Erster Kaffee am Morgen beim „Lütten Foffteiner“

Die Wirtin in ihrem Imbiss „Zum lütten Foffteiner“ auf dem Kleinen Grasbrook. Foto Scholz/dpa
Rotblühende Geranien, eine Gartenbank, ein Tisch mit weißen Plastikstühlen unter leuchtend roter Markise. Der Eingang zu Magdalena Meierdirks‘ Imbiss „Zum Lütten Foffteiner“ auf dem Kleinen Grasbrook ist ein Idyll im rastlosen Hafenbetrieb.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Auch nach dem Schritt durch den Fliegenvorhang hinein in den Container bleibt die Hektik des Alltags und das Ungeordnete des Hafens vor der Tür.
Von Almut Kipp
Im Imbiss regiert die 54-Jährige – „Ich bin Lena“ – seit 18 Jahren. Blankgeputzt sind Tresen, Herd, Kühltheke und Abstellflächen. „Das wichtigste im Lokal ist Sauberkeit. Ich möchte hier auch Essen wollen.“ Da gibt es bei der resoluten Inhaberin kein Pardon. Doch dass sie ihr Geschirr noch von Hand abspült, hat andere Gründe: „Erstens müsste ich mir bei einem Geschirrspüler mehr Geschirr anschaffen und den Platz dafür hab‘ ich nicht. Und zweitens bin ich geizig.“
Mit jedem Euro muss Meierdirks rechnen, „ich schwimme nicht im Geld“, sagt sie. Weil sie keine Angestellte mehr habe, könne sie sich etwas mehr leisten. Seit einem gesundheitlichen Rückschlag betreibt Meierdirks ihr Lokal seit einem Jahr wieder allein, unter der Woche von 7 bis 17 Uhr. Sie werde sich etwas einfallen lassen müssen, um ihre Belastung auf Dauer zu tragen. „Selbst ist die Frau“, gibt sie sich ganz pragmatisch.
„War lecker“, wirft Spediteur Ringo ein, schiebt den leer gegessenen Teller beiseite. „Sie sorgt dafür, dass meine Hosen immer passen.“ Gescherzt wird gerne. Noch ist an diesem Vormittag nicht viel los, Pause machen („Fofftein“), scheint’s, hat noch Zeit. „Schnitzel, Pommes – erst ab 11 Uhr“, klärt Lena einen jungen Hafenarbeiter auf. Zur Morgen-Mahlzeit landet passend das rühreihaltige Bauernfrühstück für 6,60 Euro frisch zubereitet auf seinem Teller. Für später steht auch der deftige Hafenteller mit Bratwurst und Frikadelle auf den Tafeln.
„Ich hab’ auch Schlipsträger und Bürohengste hier“, erzählt die Hamburgerin, geboren in Altona, aufgewachsen in Steilshoop. Jetzt wohnt sie auf der nahen Veddel, „gegenüber vom Goldenen Haus. Da will ich auch nicht weg. Ich mag Multi-Kulti“, sagt die Selbstständige, die schon eine Kinderboutique und eine Kneipe geschmissen hat.
Fünf Männer in Arbeitsoutfit, die auf einen Schlag den Container füllen, lassen ihr Gesicht erstrahlen. „Kaffee zum hier?“, hakt sie bei der Bestellung nach. Die heißen Kaffeebecher (1,10 Euro) wandern über den Tresen. „Bauarbeiter sind das Beste, was es gibt“, sagt die Inhaberin. Die kämen immer vorbei, wenn sie, wie dieser Tage, in der Nachbarschaft buddelten.
Die Nachbarschaft, das sind in Meierdirks Rücken das HHLA-Frucht- und Kühlzentrum und die Unikai-Lagerei und Speditionsgesellschaft, wo Südfrüchte, Autos und Stückgut umgeschlagen werden. „Der Parkplatz davor, das ist nicht mein Geschäft“, sagt Meierdirks. Will heißen: Wer in die Firmen reingeht, kommt nicht zu ihr für einen Imbiss rein. Eher schon die von Gegenüber, aus den hafentypischen backsteinernen Lagerhäusern.
Und Lkw-Fahrer von nah und fern, wie Immo Möbius (43) aus Ostfriesland. Er tut kund, wo das gastronomische Preis-Leistungs-Verhältnis entlang der Autobahnen stimmt, tauscht sich mit Imbissgästen aus. „Mit 24 Euro Spesen, was können Sie da schon machen? Drei Euro davon gehen für das Duschen drauf“, erläutert Möbius. Zustimmendes Kopfnicken und Schimpfen auf den Euro, der das Leben verteuert habe, folgen noch, bevor jeder seines Weges zieht. Unterdessen hat Meierdirks die Mettwurst in der Kühlung verstaut, die ersten Würstchen landen auf dem Grill. Ihren Standort sah die Imbiss-Betreiberin in Gefahr, als die Stadt den Grasbrook mal zum Uni-, mal zum Olympia-Gelände machen wollte. „Ich hätte wegmüssen, aber Olympia hätte mir gefallen“, sagt Meierdirks.
Und jetzt, wo der Grasbrook zum Stadtteil mit 3000 Wohnungen und mehr Gewerbe umgeplant wird? Die Mittfünfzigerin vertraut darauf, dass sie an ihrem Standort an der Dessauer Straße bleiben kann. „Sonst wäre meine Existenz kaputt.“ Und die idyllische Anlaufstelle für ihre Gäste Vergangenheit.