Let’s Burlesque: Interview mit Miss Evi Niessner

Schrill und einfach hinreißend: Miss Evi Niessner. Foto thepaulgreen.com
Mit Let’s Burlesque feiern die Cabaret-Stars Evi & das Tier die Wiedergeburt des Vaudeville-Theaters. Am Sonntag um 20 Uhr wird das Feuerwerk auf der Halepaghen-Bühne entzündet. Das TAGEBLATT sprach mit Miss Evi Niessner, Moderatorin der Show.
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TAGEBLATT: Miss Evi, was zeichnet die Show Let’s Burlesque aus ?
Miss Evi: Die Show ist vor allem wilder, schräger und musikalischer, als man es von anderen Burlesque-Shows kennt. Mit schräg meine ich aber nicht narzistische, selbstzerstörerische Triebe in der Öffentlichkeit auszuleben, sondern seiner Lebensfreude hemmungslos freien Lauf zu lassen und sie mit dem Publikum gemeinsam zu zelebrieren. Vor allem aber ist Let’s Burlesque lässig und selbstironisch. Das ist ein sehr wichtiger Faktor. Es muss leicht daher kommen, aber nicht oberflächlich. Wir alle sind gestandene Künstler, die mit ihrer Kunst etwas zu sagen haben. Wir haben eine Botschaft. Burlesque ist für uns keine modische Erscheinung, sondern eine Lebenseinstellung.
Und wie genau definieren Sie diese Botschaft?
Die Botschaft ist: Nimm Dein Leben selbst in die Hand. Sei dabei klug und mutig und lass Dir kein X für ein U vormachen. Das kann man auf allen Ebenen anwenden. Sei es die Rolle der Frau, die sich in Burlesque vom Objekt zum Subjekt macht und dabei trotzdem in vollen Zügen ihre Weiblichkeit feiert. Sie ist die Verführerin, die entscheidet, wie weit sie geht. Es geht nicht um die Befriedigung von Männerfantasien, sondern um einen lustvollen Austausch auf Augenhöhe. Aber Burlesque ist auch das genaue Gegenteil von der Botschaft des Privatfernsehens, das in meinen Augen den Geschmack und den Stil der Gesellschaft leider ziemlich negativ geprägt hat. Da ist alles konfektioniert, und es wird vor allem Quote damit gemacht, Menschen der Lächerlichkeit preis zu geben. Gleichzeitig werden einem völlig absurde Schönheitsideale als Muss verkauft und uninteressante, oft sogar untalentierte Leute als Stars. Es werden schon sehr junge Menschen zu „Stars“ gemacht, um sie zu verheizen und sie kurz darauf in der Versenkung verschwinden zu lassen. Ältere Menschen werden ausgemustert. Alles, was nicht in die Norm passt, fliegt entweder raus oder wird an den Pranger und in aller Öffentlichkeit bloß gestellt. Das finde ich zutiefst menschenverachtend. Let’s Burlesque heißt: Befreit Euch von diesem Mist und feiert Euch selbst. Es ist Euer Körper, Euer Kopf, Euer Herz. Ihr habt jeweils nur eins davon. Es geht auch nicht um ständigen Wettbewerb. In den Castingshows wird alles auf das Messbare herungergebrochen. Dabei geht es doch darum, etwas in den Menschen zu bewegen, wenn ich singe.
Der Show eilt der Ruf voraus, die besten und herausragendsten Musiker der internationalen Berliner Szene zu vereinen. Was können Sie zur Ihrer Band The Glanz sagen?
Herausragende Musiker lassen einen vergessen, dass hier auf höchstem Niveau musiziert wird. Sie werden eins mit der Musik und lösen diesen Effekt aus, für den ich selbst Musikerin geworden bin. Ich bin dann körperlich wie in einem Rausch. Das bewirken nur Musiker, die jenseits der Frage sind von falschen und richtigen Tönen. Ihr besonderes Gefühl für Timing und Effekte macht sie dazu noch zu Showkünstlern. Denn ein guter Musiker ist nicht zwangsläufig auch ein guter Showkünstler. Man muss auch das „Rampensau“-Gen in sich haben. Unsere Musiker haben es. Ben „King“ Perkoff am Saxophon hat schon für Big Mama Thornton „Hound dog“ gespielt und mit den Musikern von Janis Joplin. Er stammt aus einer echten San Francisco-Hippie Family. Robin Draganic aus Kanada mit kroatischen Wurzeln ist mit seinem Kontrabass um die ganze Welt gereist und hat in Berlin der Jazz-Szene ein Zuhause gegeben. Das Schlagzeug hat bei uns eine zentrale Position. Und wir sind sehr glücklich, dass wir den absoluten Groove-Minister David Tröscher neu zu unserer Truppe zählen dürfen. Wenn dann noch Mr. Leu aufspielt und singt, und sich seine Stimme mit meiner auf der Bühne vereint, dann sind wir komplett im Fieber.
Was ist das Besondere an der Musik in Let’s Burlesque?
Bei uns ist alles echt und live. Wir gehen auf die Burlesque-Künstlerinnen ein und entwickeln ihre Acts gemeinsam mit ihnen. Die Musik für einen Burlesque Act sollte wie ein maßgeschneidertes Kostüm zur Burlesque-Tänzerin passen und sie in all ihren Vorzügen und Reizen perfekt in Szene setzen. Außerdem zeichnet sich unsere Band durch eine enorme Vielfalt, Stilsicherheit und künstlerische Meisterschaft aus. Solch eine Bandbreite von Swing, Jazz, Rock’n Roll und Show-Musik aller Art mit Songs von Tom Waits zu kombinieren und dabei immer mehr eigene Songs einzubringen, das bietet in dieser Form nur The Glanz.
Die Burlesque-Tänzerinnen sind alle Stars der Szene. Was zeichnet sie aus?
Vor allem, dass sie zu den wenigen gehören, die ausschließlich von ihrer künstlerischen Arbeit leben können. Es sind keine Hobby-Tänzerinnen, und das merkt man daran, mit welcher Sicherheit und Grandezza sie sich auf der Bühne bewegen und mit dem Publikum flirten. Aber auch für uns als Team ist es einfach eine sehr befriedigende und anregende Sache, wenn man mit Profis zusammenarbeitet, die mit Leidenschaft für die Sache brennen, und nicht nur diesem Hauch von Ruhm hinterherlechzen. Es steckt harte Arbeit und Disziplin hinter einer wirklich guten Darbietung. Honey Lulu ist sowas von einer Ikone des Burlesque in Europa. Sie ist Italienerin. Sie vertritt bei uns den klassischen Burlesque-Stil, der mit sehr viel Augenzwinkern und Koketterie daherkommt. Erochica Bamboo ist ein Star in Japan. Sie war eine der ersten, die Burlesque mit ihren Shows in Tokio und Yokohama salonfähig gemacht hat. Bei uns bringt sie exotisches Flair in die Show. Sehr stolz sind wir auch darauf, dass wir Sophia St. Villier für Let’s Burlesque gewinnen konnten, denn sie ist der Shooting Star aus London. Sie steht für einen eleganten, lässigen und ladyliken Stil. Alle drei vertreten jeweils ihren sehr eigenen Charakter und prägen ganz bewusst ihr individuelles Schönheitsideal.
Karten für den Sonntagabend auf der Halepaghen-Bühne gibt es unter 0 41 61/ 501 23 23 und an der Abendkasse.