Prägendes Geschäftshaus mitten im Ort
Das Geschäftshaus in der Marktstraße 1955, die damals noch einer Trümmerlandschaft glich: Die großen Fenster waren schon da. Foto: Archiv Kachmann
Es prägt seit Jahrzehnten das Bild in der Harsefelder Marktstraße: das Wohn- und Geschäftshaus mit der Nummer 18. Dort, wo einst ein Bauernhof stand, hat der Unternehmer Hans Günther Hellwege jahrzehntelang eine Klempnerei betrieben.
Das Unternehmen selbst bestand schon deutlich länger. Nach dem Krieg übernahm Hans Günther Hellwege, der auch CDU-Landtagsabgeordneter und Harsefelder Bürgermeister war, die Firma von dem vorherigen Besitzer Heinrich Ropers, der sie 1899 eröffnet hatte.
1954 ließ er ein altes Fachwerkhaus abreißen und noch im selben Jahr das bis heute existente Wohn- und Geschäftshaus mit den charakteristisch großen Fenstern errichten. In der Wirtschaftswunderzeit waren Handwerker gefragt. Harsefeld war schon damals ein wachsender Ort, die Eisenbahnlinie brachte den Aufschwung in den Geest-Flecken. Doch die Marktstraße glich einer Trümmerlandschaft, wie auch die auf dieser Seite abgedruckte historische Aufnahme aus den 1950er Jahren zeigt. Kinder spielten im Schutt.
„Mit geliehenen 50 Goldmark als Betriebskapital“ war Heinrich Ropers einst gestartet. Der gebürtige Harsefelder hatte seine Ausbildung in Hamburg absolviert und war dann in seine Heimat zurückgekehrt. Im Ersten Weltkrieg lief es weniger rund, im Anschluss aber startete er wieder durch. Aus dem Bauernhof machte Heinrich Ropers ein Geschäft – mit Werkstatt sowie dem Verkauf von Fahrrädern und Haushaltswaren. Die elektrischen Lampen lösten den Handel mit Petroleum- und Gaslampen ab.
In den 1930er Jahren war der Geschäftsalltag schwierig, Metalle waren rationiert. Bei den Harsefeldern war er schnell eine feste Institution, sein Laden war beliebt. Nachfolger Hans Günther Hellwege erweiterte die Angebotspalette stetig. Er verlagerte den Handwerksbetrieb ins Gewerbegebiet Im Sande, bot in dem Geschäft in der Marktstraße Glas, Porzellan und Geschenkartikel an. Er forcierte seine politische Karriere, stellte einen Meister ein. Zeitweise hatte der Betrieb mehr als 20 Mitarbeiter.
In den 70er Jahren kam ein Anbau hinzu. Später stockte die Familie Hellwege das Gebäude noch auf. Oben richtete sie ein Café ein („Öber de pütt“). 1981 schloss es seine Türen wieder, seither ist in den Räumen ein China-Restaurant untergebracht. Zum Sortiment des Geschäftes gehörten inzwischen Eisenwaren und Sportartikel. 1994 erfolgte eine komplette Renovierung des Ladens, unter anderem bauten die Handwerker eine neue Heizungsanlage und -rohre ein. Mitten im Weihnachtsgeschäft kam es zu einem Wasserrohrbruch.
„Die Handwerker haben die ganze Nacht durchgearbeitet, damit wir am nächsten Tag wieder verkaufen konnten. Das werde ich nie vergessen“, sagt die heutige Inhaberin Sabine Hellwege über das Hoffen und Bangen. Doch der Strukturwandel im Einzelhandel machte auch vor der Firma Hellwege nicht Halt. Sabine Hellwege trennte einzelne Flächen ab. Dort, wo jetzt der Friseursalon untergebracht ist, residierte eine Zeit lang ein Reformhaus. Auch ein Handarbeitsgeschäft fand im hinteren Gebäudeteil Platz.
Das Geschäft Hellwege behielt 300 Quadratmeter Ladenfläche und 14 Mitarbeiter. 1999 feierte die Firma ihren 100. Geburtstag. 2001 war Schluss, Sabine Hellwege lud zum Räumungsverkauf ein. Ihr Geschäft fungierte einige Jahre als Restpostenverkauf und Schulungszentrum. Seit 2008 sind hier einzelne Geschäfte ansässig, unter anderem ein Friseursalon. Die heutige Gebäudestruktur besteht also seit zwölf Jahren. 2011 legten Bauarbeiter Hand an, das China-Restaurant im ersten Obergeschoss bekam einen neuen Anstrich.
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Im Rahmen der Städtebausanierung hielten neue energetische Standards Einzug. Auch das Umfeld wandelte sich. Der Flecken ließ die Marktstraße verkehrsberuhigen und aufhübschen. Die rückwärtigen Parkplätze gingen über in den neu geschaffenen Parkplatz Ortsmitte, den heutigen Friedrich-Tobaben-Platz. Zehn Stellplätze und drei Garagen von Sabine Hellwege sind in das Gesamtprojekt eingeflossen. „Wir hatten da vorher Stacheldraht, das war wirklich kein schöner Anblick“, sagt die Geschäftsfrau.
Sie hat als Aktive im Gewerbeverein und als FWG-Ratsfrau maßgeblich die positive Entwicklung des Harsefelder Zentrums maßgeblich mitgestaltet. „Ein Gewinn für den Ort“, resümiert Sabine Hellwege. Parkplätze hätten gefehlt, der zentrale Parkplatz sei eine gute Lösung. Die Umgestaltung der Marktstraße sei ein Vorbild für andere Kommunen gewesen, berichtet die Geschäftsfrau. Noch vor sieben Jahren stand in der Marktstraße fast jedes zweite Geschäft leer, inzwischen sind alle Ladenlokale vermietet. Die Ortsmitte floriert. Die Kaufkraft steigt kontinuierlich an.
Über den Bebauungsplan auf den Einzelhandel Einfluss zu nehmen, ein Gutachten in Auftrag zu geben und die Empfehlungen umzusetzen – im Zusammenspiel mit Unternehmerschaft, Politik und Verwaltung – sei der richtige Weg gewesen. Zahlreiche Unternehmer haben sich beteiligt und ihre Gebäude umfassend saniert. Die Marktstraße mit den Fußwegen und öffentlichen Flächen als Aushängeschild ist komplett umgebaut und verkehrsberuhigt worden. Die Außengastronomie sorgt für eine hohe Aufenthaltsqualität.
Zusammen mit den Geschäftsleuten hat der Flecken ein neues Beleuchtungskonzept umgesetzt. Abgewanderte Einzelhändler wie ein Fleischer und die Postfiliale sind ins optisch aufgewertete und damit wiederbelebte Zentrum zurückgekehrt. Besonders jetzt in der warmen Jahreszeit ist dort abends einiges los. Im vergangenen Jahr ist die Städtebauförderung nach fast 25 Jahren ausgelaufen. Der Ort hat ein neues Gesicht bekommen – vom Dorf zur Kleinstadt.