Niedersachsens Kultusminister: „Kein einziger Zentimeter Akzeptanz für Schwurbler an Schulen“

Grant Hendrik Tonne (SPD), Kultusminister Niedersachsen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Archivbild
In Niedersachsens Schulen soll es keinen neuen Lockdown mit flächendeckenden Schulschließungen geben, versichert Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD). Im Gespräch mit Lars Laue nahm der Minister auch Stellung zu Quarantäne-Regeln und zu Querdenkern am Schulhof.
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TAGEBLATT: Herr Minister, die Corona-Infektionszahlen erreichen täglich neue Höchstwerte. Ist Ihnen da mit Blick auf die Schulen nicht etwas mulmig?
Grant Hendrik Tonne: Wir schauen uns sehr genau an, was an unseren Schulen passiert. Und dabei stelle ich immer wieder fest, dass unsere Schulen sehr verantwortungsbewusst mit der aktuellen Situation umgehen. Und ich sehe, dass das Sicherheitsnetz, das wir mit unserer Masken- und Testpflicht, unseren Impfangeboten und unseren Hygieneregeln über die Schulen gespannt haben, vernünftig funktioniert. Von daher ist mir nicht mulmig, aber wir müssen uns alle miteinander weiter anstrengen, um die Schulen geöffnet lassen zu können. Wenn Zahlen insgesamt steigen, geht das auch an Schule nicht spurlos vorbei.
Omikron wird die Schulen in Niedersachsen also nicht in einen neuen Lockdown mit flächendeckendem Distanzunterricht zwingen?
Ich habe immer klipp und klar gesagt, dass es unser oberstes Ziel ist, dass es nicht wieder zu kategorischen Schulschließungen kommt. An dem Vorhaben, die Schulen geöffnet zu lassen, ändert auch Omikron nichts. Natürlich kann es dazu kommen, dass bei einem besonders ausufernden Infektionsgeschehen einzelne Klassen oder auch ganze Schulen in den Distanzunterricht gehen müssen – aber eben nicht 3000 Schulen. Wir werden weiter um offene Schulen ringen und halten daher nicht nur an unserem Sicherheitskonzept fest, sondern erweitern es dahingehend, dass wir ab Februar auch geimpfte und genesene Kinder und Jugendliche in die Testpflicht einbeziehen. Ausgenommen sind dann nur noch diejenigen, die bereits eine Auffrischungsimpfung erhalten haben.
Kinderärzte und Infektiologen fordern, Kita- und Schulkinder, die als Kontaktpersonen infizierter Klassenkameraden identifiziert wurden, nicht mehr in Quarantäne zu schicken, weil das ansonsten Schließungen durch die Hintertür wären. Eine nachvollziehbare Argumentation?
Da wir ja auch im Unterricht eine Maskenpflicht haben, müssen selbst die direkten Sitznachbarn eines positiv getesteten Mitschülers bei uns nicht grundsätzlich in Quarantäne. Sondern in dem Fall testet sich dann die ganze Klasse fünf Tage hintereinander jeden Morgen. Und erst, wenn dann weitere Fälle auftreten würden, könnten weitere Quarantäneanordnungen notwendig werden. Insofern sind wir da in Niedersachsen schon einen Schritt weiter.
Sogenannte Querdenker, Reichsbürger und Selbstverwalter haben laut Bundesregierung auch Schulen und Kitas ins Visier genommen. Der Regierung sei bekannt, dass Gegner der Corona-Maßnahmen und der Impfkampagne in einzelnen Fällen vor Schulgebäuden demonstrierten und „dabei zuweilen auch das Zwiegespräch mit Schülern suchten“, wie es heißt. Sind Ihnen solche Fälle auch aus Niedersachsen bekannt?
Ja, auch wir in Niedersachsen haben von Schulen Rückmeldungen über Schmierereien bekommen und darüber, dass Zettel verteilt und Schülerinnen und Schüler auch direkt angesprochen werden. Es handelt sich dabei zwar um Einzelfälle, aber dennoch betone ich ausdrücklich, dass die Toleranz dafür bei mir gegen null geht.
Das bedeutet?
Ich bin ein großer Freund des politischen Diskurses, aber diese Art von Querdenkern und rechten Agitatoren hat nirgendwo etwas zu suchen – und schon gar nicht im Umfeld von Schulen. Dafür gibt es keinen einzigen Zentimeter Akzeptanz. Ich werde nicht zulassen, dass irgendwelche Schwurbler versuchen, Kinder und Jugendliche im Umfeld von Schulen für ihre kruden Gedanken zu instrumentalisieren.
Wie sollen die Schulen sich verhalten? Gibt es da eine Handlungsanweisung des Landes?
Ich bin ansonsten ein großer Freund davon, den Schulen Freiräume zu lassen, aber in diesem Fall gibt es eine ganz klare Anweisung: Bei entsprechenden Beobachtungen haben die Schulleitungen unmittelbar die Polizei einzuschalten. Wir haben das vor einiger Zeit bereits ausdrücklich an die Schulen kommuniziert, erwägen angesichts der aktuellen Debatte aber, unsere Haltung gegenüber den Schulen in nächster Zeit noch einmal zu bekräftigen.
Klassenfahrten sind zunächst bis zu den Osterferien abgesagt, und auch sonst kann im Rahmen von Schule derzeit kaum etwas stattfinden, was Spaß macht und den Zusammenhalt stärkt. Haben Sie zum Schluss eine Botschaft für die Schülerinnen und Schüler im Land, die ihnen Mut macht, weiter durchzuhalten?
Das ist total schade und ich kann den Frust der Schülerinnen und Schüler, aber auch der Lehrerinnen und Lehrer verstehen. Aber seien wir ehrlich: Fahrten mit Übernachtungen sind momentan zu riskant. Aber wir lassen ja eintägige Ausflüge weiterhin zu. Und wir haben uns ganz bewusst dagegen entschieden, schon jetzt bis zum Sommer alle Klassenfahrten abzusagen. Alle brauchen eine positive Perspektive. Deshalb gucken wir uns die Entwicklung sehr genau an und hoffen, dass wir womöglich Anfang oder Mitte März so weit sind, dass wir verantworten können, nach den Osterferien Klassenfahrten mit Übernachtungen wieder zu genehmigen. Ich kann nicht versprechen, dass das gelingt. Aber ich kann versprechen, dass wir genau darum ringen werden. (tm)