Kriegsähnliche Zustände im Schanzenviertel

Fotos Stephan
Eine Nacht der Gewalt liegt hinter Hamburg. Im Schanzenviertel herrschten kriegsähnliche Zustände. Zeitweise waren 1500 gewaltbereite Randalierer auf den Straßen. Die Polizei musste mit einem Großeingebot einschreiten.
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Im Hamburger Schanzenviertel eskalierten die Proteste am späten Freitagabend: Geplünderte Geschäfte, brennende Barrikaden, Wasserwerfer und Tränengas. Zunächst konnten Randalierer mehrere Stunden lang in der Straße Schulterblatt frei gewähren. Ein Laden der Drogerie-Kette Budnikowsky und ein Rewe-Supermarkt wurden geplündert. Danach ging die Polizei mit einem massiven Aufgebot und Spezialkräften gegen mehrere hundert Randalierer vor. Mit gepanzerten Fahrzeugen wurden Barrikaden weggeschoben. Wasserwerfer waren im Einsatz. Die Polizei sprühte auch Tränengas.
"Die Schanze brennt und an vielen Orten ist keine Polizei zu sehen. Die Situation ist eskaliert. Es sind viele Menschen unterwegs. Ein illustres Publikum: Partygänger, Schnazenpublikum, junge Leute mit Bierflasche in der Hand. Beobachtend, gröhlend, aber auch teilweise beteilgt. Wenn Läden geplündert werden, gehen viele mit rein.
An vier Kreuzungen ist die Polizei mit einem Großaufgebot vertreten, mit dabei viele Waseerwerfer. Aber in den Straßen regiert das Chaos. Pflastersteine werden in Läden geworfen, die dann geplündert werden. Selbst Szeneläden aus der Schanze werden ausgeräumt. Die Luft ist von Tränengas verseucht. Wenn die Polizei mit den Wasserrwerfern vorrückt, setzt sich die Masse in Bewegung. Alle schreien, rennen alles über den Haufen. Ganze Straßenzüge sehen aus wie Schlachtfelder.
Gegen 1 Uhr eskalierte die Situation im Ubahnhof Schlump, der zuvor nicht Schauplatz der Gewalt war. Wir, der Kollege Stefan Damman vom Weser-Kurier und ich, warten auf die Ubahn, als die Durchsage kommt: 'Die U 3 hat genau wie die Sbahn den Verkehr eingestellt.' Plötzlich hören wir Schreie, Scheibenklirren. Als wr die Treppe hochkommen, wird uns gesagt, wir können den Ubahnhof nicht mehr verlassen, er wird angegriffen. Plötzlich kommt die gespennstische Ansage: 'Bitte flüchten Sie mit der U2! Bitte flüchten sie mit de U2!' Alle, die im Bahnhof anwesend sind umgehend die U2 nehmen. Der Bahnhof wird gegen 1.05 Uhr evakuiert."
Im Laufe der Nacht beruhigte sich die Lage. Vereinzelt kam es in den frühen Morgenstunden noch zu Flaschenwürfen auf Polizeifahrzeuge. Der zuvor eingestellte S-Bahn-Betrieb und der Bahn-Fernverkehr liefen wieder an. Die Randalierer hinterließen im Schulterblatt aber eine Spur der Verwüstung. Es roch nach verbranntem Plastik. Steine, Trümmer, zerstörte Fahrräder und Mülltonnen lagen auf der Straße. Am Morgen stellt sich heraus, dass 500 Plünderer unterwegs waren.
Unterstützer der G20-Gegner dementierten eine Erstürmung des Kulturzentrums Rote Flora im Schanzenviertel durch die Polizei. Es befinde sich kein Polizist in dem Gebäude, sagte ein Mitglied des sogenannten Legal Teams der Deutschen Presse-Agentur. Die Anwälte unterstützen Protestler. Die seit fast 30 Jahren besetzte Rote Flora gilt bundesweit als eines der wichtigsten Zentren der autonomen Szene.
Bei den Krawallen wurden nach Polizeiangaben vom Freitagabend 197 Beamte verletzt, darunter seien keine Schwerverletzten. Zur Zahl der verletzten Demonstranten konnten weder Polizei noch Feuerwehr Angaben machen. Ein Feuerwehrsprecher sagte, die Demonstranten hätten eigene Sanitäter dabei, so dass sie in vielen Fällen nicht auf fremde Hilfe angewiesen seien.
Bei der Erstürmung eines Hauses am Beginn der Straße Schulterblatt im Hamburger Schanzenviertel nahm die Polizei 13 Personen fest. Spezialkräfte hätten das Gebäude «taktisch betreten und gesichert», hieß es am frühen Samstagmorgen. Zuvor waren Randalierer ein Gerüst hinaufgeklettert, das an dem Haus befestigt ist.
(Mit dpa)
