Ein Manager versucht sich im Kuhstall

Frank Claassen (links) lässt sich von Hermann Schlichtmann den Melkstand erklären. Fotos von Allwörden
Dass Frank Claassen einen Tag auf dem Hof von Hermann und Söhnke Schlichtmann verbracht hat, hat einen besonderen Hintergrund. Claassen ist neuer Geschäftsführer Finanzen beim Deutschen Milchkontor (DMK) und wollte einen Milchhof hautnah erleben.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Frank Claassen, studierter Ökonom und bis vor kurzem im Management von Beiersdorf in Hamburg für die Finanzen der europäischen Betriebe zuständig, hat von Landwirtschaft nach eigenem Bekunden keine Ahnung. Einen Kuhstall und Melkstand hat der Hamburger, der im Ruhrgebiet aufgewachsen ist, mit seinen 54 Jahren bisher noch nie von innen gesehen. Umso wichtiger war es ihm, diesen einen Tag auf einem Milchhof zu verbringen.
Milchprodukte, die in den Molkereien des DMK (siehe unten) hergestellt werden, kennt der neue Vorstand inzwischen ganz gut. Auch die Strukturen der größten deutschen Molkerei sind ihm lange geläufig, aber die Produzenten des Rohstoffes waren für ihn bisher ganz fremdes Terrain. „Deshalb hat mir dieser Tag hier sehr gutgetan. Ich konnte eine Menge über die Milcherzeugung und Milchhöfe lernen“, resümiert der Finanzmensch am Ende eines langen Tages auf dem Hof Schlichtmann.
{picture1}
Ausklingen ließ er diesen Orientierungs- und Arbeitstag mit einem etwa einstündigen Einsatz im Melkstand, in dem 48 Kühe zeitgleich gemolken werden können. Senior Hermann Schlichtmann erklärt dem Manager, wie die Kühe per Hand vorgemolken werden, bevor die Stutzen des Melkgeschirrs auf die Euter gesteckt werden. Das sieht alles erheblich leichter aus, als es tatsächlich ist. Feingefühl für das Melken kann man nicht in so kurzer Zeit lernen.
Hermann Schlichtmann zeigt Frank Claassen, dass er, bevor er an die Kuh rangeht, sie kurz am Bein antippt. „Damit die weiß: Jetzt kommt da jemand und will mich melken.“ Auch erklärt der Landwirt dem Manager, der seine Milch verarbeitet und vermarktet, dass sowohl das Melkgeschirr als auch die Euter gereinigt werden müssen. Hygiene sei das A und O im Melkstand. Als eine Kuh gerade kotet und die dünnflüssige Masse auch die Arbeitsschürze von Claassen bespritzt, wird alles sofort mit Wasser gereinigt. Der Städter ist keinesfalls angeekelt, sondern nimmt es mit Gelassenheit.
Dass der Hof Schlichtmann ausgewählt wurde für die praktische Unterweisung des neuen Vorstands von der Bremer Firmenzentrale, ist einfach zu erklären: Der Betrieb hat 2016 einen Wettbewerb der DMK Group gewonnen und wurde zur „Milkmaster-Farm“ gekürt. Davon gibt es im DMK-Gebiet, das sich nördlich der Main-Linie über die halbe Republik erstreckt, zwei. Der andere Betrieb liegt in der Grafschaft Bentheim.
{picture2}
In den beiden „Milkmaster-Farmen“ werden internationale Besuchergruppen empfangen: Handelspartner, Einkäufer, Politiker, Medienvertreter oder auch Futtermittelberater und Tierärzte. Es kommen zwar meist DMK-Experten dazu, aber Junior Söhnke Schlichtmann führt die Besucher zwei Stunden über den Hof und erklärt die Abläufe eines modernen Milchhofes. Der Jungbauer, der den Hof gemeinsam mit seinem Vater bewirtschaftet: „Wir finden das spannend und helfen gerne dabei, über die moderne Landwirtschaft aufzuklären.“ Zudem hätten sie viele interessante Menschen kennengelernt. Neulich war eine Gruppe Chinesen auf dem Oldendorfer Hof und vor kurzem ein Milliardär aus Nigeria. Als „Milkmaster-Farm“ wurden sie in einem aufwendigen Wettbewerb von einer Fachjury ausgewählt. Die Molkerei hat Investitionen wie die Herrichtung eines Konferenzraumes einschließlich Präsentationstechnik unterstützt.
Zurück zu Manager Claassen und seiner Praxis-Exkursion: Er wisse nun noch besser, dass er ein „tolles und sympathisches Produkt verkauft“, sagt er. Wie bei der Beiersdorf AG, die Marken wie 8×4, Nivea, Tesa, Labello und Hansaplast herstellt, seien auch die Milch und Milchprodukte Konsumentenartikel, die ein gutes Marketing benötigten. Am Vormittag hatte Claassen seine Frau und seinen 18-jährigen Sohn mitgebracht. Auch für sie war das Leben und Arbeiten auf einem Hof Neuland. Der Junior konnte seinen Vater dabei beobachten, wie der mit dem Weidemann (Hofradlader) und dem hochmodernen Traktor einige Runden drehen durfte. „Der Traktor fuhr sich erstaunlich leicht und komfortabel“, sagt der Finanzvorstand und gesteht: „Da wurde der Junge im Mann geweckt. Das hat richtig Spaß gebracht.“
Übrigens: Als Nächstes will der neue Chef bei einem Milchsammelwagen-Fahrer mitfahren und dessen Arbeitsalltag kennenlernen.
Nach der Megafusion von Humana und der Nordmilch in Zeven ist mit dem Deutschen Milchkontor (DMK) Deutschlands größte Molkerei entstanden. In über 20 Werken produziert DMK in Deutschland, den Niederlanden und einigen internationalen Standorten. Die größte Molkerei steht in Zeven mit rund 1000 Mitarbeitern. Insgesamt sind beim DMK 7700 Menschen beschäftigt. Neben den Molkereien gibt es noch Spezialbetriebe, die etwa Babynahrung oder Eiscremes herstellen.
DMK ist eine Genossenschaft. Die rund 6000 Milchbauern, die DMK zuliefern und mit ihm Verträge haben, sind gleichzeitig als Genossen auch Anteilseigner und Miteigentümer des Unternehmens. Sie sind zum Teil ehrenamtlich in den Gremien vertreten. Das Unternehmen mit sechs Geschäftsfeldern wird von Ingo Müller (Sprecher der Geschäftsführung) und Dr. Frank Claassen geleitet.
Zum Geschäft der DMK-Group gehören Käse, Molkereiprodukte wie Quark, Milch oder Butter, Eiscreme, Babynahrung und Zutaten für große Industriekunden. Marken wie Milram, Alete, Humana oder Uniekaas gehören zum Sortiment des DMK. Etwa 50 Prozent des Umsatzes wird in Deutschland erzielt, die andere Hälfte weltweit.