Zähl Pixel
Wolfgang Dziony

Gründungsmitglied der Scorpions lebt in Harsefeld

Die Band 1971: Klaus Meine und Rudolf Schenker, beide bis heute Sänger und an der Gitarre der Scorpions , Wolfgang Dziony, Lothar Heimberg und Michael Schenker (von links). Foto Schenker/Archiv Dziony/Bearb. Poppe

Die Band 1971: Klaus Meine und Rudolf Schenker, beide bis heute Sänger und an der Gitarre der Scorpions , Wolfgang Dziony, Lothar Heimberg und Michael Schenker (von links). Foto Schenker/Archiv Dziony/Bearb. Poppe

Wolfgang Dziony aus Harsefeld gründete 1965 mit Rudolf Schenker die weltweit erfolgreichen Scorpions. 1972, kurz vor dem Durchbruch, verließ er die Band. Ob er heute ein Rockstar wäre, wenn er nicht ausgestiegen wäre, wird er oft gefragt. Seine Frau hat dazu eine klare Meinung.

Sonntag, 14.04.2019, 17:48 Uhr

Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!

Von Ralf G. Poppe

Wolfgang Dziony bewohnt mit seiner Ehefrau Karin ein stilvolles Haus in Harsefeld. Beide sind mittlerweile Rentner, bald 70 Jahre alt, fast 50 Jahre verheiratet. Sie genießen ihr Leben. Dzionys blicken positiv in die Zukunft. Wolfgang spielt seit einigen Jahren wieder Schlagzeug – bei den Ballroom Hamburg Allstars. Von Ende 1972 bis zum Jahre 2003 hat er keine fünf Minuten hinter der „Schießbude“ gesessen, einfach konsequent sein Berufsleben zu Ende gebracht. Die langen Haare durften erst ab 2005 wachsen.

{picture2s} „Ich werde oft gefragt, was gewesen wäre, wenn ich bei den Scorpions geblieben wäre“, sagt Dziony. „Ich sage dann, in meinem ersten Leben wäre ich fast ein Rockstar geworden. Doch ich bin kein Rockstar. Ich bin lediglich ein Stück deutscher Rockgeschichte. Wenn man in die richtige Historie der Band guckt, dann steht dort, dass Rudolf Schenker und ich die beiden Gründer der Scorpions sind. Es gab lediglich zwei Gründungsmitglieder, auch wenn in der Originalformation vier Musiker dabei waren. Bei Ina Müller in der Sendung „Inas Nacht“ wurde kommuniziert, Rudolf wäre der Bandgründer gewesen. Da hat die Karin sich furchtbar aufgeregt, sich gefragt, was der da redet.“

Karin Dziony stimmt ihm zu: „Ja. Alle vergessen, wie es wirklich einmal gewesen ist.“ Wolfgang Dziony: „Karin und ich sind zusammen, seit wir 15 Jahre alt sind. Wir waren bereits zusammen, bevor die Band entstanden ist. Ich bin 1964 nach Sarstedt gezogen. Der Ort liegt zwischen Hildesheim und Hannover. Meine Mutter hatte dort eine Gaststätte namens „Gilde Eck“ übernommen. Direkt daneben befand sich ein Wohnhaus. Die Erdgeschosswohnung rechts gehörte zur Kneipe. Darin wohnte ich mit meinen Eltern. Im Erdgeschoss links wohnte die Familie Schenker. Ich war Gymnasiast in Hildesheim, Rudolf lernte den Beruf des Starkstromelektrikers bei der Hastra in Hannover. Zusammen haben wir beide die Scorpions in der Kneipe meiner Mutter gegründet. Mittwochs war dort Ruhetag, dann haben wir in der Kneipe Krach gemacht. Musik konnte man das damals noch nicht nennen. Manchmal sind wir mit Schubkarren und Verstärkern auch zur Kiesgrube gegangen. Rudolf hat dort von den drei Stromphasen dann eine abgeklemmt, damit wir Musik machen konnten.“

An den ersten Übungsabenden hatte das damalige Quartett noch keinen richtigen Namen. Dziony: „Die Bezeichnung ‚Nameless‘ erinnere ich, sie wurde jedoch nie vermarktet. Es gibt weder Plakate noch Auftritte als Nameless. Absolut null. Daran sieht man, wie klein dieses Zeitfenster gewesen sein muss. Wir waren sehr schnell die Scorpions, haben anfangs fast alles gecovert. Status Quo, Beatles, Rolling Stones, später Eric Clapton mit den Yardbirds. Die Scorpions waren von Beginn an sehr intensiv, jedoch fehlte kurzzeitig noch die Stilrichtung.“ 1972 wurde mit „Lonesome Crow“ das erste Scorpions-Album mit Schenker, Dziony, Sänger Klaus Meine, Bassist Lothar Heimberg sowie Rudolfs jüngerem Bruder Michael eingespielt.

„Die Scorpions waren auf der Bühne immer so gut, wie es auf Platte zu hören ist.“ Die Musiker spielten schon vor der Veröffentlichung der LP circa 130 Auftritte pro Jahr, das heißt fast drei Konzerte in der Woche. Dziony: „Ich war der Letzte in der Band, der noch nebenher in einem bürgerlichen Beruf arbeitete. Kam manchmal vom Sonntagskonzert am Montagmorgen nach vier Uhr zurück, musste ab sieben Uhr arbeiten. Dienstags und donnerstags haben wir zudem noch geübt. Da habe ich gemerkt, es geht nicht mehr nebenher.“

{picture1}

Karin und Wolfgang haben zwei Söhne, der Ältere war damals bereits geboren. „Ich wurde gefragt, konnte mir auch irgendwie vorstellen, mich zu 100 Prozent auf die Scorpions einzulassen. Doch ich hatte ja Frau und Kind, brauchte daher einen bestimmten Geldbetrag pro Monat. Ein regelmäßiges Einkommen. Das konnten mir die Scorpions damals noch nicht garantieren. Wir verdienten zwar mit der Musik bereits gut, doch die Hälfte davon wurde in die technische Anlage der Band gesteckt.

Damals hatten die Veranstalter und Clubs noch keine PAs, wir mussten unsere Anlage mitbringen. Und um einen großen Kinosaal ordentlich zu beschallen, benötigte man eine gute Anlage. Immer mehr, immer besser. Wir hatten einen grünweißen VW-Bus T2. Dann brachte Klaus irgendwann einen Ford Transit. Klaus Meine war zusammen mit Michael Schenker um den Jahreswechsel 1969/70 zu den Scorpions gestoßen. Beide hatten vorher zusammen in einer anderen Gruppe gespielt.“

Weil Wolfgang Dziony ein pflichtbewusster Mann ist, dem seine Familie über alles geht, entschied er sich gegen das Rockstarbusiness für die Familie. Dabei blieb es. Es hätte sicher auch später ein paar Möglichkeiten gegeben, zurückzukehren. Doch Dziony verzichtete. „Ich muss meine Frau an meiner Seite haben.“ So hat er sich ab 1972 entspannt um seine Familie gekümmert. Dziony: „Hätte ich gedacht, ich will jetzt Rockstar werden und mir ist egal, was mit meiner Familie passiert, wäre ich vielleicht heute noch dabei. Doch es ist ja bekannt, dass im Rockbusiness, auch durch Alkohol und andere Drogen, reihenweise Familien kaputt gehen.

Deshalb hat meine Karin das einmal passend auf den Punkt gebracht. Sie sagte: ‚Dann wärst Du sicher nicht mehr am Leben.‘ Es ist zudem ein harter Job, Drummer in einer Rockband zu sein. Wenn ich heute mit den Ballroom Hamburg Allstars bis zu zwei Stunden auf der Bühne abrocke, dann habe ich die rote Ladeleuchte auf der Stirn. Bin platt. Ich benötige anschließend stets eine halbe Stunde, um mich wiederzubeleben.“

Der Kontakt zu den Scorpions, besonders zu Rudolf Schenker, ist bis heute jedoch nie abgerissen. „Wir haben uns ja nicht im Streit getrennt.“ Und deshalb sind die Dzionys auch immer mal wieder backstage dabei, wenn die Scorpions auftreten.

www.ballroomhamburgallstars.de.to

Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.