Keine Spur vom Kurhotel „Paterborn“ in Neukloster

Friedrich Köhling hatte im Herbst 1908 das Kurhotel Paterborn in Neukloster übernommen und diese Ansichtskarte drucken lassen. Es wurde 1968 abgerissen. Fotos Fuhst / Stadtarchiv / Vasel
Vor mehr als 100 Jahren flanierten die Hamburger durch den prächtigen Garten des Kurhotels „Paterborn“: Doch der Glanz verblasste schnell. 1968 kam der Abrissbagger. Im grünen Dschungel von Neukloster erinnert nichts mehr an den prächtigen Bau.
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Neukloster und Hedendorf, so hießen vor mehr als 100 Jahren die Sehnsuchtsorte der Hamburger. Tausende fielen an den Sonntagen mit der Bahn ein und feierten ausgelassen in einem der vielen Lokale. Mitten im Wald stand das prächtigste Etablissement, das Kurhotel „Paterborn“. Es war ein piekfeines Haus, die Kellner trugen Frack.
Das Kurhotel war 1886 von dem Hamburger Architekten Becker errichtet worden.Den Namen hatte sich der Investor von der kleinen Quelle ganz in der Nähe geborgt: Paterborn. Die wurde flugs zur „Heilquelle“ aufgewertet und erinnert an den klösterlichen Ursprung des Dorfes. Auf einer Tafel stand der Spruch „Dem Wanderer eine Erfrischung – dem Kranken eine Hoffnung“. Ordentliche Wanderwege führten einst zu der Quelle – weiter bis zum prächtigen Park des Kurhotels. Buchen und Erlen säumten den Weg, die mittelalterlichen Kreuzsteine sorgten für Gesprächsstoff.
Bildkarte vor 1900: Vom Kurhotel ließen die Gäste ihre Blicke über die Teiche bis zur Kirche in Neukloster schweifen. Zu sehen ist im kleinen linken Bild noch die Anfang 1904 abgebrochene alte St. Marien-Kirche.
Die Dörfer Hedendorf und Neukloster gehörten – mit ihren reetgedeckten Häusern, den Teichen und dem Wald – bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den beliebtesten Ausflugszielen der Hamburger. Mit dem 1. April 1881 war eine neue Zeit angebrochen, die Unterelbische Eisenbahn hielt in Neukloster. 800 bis 3000 Gäste stiegen Sonntag für Sonntag am neuen Bahnhof aus. Blaskapellen marschierten voran, und die Ausflügler folgten den Musikern in die Lokale rund um den Wald. Vor 140 Jahren entstand so der Pfingstmarkt – auch ein Relikt des frühen Fremdenverkehrs. Die Hamburger kehrten unter anderem in der „Waldlust“ (Möbel Jähnichen) am Pfingstmarktplatz in Neukloster oder in der „Walhalla“ und in der „Eiche“ in Hedendorf ein. Das Kurhotel „Paterborn“ am Mühlenbach war die Top-Adresse. Hier feierte das Bürgertum, aber auch die Arbeiter der Maschinenwerkstätten Altona, 1000 kamen mit zwei Sonderzügen im Juli 1903 an und waren in späteren Jahren zu Gast.
„Der Fremdenverkehr boomte seinerzeit“, weiß der Pastor i. R. und Lokalhistoriker Christian Fuhst. In einer Beschreibung von 1896 ist zu lesen: Man „sieht sommerlang Männlein und Weiblein aus der nahen Hansestadt in beschaulichen Gesprächen unter den Buchen dahinwandeln. Dieses ‚ Hotel‘ mit seiner befrackten Kellnerschar, der meterlangen Speisekarte und einem vollen Weinkeller hat für die Hamburger diesem stillen Waldthale erst den poetischen Goldglanz gegeben.“ Auch in der Horneburger Zeitung erschienen regelmäßig Anzeigen, das Musikkorps des Stader Militärbataillons spielte regelmäßig im „Paterborn“. Dieses hatte 36 Zimmer sowie einen großen Balkon und einen Kaffeegarten.
Mystische Orte: Blick auf die Paterborn-Quelle und einen der Kreuzsteine – aufgestellt vor 1750.
Der Erste Weltkrieg brachte das Geschäft fast zum Erliegen. Der Gastronom August Ottenstreuer versuchte nach dem Kauf im Jahre 1922 noch einmal einen Neuanfang – letztlich ohne Erfolg. Ottenstreuer hatte den Bau aus Kostengründen noch verkleinert, die imposante Veranda abreißen lassen. Er verkaufte es 1930 an den Urlaubsverein aus Hamburg, ab Juni 1929 hatte Ottenstreuer mehr Erfolg mit seinem Waldseehaus „Klosterkrug“ am Mühlenteich, die Bälle und das Höhenfeuerwerk waren legendär. Das „Paterborn“ wurde zum Schulungs- und Erholungsheim. Dann zogen die Nazis ein. Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) übernahm das Haus im Jahre 1934. 1942 war hier noch der örtliche Kindergarten untergebracht. Kurz vor dem Ende des Tausendjährigen Reiches bezog der 1943 in Hamburg ausgebombte Führungsstab einer Luftwaffenkompanie hier Quartier. Einige Baracken und ein V-förmiger Luftschutzbunker, heute verschüttet, entstanden. 1945 zogen Flüchtlinge ein. Zeitweise wurde es noch als Wohnhaus genutzt.
Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg hatte sich die goldene Zeit des Fremdenverkehrs in den Luftkurorten endgültig dem Ende zugeneigt. Die bekanntesten Lokale, wie auch die „Seeburg“ und die „Walhalla“ gibt es heute nicht mehr, allein der „Klosterkrug“, die „Eiche“ und „Ötting“ halten die Tradition aufrecht.
Ohnehin hatten die Dörfer durch die Brände von 1925 und 1945 sowie die viel befahrene B 73 viel von ihrem Charme verloren; Fachwerkhäuser brannten ab, wurden abgerissen. Das Schicksal teilte das „Paterborn“, 1968 wurde es abgerissen. Heute erstreckt sich hier ein sumpfiger Erlenwald, nur die kleine Quelle blieb von dem Sehnsuchtsort im Neukloster Forst erhalten.
Vergessene Orte
Das TAGEBLATT weist in seiner Reihe „Vergessene Orte“ in loser Folge auf Plätze und Einrichtungen hin, die einst eine Rolle spielten und heute verschwunden sind.

Blick auf die Ruine kurz vor dem Abriss. 1968 drückte Christian Fuhst aus Neukloster auf den Auslöser.

Blick in den grünen Dschungel: Einige alte Bäume standen bereits im Park des Kurhotels Paterborn, vom prächtigen Bau ist nichts mehr zu sehen . Die Erlen haben sich im Tal des Mühlenbachs das Areal zurückerobert.