Renate Kiekebusch ist ein plattdeutsches Original

Renate Kiekebusch spricht bei vielen Lesungen weitgehend frei – ihr liegen plattdeutsche Geschichten einfach auf der Zunge – und genau das kommt an. Fotos Eidtmann
Renate Kiekebusch hat den besonderen Blick für Alltagsepisoden, wie sie jeder kennt. Die Düdenbüttlerin ist plattdeutsche Autorin, TAGEBLATT-Kolumnistin und Aktive im Verein „De Plattdüütschen“. Zuhause spricht sie kein platt - nur mit Enkel Maximilian wird sie das tun.
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Renate Kiekebusch ist jetzt Oma. Eine „bekloppte Oma“, wie die 57-Jährige selbst sagt. Jetzt kann sie all die Großmütter verstehen, die vor Jahren bei ihr Bilderbücher kauften, die für das zarte Alter des Enkelkindes noch gar nicht passten. Sie selbst hat das gerade auch getan – für Maximilian, den neun Monate alten „goldigen Jungen“, der auf dem Popo sitzt und quiekt, einfach weil er auf der Welt ist.
{picture1s} 120 Personen im Saal hören der nur 1,50 Meter „kleinen“ Frau am Mikrofon konzentriert zu. Dass sie etwas zu erzählen hat unter dem Motto „Een kunn sick den ganzen Dag argern“ wissen sie. Die Düdenbüttlerin ist zum vierten Mal eingeladen beim Verein „Plattdüütsch leevt“. Und im Gepäck hat sie wieder viel Komisches, leicht Schräges und auch Nachdenkliches. Denn die frei Vortragende (Lesesequenzen baut sie ein) hat den ganz besonderen Blick für Alltagsepisoden, wie sie jeder kennt.
Aber nicht jeder kann sie so amüsant herüberbringen wie die ehemalige Buchhändlerin, Ehefrau und zweifache Mutter. Köstlich ihre (Selbst)Ironie, ob es da nun um ihre weiblich gerundete Figur („schlank nur von hinten“), ihre Dispute mit ihrem Kierl Ralf oder um ihre pingelige Freundin Elke geht. Kiekebusch piekt auf und zu, vergleicht das Gestern mit dem Heute, ihre dialogreichen Texte haben Tempo – und viel Charme und Lebensweisheit.
2004 erschien das erste Buch der plattdeutschen Autorin, TAGEBLATT-Kolumnistin und Aktiven im Verein „De Plattdüütschen“. Weitere folgten, auch Koch- und Sachbücher. 2018 brachte sie das neunte („Beste Fründinnen“, Edition Temmen) heraus. Viel Gewinn entspringt dem nicht. Wohl aber Bekanntheit in der plattdeutschen Szene.
{picture2s} Und so hat sie im Jahr bis zu 30 bezahlte Auftritte – größere zweistündige Lesungen wie die in Neugraben, aber auch kürzere Einheiten bei Geburtstagen und privaten Feiern. Außerdem ist sie ausgebildete Gästeführerin und wird von der Touristik Stade für plattdeutsche Führungen durch die Altstadt gebucht.
„Das Historische ist auch für den Kopf“, sagt Renate Kiekebusch, die kein Geheimnis daraus macht, dass sie gerne putzt und dass ihr dabei die besten Ideen kommen. Dass sie gerne im Haushalt wuselt, kommt der ehemaligen Waller-Buchhändlerin im neuen Berufsfeld entgegen. Sie arbeitet im Team der DRK-Sozialstation Himmelpforten und ist dort, so beschreibt sie es, super zufrieden. Wie sie überhaupt sagt: „Ich bin gut drauf, besser als mit 30 oder 40.“
Ein Original sei sie nicht, findet die Vertellerin. Plattdeutsch-Originale – das seien doch Legenden wie Heidi Kabel und Henry Vahl. Und überhaupt: Sie gehöre da zur zweiten oder dritten Liga. Nicht zu vergleichen mit den Profis und Performern wie Yared Dibaba oder Gerd Spiekermann. Sie erlebe es durchaus, dass manche sie nicht mögen, irgendwie wohl die Nase rümpfen würden...
Aber auf ihre Art ist sie doch ein Original und für die Region allemal – mit eben dieser entwaffnenden Art, ihrer Bodenständigkeit, der Begeisterung für die niederdeutsche Mundart und der Liebe zu den Menschen. Zuhause spricht sie weder mit ihrem Mann, noch mit den Kindern noch mit ihrer Schwiegermutter, die mit im Haus lebt, platt. Wieso, weiß sie selbst nicht so genau. Aber mit Enkel Maximilian wird sie das tun. „Der gewinnt 2028 den plattdeutschen Vorlesewettbewerb“, kündigt sie dem Publikum in Neugraben an.
Sie erzählt dort von ihrem Kampf mit dem Rasenmäher, der verhinderte, dass sie sich für die Lesung noch aufbrezeln konnte. Sie sei jetzt ganz „bio“. Sie erzählt von Männern am Grill, Kindern mit I-phone, von sexuell fehlgeprägten Zebrafinken und dummen Hühnern, von Erinnerungen an herrliche Kaugummi-Automaten und grässliche Bundesjugendspiele, bei denen sie nie, nie eine Urkunde erhielt.... Das Publikum lacht – und deckt sich nach der Lesung noch rasch mit Lektüre und Buttons vom Büchertisch ein. Für Renate Kiekebusch bleibt nach der Rückfahrt vom Abend nicht viel. Essen, lesen, schlafen. Am nächsten Morgen geht’s wieder früh raus. Die Düdenbüttlerin ist mannig viel unterwegs in ihrem Alltag als Familienmensch, Arbeitskraft und Platt-Aktivistin. Ihr Mann sage immer. Entweder zu schläfst oder du bist unterwegs. Wenn es die Zeit erlaubt, liest sie gerne. Seit langem sei donnerstags ihr freier Nachmittag. Und dann blitzt wieder ihr Schalk auf: „Aber er hat noch nicht einmal stattgefunden.“
In der Serie „Original“ porträtiert das TAGEBLATT Menschen aus Stadt und Land, die typisch für ihren Ort sind, die originelle Ideen/Lebensentwürfe haben oder eine ganz besondere Leidenschaft. So wie Renate Kiekebusch für das Plattdeutsche.