumildern.
Vor der Kamera sind Sie immer strahlend, immer gute Laune. Wie schafft man das? Hilft es, Schauspielerin zu sein?
Das hat weniger mit mir als Schauspielerin als mit mir als Person zu tun. Ich versuche bis zum Schluss die Kontrolle zu behalten, mir nichts anmerken zu lassen. Denn ich habe das ja auch im Privatleben durchgehalten, auch mein Freundeskreis hatte keine Ahnung, was mit mir los war in diesen schweren Jahren. Die meisten haben davon erst durch das Buch erfahren beziehungsweise durch die erzwungene Veröffentlichung. Ich bin ja nicht freiwillig mit dem Thema an die Öffentlichkeit gegangen.
Was meinen Sie mit erzwungener Veröffentlichung?
Eine große Zeitschrift hat vom Tod meines Vaters erfahren. Sie gaben mir eine Nacht Zeit, um mich dazu zu äußern und machten dann gegen meinen Willen eine große Geschichte daraus. Ich wäre von mir aus niemals an die Öffentlichkeit gegangen, weil das eine sehr persönliche Geschichte ist und ich es als meine Aufgabe angesehen habe, meine Familie zu schützen. Die Titelgeschichte ist erschienen, wurde zigmal abgeschrieben von Zeitungen, die nie mit mir gesprochen hatten. Die Geschichte war in der Welt − mit vielen Unwahrheiten und Vermutungen. Ich habe jahrelang dazu geschwiegen, aber das alles hat mich sehr belastet.
Wie kam es zu Ihrem Buch?
Erst sechs Jahre später habe ich mich entschlossen, ein Buch darüber zu schreiben. Das war ein langer Prozess. Ermutigt haben mich vor allem viele Zuschriften von Betroffenen und Angehörigen, die es richtig und wichtig fanden, über das Thema Depression zu reden. Die dankbar waren, dass sie mit ihrer Geschichte nicht alleine dastanden und endlich jemand darüber redete. Das Buch handelt ja auch nicht nur von der Depression meines Vaters, sondern von der Krankheit an sich, wie man mit ihr umgehen lernt, wie sie sich äußert und wo man Hilfe bekommen kann.
Das heißt, Sie wollten aufklären . . .
Ja. Und wenn das Buch dazu angeregt hat, offener über die Krankheit zu sprechen und einzusehen, dass es sich um eine schwere Krankheit handelt und nicht um eine Laune, die morgen wieder verflogen ist, dann war es rückblickend die richtige Entscheidung. Und der Erfolg des Buches, der nicht angepeilt war, gibt ihm recht. Sprüche wie „Kopf hoch, morgen scheint die Sonne wieder“ ist das Schlimmste, was man einem Depressiven sagen kann.
Ist Depression heute noch ein Tabuthema in der Gesellschaft oder hat sich etwas verändert?
Es verändert sich, aber nur langsam. Aber natürlich hilft es, wenn Menschen darüber sprechen wie Teresa Enke, die Frau des verstorbenen Fußballers Robert Enke, mit ihrer Stiftung. Robert Enke wird zum Beispiel von seinen Freunden beschrieben als jemand, der immer gelacht hat und fröhlich war. Das ist wichtig zu verstehen: Nicht jedem, der lacht, geht es gut. Man muss hinter die Fassade gucken und sehen, dass Depression viele Gesichter hat und nicht daran zu erkennen ist, dass jemand mit einer finsteren Miene rumläuft. Langsam kommt auch in der Gesellschaft an, dass es sich um eine Krankheit handelt und nicht um eine Schwäche.
Welche Erfahrungen haben Sie und Ihre Familie gemacht, als Ihr Vater krank wurde?
Wir wussten nichts über die Krankheit. Und wenn du nichts über die Krankheit weißt, kannst du auch nicht wissen, wo du Hilfe bekommen könntest. Depression wird noch immer als Makel angesehen, weshalb sich Menschen nicht trauen, darüber zu reden. Sie haben Angst, ihren Job zu verlieren oder ihre Freunde. Die Arbeit von Teresa Enkes Stiftung oder auch mein Buch helfen hoffentlich etwas, das Thema Depression aus der Tabuzone zu holen. Wir sind auf einem guten Weg, aber es ist auch noch ganz schön viel Arbeit.
Thema Hamburg. Vor 14 Jahren sind Sie von Köln hierhergezogen. Warum eigentlich?
Ich wollte immer nach Hamburg, schon um dem Meer näher zu sein und Dänemark, das Land, mit dem ich seit meiner Kindheit sehr viel verbinde. Zu einer Zeit, in der ich jobmäßig nicht an Köln gebunden war, habe ich einfach den Schritt gemacht und bin umgezogen. Ich bin manchmal ein Nägel-mit-Köpfen-Mensch.
Was gefällt Ihnen an Hamburg?
Ich mag das nordische Temperament, das Geradlinige. Es ähnelt der westfälischen Mentalität, mit der ich als Münsterländerin aufgewachsen bin. Ich mag den rauen Norden. Und es ist wenig Chi-Chi hier oben, das liegt mir. Und dass die Stadt so viel Wasser hat und man hier zur Ruhe kommen kann. Ich kann hier segeln, hab hier meine Kinderstiftung „Herzpiraten“ gegründet, meine Freunde und kann in jeder freien Minute nach Dänemark. Das macht mich happy.
Und was fehlt Ihnen in Hamburg?
Jobmäßig ist hier wenig, gerade die Schauspielbranche liegt in Hamburg ziemlich brach im Unterschied zu München zum Beispiel. Das hat den Vorteil, dass ich immer drehfrei habe, wenn ich hier bin, aber den Nachteil, dass ich zum Drehen immer ins Flugzeug oder in den Zug steigen muss.
Was unterscheidet Hamburg von anderen Großstädten?
Hamburg ist Understatement pur. Das kommt mir sehr entgegen. Hier versuchen die Menschen nicht, ständig zu beweisen, wie toll sie sind, sie sind es einfach. Und wenn der andere es nicht sieht, ist es auch okay. Hamburger brauchen nicht die Show und jagen nicht dem neuesten Ding hinterher, um hip zu sein, wie es in Berlin zum Beispiel oft ist. Mir ist das zu anstrengend. Der Hamburger ruht in sich, vielleicht auch weil er mit Schietwedder auskommen muss. Aber ganz sicher, weil er so viel Wasser um sich hat!
Sie engagieren sich als Schirmherrin für viele Charity-Projekte und haben 2013 mit den „Herzpiraten“ Ihren eigenen gemeinnützigen Verein gegründet, mit dem Sie sich um Herzkinder kümmern. Wo wird Hilfe heute am dringendsten benötigt?
Wir haben so unfassbar viele wunde Punkte in der Welt. Ich habe mich entschieden, etwas mehr vor der eigenen Haustür zu gucken, wo Hilfe benötigt wird. Denn wir vergessen manchmal, dass es auch in Deutschland viel Armut und Krankheit bei Kindern gibt. Dass ich mit meinem Verein und meinem Engagement in anderen sozialen Projekten helfen kann, erfüllt mich.
Auf Ihrer Homepage kann man lesen, dass Sie Kartoffelchips und Pasta lieben und auch alle sonstigen Genussnahrungsmittel. Heißt das etwa, Sie schwimmen nicht auf der Welle der gesunden Ernährung?
Ich liebe Essen. Jegliches Essen!
Schlechtes Essen?
Sie meinen Kartoffel-Chips? Die würde ich nie als schlechtes Essen bezeichnen, sie sind ein Hochgenuss. Ich unterteile nicht in gutes und schlechtes Essen. Wer Essen nicht genießt, kann auch das Leben nicht genießen. Menschen, die sich kasteien, sind mir unheimlich. Ich komme aus einer Familie, in der gern und viel gegessen wird und Essen gerne oft in Gemeinschaft genossen wurde. Kleine Sünden wie Kartoffel-Chips gehören dazu, dann eben tütenweise. Ständiges Kalorienzählen ist nichts für mich. Aber ich achte schon sehr darauf, was ich esse und wo es herkommt. Ich liebe gute Lebensmittel, koche gerne frisch und achte auf gute Qualität – das schließt sich nicht aus.
Übertreiben wir es heute mit dem Schönheitswahn und Perfektionismus?
Wenn ich einige Mädels auf Instagram sehe, die mit 20 schon ihre fünfte Schönheits-OP hinter sich haben, finde ich das schade. Perfekte Menschen langweilen mich. Ich möchte kein Model zu Hause haben, sondern einen mit Lachfalten und kleinen Speckringen, dann muss ich mich auch für meine nicht schämen (lacht). Perfektion nimmt den Menschen die Ausstrahlung, die eigentlich den Zauber ausmacht.
Wie halten Sie sich fit?
Ganz wenig. Ich segle gern und bin gern draußen in der Natur, aber ich hasse es, mich im Fitness-Studio abzurackern. Dazu kann ich mich meist nur durchringen, wenn es für den Job erforderlich ist.
Welchen Traum möchten Sie sich noch erfüllen?
Ein Haus am Meer in Dänemark. Ich möchte das Fenster öffnen und die Wellen rauschen hören.
Mein Lieblingsplatz in Hamburg ist . . . die Elbe.
Gut abschalten kann ich . . . in meinem Schrebergarten.
Gut verzichten könnte ich . . . auf Neid.
Meine Stärke ist . . . , dass ich weiß, was ich nicht will.
Eine Schwäche von mir ist . . . manchmal zu sehr mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.
Drei Dinge, die das Leben schöner machen, sind . . . Freunde, Zeit und Sonne.
Nova Meierhenrich in drei Worten . . . Träumer, Workaholic und gerade raus.
Geboren als älteste von vier Kindern im westfälischen Ahlen, verdankt Nova Meierhenrich ihren außergewöhnlichen Vornamen genau ihrem weihnachtlichen Geburtsdatum am 25.12.1973. Nova ist abgeleitet aus dem Griechisch-Lateinischen und bedeutet „Neuer Stern“. Nach einigen Jahren in den USA und ihrem Abitur am Gymnasium Ahlen, studierte sie Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Soziologie an der Universität Essen. Seit 25 Jahren steht die 46-Jährige schon als Schauspielerin und Moderatorin vor der Kamera. Sie ist Schirmherrin der McDonald Kinderhilfe und Patin der SOS-Kinderdörfer, kämpft mit PETA gegen Pelze und macht sich als Patin des WDCS gegen Delfin & Walfang stark. 2014 gründete sie den gemeinnützigen Verein Herzpiraten, mit dem sie sich für herzkranke Kinder stark macht.
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