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Gast-Kolumne

Jürgen Klopp, der Mann ohne Feinde

Jürgen Klopp. Foto: Dave Thompson/PA Wire/dpa

Jürgen Klopp. Foto: Dave Thompson/PA Wire/dpa

Der Pay-TV-Sender Sky hat sich zur kommenden Saison die Rechte für die Premier League zurückerkämpft. Und was wäre die Premier League ohne Jürgen Klopp (51), den Trainer des FC Liverpool?

Sonntag, 02.06.2019, 10:00 Uhr

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Klopp ist seit gestern Abend erst der zweite Deutsche nach Jupp Heynckes (1998 mit Real Madrid), der mit einem ausländischen Klub die Champions League gewonnen hat. Mit 2:0 gewann Klopps FC Liverpool gegen Tottenham.

Klopp ist, so klang es jetzt in einem Porträt des ZDF, „das populärste Gesicht des deutschen Fußballs“, obwohl er sein Heimatland vor fast vier Jahren verlassen hat. Aber das spielt in seinem Fall keine Rolle. So richtig weg ist er ja sowieso nicht, kein Deutscher aus dem Fußballbusiness flimmert öfter in Werbespots über den Bildschirm als der Exilant aus Liverpool.

Nötig hat er es nicht, sein Jahresgehalt wird auf acht Millionen Euro geschätzt und er hat noch ein paar gute Jahre vor sich. Er kann nur so schlecht „Nein“ sagen. Neid begegnet ihm selten, ein Klopp hat keine natürlichen Feinde. Und wer ihn hat, so war es immer, will ihn behalten. Bei seinen bisherigen Stationen ging er stets von selbst; womöglich wird er der erste große Trainer sein, der nie entlassen worden ist.

Seine Popularität würde auch nicht leiden, wenn er Nationaltrainer von Grönland werden würde – nie hätte Grönland so viele Fans auf der ganzen Welt. Und natürlich gehörten im rein englischen Finale mit Tottenham Hotspur dem FC Liverpool die meisten Sympathien der Elf von Jürgen Klopp, in Deutschland allemal.

Was ist dran an diesem Mann, der gerade erst zum Deutschen Fußballbotschafter 2019 ernannt wurde? Wer ihn kennen gelernt hat, muss sich mit dieser Frage nicht lange quälen. Die Antworten der Weggefährten enthalten alle dieselben Schlagwörter: „Empathie“, „Menschlichkeit“, Begeisterungsfähigkeit“.

Exemplarisch dafür Klaus Hafner, den nun in Rente gegangenen Stadionsprecher von Mainz 05, wo die „Kloppo-Manie“ vor fast 20 Jahren ihren Anfang nahm: „Der Jürgen hat eine Überzeugungskraft, der würde dem Papst ein Doppelbett verkaufen. Dazu hat er ein sensationelles Gespür für Menschen.“

Oft fällt das Wort vom „Menschenfänger“, gegen das sich Klopp sträubt wie ein Pudel gegen das Badewasser. „Das hat so was Bewusstes, wie der ‚Rattenfänger von Hameln‘“, sagt er. Nein, er ist einfach so. Er hat den positiven Ansatz.

„Wenn er Dich sieht, nimmt er Dich erst mal in den Arm, ob Du willst oder nicht“, sagt Christian Heidel, der in Mainz so erfolgreiche und jüngst auf Schalke so gescheiterte Manager, der Klopp an Rosenmontag 2001 in größter Not vom Spieler zum Trainer beförderte. Da war der 33, und bei seiner Vorstellung bogen sich die Mainzer Journalisten vor Lachen, kannten sie ihren „Kloppo“ doch nur als leutseligen Sprücheklopfer, der bei Feten im Klubheim das Licht ausmachte.

Aber nach seiner ersten Ansprache vor seinen Spielern, die bis dahin seine Kollegen waren, wusste Heidel: „Ich war zu hundert Prozent überzeugt: Das wird ein guter Trainer!“ Diplom-Sportwissenschaftler war er ja schon, den Trainerschein (Note 1,6) lieferte er nach.

Seine große Stärke aber ist auf keiner Akademie zu erlernen. Der 1,93 Meter-Hüne steht mehr für Leidenschaft als für Wissenschaft, ist mehr Udo Lattek als Lucien Favre, er kann aus Zweiflern Gläubige machen. Klopp hat es nie darauf angelegt, aber auch nicht bekämpft, dass er zum Fußball-Guru wurde. „In Klopp we trust“, steht auf Transparenten an der Liverpooler Anfield Road, wo sie das „Jurgen Klopp peppersteak“ für 4 Pfund verkaufen. Fan-Liebe, die durch den Magen geht.

Zu seiner Popularität trug besonders seine mit dem Grimme-Preis belohnte und Maßstäbe der Fernsehunterhaltung setzende Expertenrolle bei der WM 2006 bei, weil er als noch unerfahrener Bundesligatrainer den Menschen den großen Fußball auf sympathisch-eloquente Weise erklärte; stets mit der gehörigen Prise Demut. „Wenn mir einer ein Ordner-Leibchen gegeben hätte und ich dafür bei der WM hätte dabei sein können, ich hätte das sofort gemacht“, gestand er.

Er liebt das Spiel, seit er im Schwarzwaldörtchen Glatten das Laufen lernte. Gemeinsam mit anderen etwas zu erreichen, das konnte ihm das Tennis nicht bieten und so wählte er zum Leidwesen seines Vaters, der Tennislehrer war, den größeren Ball und den populärsten Sport der Welt.

Eine bedeutsame Entscheidung für alle, deren Wege er kreuzte. Der Spieler Klopp hält noch immer den Torrekord für Mainz 05 in der 2. Liga. Der Trainer Klopp führte den FSV erstmals in die Bundesliga und hielt ihn drei Jahre dort, den Abstieg verübelte ihm niemand. Obwohl er den Wiederaufstieg verpasste, glaubte Borussia Dortmund an seine Fähigkeiten und holte ihn 2009.

Beim BVB begann nun eine aufregende Ära, Klopp kündigte „Vollgasveranstaltungen“ an und hielt sieben lange Jahre Wort. Im abgelaufenen Jahrzehnt gab es nur einen Verein neben den Bayern, der die Schale holte: Borussia Dortmund (2011 und 2012).

2013 stand der BVB sogar im Finale der Champions League, verlor es gegen diese Bayern durch ein Tor in vorletzter Minute. Das war ominös, das Pech in Finals zog sich bis zum Endspiel gegen Tottenham wie ein roter Faden durch das Leben des Jürgen Klopp, sechs Finals in Folge verlor er.

Wer ihn darauf anspricht wie ein britischer Zeitungs-Reporter des „Independent“ vor dem Champions-League-Finale, bekommt nicht die Antwort, die man womöglich erwartet. Sondern die: Er halte sich nicht lange damit auf und sehe auch darin etwas Gutes, die Finals erreicht zu haben. Und überhaupt: „Ich habe eine wunderbare Familie, bin eine komplett glückliche Person. Das Leben ist ein Geschenk. Neidisch zu sein, hilft nie.“ Der gläubige Christ verspürt dafür auch keinen Grund, denn „mein Leben ist so viel besser als ich es je erwartet hätte.“ Für Klopp ist Fußball noch das, was es sein sollte: ein Spiel!

{picture1s} Udo Muras ist gelernter Journalist und arbeitet seit 2008 als freier Autor unter anderem für die „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, die „Neue Osnabrücker Zeitung“ und auch für das TAGEBLATT

An dieser Stelle schreiben jeden Sonnabend Autoren aus der Region zu einem von ihnen selbst gewählten Thema. Im Autoren-Pool sind Christian Poppe, Dieter Hünerkoch, Heiko Tornow, Udo Muras, Dr. Karl-Heinz Betz, Christiane Oppermann, Andrea Reidl und Teja Adams.

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