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EXKLUSIVES WOHNEN

Die erste Mieterin im Gasometer

Ein Gigant aus Aluminium und Glas: Der Gasometer ist Stades ungewöhnlichstes Mietshaus.

Ein Gigant aus Aluminium und Glas: Der Gasometer ist Stades ungewöhnlichstes Mietshaus.

Ingrid Schirmer wohnt in einem einmaligen Gebäude in exklusiver Lage. Ihre Adresse ist vielleicht nicht jedem sofort ein Begriff – Gasometer dagegen schon. Ingrid Schirmer lebt seit zwei Jahren in dem Industriedenkmal, Stades ungewöhnlichstem Mietshaus.

Von Catharina Meybohm Samstag, 14.10.2017, 12:00 Uhr

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Aus der Ferne betrachtet wirkt der Gasometer in Stade alles andere als wohnlich. Ein Gigant aus Aluminium und Glas, gebaut vom, nicht aber für den Menschen. Doch die Zeiten, in denen der Zylinder als Gasspeicher genutzt wurde, sind vorbei. Jetzt zieren Blumentöpfe, Sitzmöbel und Gardinen die Fassade. Architektur im Spagat zwischen Wohnraum und Industriekultur. In den Gasometer ist Leben eingezogen.

Ingrid Schirmer lebt mit ihrer Boxer-Hündin Heda in einer Dreizimmerwohnung im sechsten Stockwerk. Foto: Meybohm

„Ich fühle mich hier wahnsinnig wohl“, sagt Ingrid Schirmer. Die 73-Jährige wohnt zusammen mit ihrer Boxer-Hündin Heda im sechsten Stock des Gasometers. Ihre Wohnung mit dem tortenstück-förmigen Grundriss misst 105 Quadratmeter. Die drei Zimmer sind nach innen schräg zulaufend geschnitten und über einen verwinkelten Flur miteinander verbunden. Eine Loggia und ein Stellplatz in der Tiefgarage gehören außerdem mit dazu. Was Ingrid Schirmer an ihrer Wohnung am besten gefällt: der einmalige Panorama-Ausblick durch die bodentiefen Fenster.

Vom Fischmarkt mit den Fachwerkhäusern der Altstadt über den Stadthafen mit den modernen Bürogebäuden bis zum Schwingedeich: Der Rundumblick aus Ingrid Schirmers Wohnung hat einiges zu bieten. Das wissen auch andere zu schätzen. Kürzlich hat sich ein Fernsehteam angemeldet, um vom Gasometer aus Stades schönste Seiten zu filmen. „Jeder, der mich besucht, ist von dem Ausblick begeistert“, erzählt Ingrid Schirmer stolz. Eine Wohnung mit dem Ausblick zur anderen Seite wollte sie nicht haben. Die oder keine.

Schöne Aussichten: Vom Gasometer aus hat man einen einmaligen Panorama-Ausblick über den Stadthafen und die Stader Altstadt. Foto: Bodo Cordes

Bis 2007 wurde der Gasometer von den Stadtwerken als Gaslager genutzt. Ein privater Investor kaufte die denkmalgeschützte Immobilie und beauftragte das Nottensdorfer Unternehmen HBI mit dem Luxus-Umbau nach den Plänen des Stader Architekten Assmus Buttge. Im Frühjahr 2012 begann der Abriss der Gebäude rundherum, im Jahr darauf begannen die Bauarbeiten am Gasometer selbst. Nach und nach entstanden 36 exklusive Mietwohnungen plus Parkdeck in dem historischen Gebäude.

Ingrid Schirmer war die Erste, die sich für eine der Wohnungen im Gasometer beworben hatte. Nach dem Tod ihres Mannes vor 13 Jahren lebte sie noch eine Weile mit Hündin Heda am Horstsee. Doch irgendwann wurde ihr das Haus zu groß. Sie verkaufte es und suchte sich über einen Makler eine Mietwohnung. Zentral gelegen und hundefreundlich sollte sie sein. Die Wohnung im Gasometer war die erste und einzige, die sich Ingrid Schirmer angesehen hatte – Volltreffer. In einem Ordner hat sie immer noch sämtliche Zeitungsausschnitte über den Umbau des Gasometers aufbewahrt. Sie hat darauf hin gefiebert, einziehen zu können.

Mehr als zwei Jahre dauerte der aufwendige und anspruchsvolle Umbau des Gasometers. Der Stahlzylinder wurde entkernt, die Betonsohle entfernt und die Stahlkonstruktion mit einem dauerhaften Korrosionsschutz versehen. In das Fundament wurden 32 Stahlbetonpfähle gebohrt. Die Außenfassade wurde aus Sonnenschutzverglasung gestaltet. Es wurde ein Aufzug eingebaut. In den Wohnungen: weiße Hochglanzküchen, Eichenparkettböden, Fußbodenheizung.

Ingrid Schirmers Begeisterung für den Gasometer war ansteckend: Ein befreundetes Paar, das früher auch in der Horststraße gewohnt hat, lebt heute in einer Wohnung über ihr. Die alten Nachbarn sind auch die neuen. „Und heute sehen wir uns häufiger als in der Horststraße. Ich muss ja nur kurz nach oben gehen.“

Nicht jeder kann es sich leisten, in einem der Sahnestücke Stades zu wohnen. Ingrid Schirmers Nachbarn sind Ärzte oder Senioren mit einer üppigen Rente. Auf ihrer Internetseite bietet die HBI derzeit drei Mietwohnungen im Gasometer an. Die monatliche Warmmiete für die größte: 2384 Euro für 166 Quadratmeter Wohnfläche.

Möwen schweben an unsichtbaren Fäden über dem Stadthafen. Unter ihr Kreischen legt sich der Feierabendverkehr als brummender Unterton. Ingrid Schirmer schließt die Tür zur Loggia und sperrt gleichzeitig den Lärm aus. Innen herrscht nichts als Ruhe. Heute sind es auf den Tag genau zwei Jahre: Am 14. Oktober 2015 zog Ingrid Schirmer ein. Sie war die Erste, die eine Wohnung im Industriedenkmal bezogen hat. „In der ersten Nacht habe ich hier nicht geschlafen“, erzählt sie. Ganz allein im Gasometer – das wollte sie nicht. Heute, so sagt sie, schläft sie besser als im Eigenheim.

Für mich gibt es keine andere Wohnung. Ich vermisse nichts“, sagt Ingrid Schirmer. Dabei gehört auch ihr altes Haus in der Horststraße mit dem riesigen Wohnzimmer und dem Grundstück direkt am See zur besten Lage in Stade. Ihrem verstorbenen Mann würde die Wohnung im Gasometer auch gut gefallen, sagt die 73-Jährige. „Wenn er von oben runter gucken könnte, würde er bestimmt sagen, dass er auch hier einziehen würde.“ Hans-Harald Schirmer kannte den Gasometer gut: Er war Direktor und Geschäftsführer der Stadtwerke Stade.

Exklusives Wohnen – hinter den Kulissen: Die Geschichte über den Gasometer am Stader Hafen ist der Auftakt einer losen Folge von tollen Wohnungen in der Region.

Luxushäuser, Villen, Landhäuser jeder Art, es gibt sie, diese Traum-Immobilien, mit denen viele sich ihren Traum erfüllt haben. Was nicht immer unbedingt auch teuer sein muss, denn viele haben ihre Häuser selber saniert und sich so das exklusive Wohnen geschaffen. Das TAGEBLATT würde gerne einen Blick in diese Immobilien werfen – natürlich unter Wahrung der Privatsphäre. Wer diesen Blick zulassen möchte, sendet eine Mail an: hamann@tageblatt.de

Schöne Aussichten : Vom Gasometer aus hat man einen einmaligen Panorama-Ausblick über den Stadthafen und die Stader Altstadt. Foto Bodo Cordes

Schöne Aussichten : Vom Gasometer aus hat man einen einmaligen Panorama-Ausblick über den Stadthafen und die Stader Altstadt. Foto Bodo Cordes

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