Der große Streit um den Famila-Markt

Birgit Rosenthal (45) aus Neu Wulmstorf: „Ich persönlich brauche kein Famila, ich kaufe auf dem Wochenmarkt und freue mich, dass wir auch den Bio-Markt haben. Was Famila bringen würde, ist Rätselraten und zeigt sich ohnehin erst hinterher.“
Nach den langen kontroversen Debatten ist Neu Wulmstorfs großes Reizthema in Sachen Einkaufen seit Wochen aus der politischen Diskussion verschwunden.
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Doch die umstrittene Ansiedlung des Verbrauchermarktes Famila auf dem ehemaligen Meyn-Gelände an der B 73 beschäftigt viele Bürger, und die Meinungen sind nach wie vor geteilt – bei den Bürgern und in der Politik, die das Thema demnächst wieder auf den Tisch bekommen wird.
Kommt Famila nun nach Neu Wulmstorf oder nicht? Wie ist der Stand der Dinge? Das wollten viele Bürger wissen, die bei TAGEBLATT on Tour mit den Reportern ins Gespräch kamen. Fakt ist: Noch ist keine endgültige Entscheidung gefallen, und auch zwei Jahre nachdem das Unternehmen seinen Ansiedlungswunsch an die Gemeinde herangetragen hatte, ist das Projekt noch äußerst umstritten – bei den Bürgern ebenso wie bei Geschäftsleuten und der Politik.
Im Moment liegt die Debatte auf Eis, denn zahlreiche Gutachten, die der Gemeinderat als Grundlage für seine endgültige Entscheidung für oder gegen Famila braucht, werden derzeit noch erarbeitet. Noch steht ein Zentrenkonzept aus, das definieren soll, was zum Neu Wulmstorfer Zentrum gehört und was nicht, das Verkehrsgutachten liegt ebenso noch nicht komplett vor wie das Emissionsgutachten. Sie alle müssen aber auf dem Tisch sein, damit der Bebauuungsplanentwurf weiter bearbeitet werden kann. Voraussichtlich noch im Januar soll das nach Auskunft der Verwaltung aber der Fall sein. Dann werden auch die öffentlichen politischen Beratungen weitergehen.
Seit Herbst 2013 führen Befürworter und Gegner der Ansiedlung eine erhitzte Debatte darüber, ob der zusätzliche Verbrauchermarkt an der B 73 dem Handel im Ortskern nachhaltig schaden wird oder vielmehr eine Bereicherung für die wachsende Gemeinde als Einkaufstandort zwischen Hamburg und Buxtehude wäre. 2014 hatte der Gemeinderat mit den Stimmen der SPD, der Wählergemeinschaft UWG und der FDP zunächst das Planverfahren für die Ansiedlung gegen die Stimmen von CDU und Grünen angeschoben.
Famila will auf dem ehemaligen Meyn-Gelände neben Möbel Boss einen Verbrauchermarkt mit (ursprünglich) 3500 Quadratmeter Verkaufsfläche bauen und in das Vorhaben etwa acht Millionen Euro investieren. Auf dem Gelände zwischen B 73 und Matthias-Claudius-Straße sollen neben dem Markt auch 220 Pkw-Stellplätze entstehen. Die ursprünglich geplante Verkaufsfläche wird Famila jedoch reduzieren müssen: Nachdem der Gemeinderat zwischenzeitlich der Erweiterung des Edeka-Marktes in den Wulmstorfer Wiesen zugestimmt hat, müsste Famila um 200 Quadratmeter abspecken, um nicht die laut Einzelhandelsgutachten für den Ortskern verträgliche Verkaufsfläche zu überschreiten.
Geteilter Meinung über die Folgen der Famila-Ansiedlung sind auch die Fachleute: Das Gutachten, das die Gemeinde im Zuge des Planverfahrens in Auftrag gegeben hatte, hält den Markt in einer Größe von 3300 Quadratmetern für verträglich, die Chancen der Ansiedlung würden die Risiken überwiegen. Ein von der CDU bei einem anderen Institut in Auftrag gegebenes Gutachten hingegen kommt zu dem Schluss, dass ein Markt in dieser Größenordnung an diesem Standort erhebliche Auswirkungen auf die örtlichen Einzelhändler und ein Ausbluten der Geschäfte in der Bahnhofstraße zur Folge hätte.
Die Nachbarstädte Buxtehude, Hamburg und sogar Buchholz haben sich bereits ablehnend zu Neu Wulmstorfs Famila-Wunsch geäußert, und im Regionalen Raumordnungsprogramm des Landkreises sind die Weichen auch noch nicht gestellt für einen Markt dieser Größe außerhalb des Zentrums. Die Initiative Ortskern Neu Wulmstorf (IONW), in der sich besorgte Neu Wulmstorfer Geschäftsleute um den Versicherungskaufmann Gerhard Peters zusammengeschlossen haben, will den Famila-Markt verhindern, notfalls per Klage.
So ist nach wie vor noch offen, ob Famila am Ende nach Neu Wulmstorf kommt. Die SPD, die der Ansiedlung grundsätzlich positiv gegenübersteht (wie die UWG und die FDP), will ihre endgültige Entscheidung erst auf Basis aller erforderlichen Gutachten treffen. Die Grünen und der Linke Wolfgang Klein haben sich klar gegen Famila positioniert, und auch die CDU steht der Ansiedlung an diesem Standort äußerst skeptisch gegenüber und fürchtet, dass der Vollsortimenter in dieser Größe nicht verträglich ist für die übrige Geschäftswelt.
Er glaube, dass das Vorhaben schon rein rechtlich nicht durchsetzbar sei, denn das Regionale Raumordnungsprogramm gestatte einen Markt in dieser Größe außerhalb des Zentrums nicht, resümiert CDU-Fraktionschef Malte Kanebley. Er wolle aber auch eine Entscheidung der CDU für Famila nicht kategorisch ausschließen, sagt Kanebley dem TAGEBLATT: „Wir treffen die Entscheidung, wenn wir alle Informationen beieinander haben.“

Bayram Özkan (41), Ingenieur aus Neu Wulmstorf: „Wenn Famila, dann bitte im Ortskern, um den Ortskern zu beleben, aber nicht am Rand auf dem Meyn-Gelände, weil dadurch der Ortskern zerrissen und dezentralisiert wird. Ich selbst brauche Fami