Russische Spezialitäten in Neu Wulmstorf

„Wir lieben unseren Laden und unsere Arbeit“, sagen Inna Hartmann (links) und Tatjana Artemenko vom „Teremok“. Fotos Lepél
Seit einem halben Jahr betreiben Inna Hartmann und Tatjana Artemenko in Neu Wulmstorf den Laden „Teremok“, mit dem sie Deutschen russische Spezialitäten näher bringen möchten und ihren Landsleuten im Hamburger Süden einen Herzenswunsch erfüllt haben.
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Ein russisches Sprichwort sagt: „Nicht die Wände schmücken ein Haus, sondern die Piroggen.“ Im „Teremok“ von Inna Hartmann, benannt nach einem Wald- oder Knusperhäuschen aus der russischen Märchenwelt, hängen die Piroggen natürlich nicht an den Wänden. Sie liegen frisch und lecker aufgereiht in der Kühlung. Die mit Fleisch, Kartoffeln oder Sauerkraut gefüllten Teigtaschen sehen zum Reinbeißen aus. „Es sind heute nicht mehr viele da“, sagt Inna Hartmann. „Unsere Piroschki sind als warmer Snack in der Mittagspause bei den Kunden sehr beliebt.“
Die gebürtige Russin lebt seit 2005 in Neu Wulmstorf und hat sich mit dem Geschäft an der Bahnhofstraße einen Traum erfüllt. Zusammen mit ihrer Mitarbeiterin und Freundin Tatjana Artemenko möchte sie die deutsche Kundschaft von den Leckereien der russischen Küche überzeugen. Bei ihren vielen Landsleuten, die sich in den letzten Jahren im Hamburger Süden niedergelassen haben, muss sie das nicht mehr. Die freuen sich ohnehin über das große Angebot an Spezialitäten aus der Heimat.
Auf fast 300 Quadratmetern Fläche hält Hartmann so ziemlich alles vor, was das russische Herz begehrt: In den Frischetheken finden sich Fleisch- und Wurstwaren, Räucher- und Stockfisch und natürlich Kaviar: fünf verschiedene Sorten nach russischer Art – von günstig bis ziemlich teuer. In den Regalen stapeln sich Prjaniki – typische russische Lebkuchen –, Kekse, Hefegebäck, Halva und anderer Knabberkram. Es gibt viele Sorten „Tschai“, denn ein heißer Tee aus dem Samowar gehört in russischen Haushalten einfach dazu. Eingelegtes Gemüse darf nicht fehlen: grüne Tomaten, Gurken, Paprika, Pilze oder Auberginen mit dem typisch milden Geschmack. Frische Milchprodukte und tiefgefrorene Spezialitäten wie kleine Heringe oder Sprotten und die bei Kindern sehr beliebten Wareniki, eine Art Tortellini auf Russisch, locken die Kunden. Frisch gebackene „Eichhörnchentorte“, eine Spezialität mit Nüssen, lose Bonbons und Konfekt aus Moskau ziehen Naschkatzen an. Alles wird, wie auch das Angebot an der Frischetheke, grammweise verkauft. Krimsekt und Wodka stehen bereit, ebenso georgischer Wein und bis zu zehn Jahre alter armenischer Cognac. Brot, frisches Gemüse und die aus der russischen Küche nicht wegzudenkenden Kräuter wie Petersilie, Dill und Koriander sind da. Und auch die gezuckerte russische Kondensmilch, aus der sich Eis ohne Maschine herstellen lässt.
Insgesamt rund 1000 Artikel präsentiert Inna Hartmann in ihrem Laden, den sie im vergangenen August auf der Fläche des ehemaligen Tchibo-Outlets eröffnet hat. Es war und ist ein gewisses Risiko, denn die Mieten in dem zum Marktplatz-Center gehörenden Gebäudekomplex sind nicht gerade niedrig, und die Geschäftsfrau musste sich auf einen fünfjährigen Mietvertrag einlassen. „Wir brauchen noch etwas Zeit, um bekannter zu werden“, sagt sie. „Aber es läuft für den Anfang gut. Wir werden die Menschen schon von unserem Angebot überzeugen.“ Zurzeit ist ihre Kundschaft etwa zur einen Hälfte russisch und zur anderen nicht.
Wer einmal da war, kommt meistens wieder. Denn bei Inna Hartmann und Tatjana Artemenko ist der Kunde noch König. Der Empfang ist warmherzig und, falls gewünscht, gibt es zu jedem Produkt eine Empfehlung oder einen Rezeptvorschlag. „Wir können hundertprozentig hinter der Qualität unserer Artikel stehen“, sagt Tatjana Artemenko. „Wir haben alle selbst getestet.“ Vieles kommt von in Deutschland ansässigen Lieferanten, die sich auf russische Lebensmittel spezialisiert haben. Einiges wird direkt importiert. Freitags und sonnabends ist Probiertag. „Dann schneiden wir immer etwas zum Kosten auf“, sagt Inna Hartmann. „Wir möchten die deutsche Kundschaft mit unseren Produkten überraschen.“ Die Landsleute kämen sowieso: „Viele haben sich im Hamburger Süden ein Haus gebaut. Es gibt hier eine große russische Gemeinde.“
Nicht nur die kann sich nun in Neu Wulmstorf mit allem eindecken, was Leib und (russische) Seele zusammenhält. Und sagen: „Do swidanija! Auf Wiedersehen im Knusperhäuschen Teremok!“
Nach Angaben des Generalkonsulats der Russischen Föderation in Hamburg leben in Norddeutschland rund 100 000 Russen. Die Zahl russischsprachiger Ausländer im deutschen Norden wird sogar auf etwa 200 000 geschätzt. Eine große russische Gemeinde gibt es auch im Süderelberaum. In vielen Geschäften, Arztpraxen und Apotheken gibt es russischsprachige Mitarbeiter. Der größte Sportverein in Süderelbe, die HNT, hat viele russischstämmige Mitglieder. Diverse russische Medien und Internetportale verfolgen das Ziel, die russische Community in Hamburg zu vereinen. In der Online-Zeitschrift „Bei uns in Hamburg“ sind aktuelle Veranstaltungen, nützliche Adressen und Links aufgelistet. Im russischsprachigen Branchenbuch für das russische Leben in Hamburg und Umgebung findet man mühelos einen russischen oder russischsprachigen Anwalt, einen Arzt, ein Restaurant, ein Reisebüro und vieles mehr.

Stock- und Räucherfisch gibt es an der Fischtheke .