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Hamburgs gescheiterte Projekte

Gegner und Befürworter ringen um beispiellose Projekte: Wohnbrücke „Living Bridge“ (Foto BRT)

Gegner und Befürworter ringen um beispiellose Projekte: Wohnbrücke „Living Bridge“ (Foto BRT)

Ergrünt er nun oder nicht? Ob der Weltkriegsbunker am Heiligengeistfeld tatsächlich eine Dschungel-Haube erhält, ist auch nach zweijähriger Diskussion noch offen.

Montag, 20.06.2016, 20:35 Uhr

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Weiterhin ringen Gegner und Befürworter um das beispiellose Projekt. Wohin die Waage sich neigen wird, ist nicht auszumachen.

Wie berichtet, will Bunker-Pächter Thomas Matzen dem grauen Betonklotz eine 20 Meter hohe bepflanzte Pyramide aufsetzen. Darauf soll es horizontal und vertikal immergrün sprießen, eine umlaufende Rampe soll zu einem Jedermann-Park führen. Im Inneren des sechs Stockwerke hohen Aufsatzes möchte Matzen diverse Nutzungen realisieren, darunter eine Event- und Sporthalle für 2200 Besucher, ein Hotel mit 154 Zimmern, einen Musikclub, aber auch Gratis-Räume für Stadtteilgruppen.

Anhänger der Pläne loben, der Vegetationsdeckel mache aus dem Weltkriegsungetüm ein wucherndes Stück Stadtnatur und begrüßen die zusätzlichen Nutzungen als Gewinn für die Menschen im Stadtteil.

Kritiker wehren sich gegen eine weitere „Eventisierung“ St. Paulis, sie warnen vor Verkehrschaos, Gentrifizierung und der Verschattung der Nachbarschaft. Während der rot-grüne Senat dem Vorhaben wohlwollend gegenübersteht, gibt es im zuständigen Bezirk Mitte keine klare Mehrheit für das eine oder andere Lager.

Setzen sich die Skeptiker durch, würden sie beileibe nicht den ersten hochtrabenden Architekturtraum in der Hansestadt beerdigen. Ein Überblick über große Ideen, die sich in diesem Jahrhundert als Luftschlösser entpuppt haben:

Lighthouse: 2002 legte Architekt Hadi Teherani die Idee für einen zunächst 366 Meter, später 288 Meter hohen Wohn- und Büroturm am Baakenhafen vor. Das 67 Stockwerke hohe „Lighthouse“ sollte auf einer künstlichen Insel stehen und europaweit seinesgleichen suchen.

Kritiker lehnten den Entwurf als „überdimensioniert“ ab, andere spotteten von einem „Dildo“. Auch Oberbaudirektor Jörn Walter sprach sich gegen den Giganten aus, weil dieser die jahrhundertealte Stadtsilhouette mit den Türmen der Hauptkirchen um mehr als das Doppelte überragt hätte.

Spielbudenplatz: 2003 präsentierte US-Aktionskünstler Jeff Koons Pläne für eine skurrile Riesen-Kranskulptur nahe der Reeperbahn. An der 110 Meter hohen Konstruktion sollten überdimensionale Schwimm-Gummitierchen baumeln. Bausenator Mario Mettbach (Schill-Partei) wollte Hamburg mit der Installation auf die Weltkarte moderner Kunst setzen. Koons schwärmte von einem „Symbol für Hamburg wie der Eiffelturm in Paris oder die Akropolis in Athen“. Doch das öffentliche Echo war verheerend. Schon drei Monate später zog Bürgermeister Ole von Beust (CDU) die Notbremse und sagte Koons ab.

Living Bridge: 2005 stellten Investor Dieter Becken und Architekt Hadi Teherani Entwürfe für die „weltweit größte Wohnbrücke“ vor. Sie sollte vom Baakenhöft (Hafencity) auf 700 Metern über die Elbe zum Kleinen Grasbrook führen. Vorgesehen waren 1000 Wohnungen auf der „modernen Ponte Vecchio“, dazu am Eingang ein Hochhaus mit 22 Stockwerken. Doch die wuchtige Bauweise war dem Oberbaudirektor erneut ein Dorn im Auge, er fürchtete eine Verschandelung des Elbufers und verweigerte die Zustimmung.

Seilbahn: 2012 boten der Musicalkonzern Stage Entertainment und Hersteller Doppelmayr der Stadt an, ihr eine Seilbahn über die Elbe zu schenken. Die 50 Millionen Euro teure Gondelverbindung sollte vom Millerntor (St. Pauli) zu den Stage-Theatern auf Steinwerder führen. Wieder waren die städtischen Planer skeptisch, sie wollten keine 180-Meter-Pylonen am Ufer dulden. Am Ende hatten die Bürger das Wort. Per Volksabstimmung wiesen 2014 fast zwei Drittel der Wähler im Bezirk Mitte das Geschenk dankend zurück.

Olympic City: Ein ganz neuer Stadtteil für 10 000 Menschen, mit Olympiastadion als Wohnort: Spektakulär war 2015 Hamburgs Konzept für die Olympic City auf dem Kleinen Grasbrook. Nach den Spielen 2024 sollte das Gelände im Hafen zum grünsten und modernsten Quartier der Stadt werden, einschließlich Apartments in der geschrumpften Olympia-Arena. Doch die Bürger sagten Ende 2015 Nein zum Milliardenprojekt Olympia.

„Lighthouse“ in der HafenCity (Foto Teherani).

„Lighthouse“ in der HafenCity (Foto Teherani).

110 Meter hohe Kranskulptur von Jeff Koons (Foto Koons).

110 Meter hohe Kranskulptur von Jeff Koons (Foto Koons).

Die Seilbahn über die Elbe von Doppelmayr (Foto fl5).

Die Seilbahn über die Elbe von Doppelmayr (Foto fl5).

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