Stubenfliegen sind lästig und gut angepasst

Dem Komplexauge einer Stubenfliege entgeht fast nichts. Foto: Kurtze
Sie sind nach der Überwinterung zurück – meist als ausgewachsenes Insekt: Stubenfliegen. Warum die Tiere auf dem Land häufiger vorkommen als in der Stadt und warum sie für die Gesundheit des Menschen eine Gefahr darstellen können.
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Stubenfliegen können eine Reihe von Infektionskrankheiten übertragen. Wenn Fliegen die Küche erobern, dann ist das nicht sehr appetitlich. Wer weiß schon, wo sie vorher saßen? Auf Kuhfladen oder Schweinemist sitzen sie besonders gern. Deshalb sind Stubenfliegen in Stadtwohnungen selten, auf dem Land deutlich häufiger.
Die Fähigkeiten einer Stubenfliege sind erstaunlich. Sie besitzt Sinneshaare, mit deren Hilfe sie kleinste Erschütterungen wahrnehmen kann. Stößt sie beim Flug gegen eine Fensterscheibe, dann kann ihr Chitinpanzer vorübergehende Verformungen ertragen. Eine Stubenfliege kann auf senkrechten und glatten Flächen wie Glas umherlaufen, weil sie an den kleinen Hafthaaren ein Haftsekret ausscheidet.
Fliegen in Rückenlage
Sie vermag beim Fliegen die Rückenlage einzunehmen, um an der Zimmerdecke zu landen. Dabei werden zunächst die Vorderbeine ausgestreckt. Kleine Häkchen machen es möglich, dass die Fliege in feinsten Unebenheiten Halt findet. Ist eine Lampe attraktiv zum Rundflug, dann gesellen sich schnell andere Fliegen hinzu. Manche unter ihnen sind neugierig und fliegen immer wieder an unserem Kopf vorbei. Stubenfliegen können ziemlich nerven.
Im winzigen Fliegenkopf befindet sich ein noch viel kleineres Gehirn. Mehr als 100.000 Nervenzellen besitzt es und leistet fast Unglaubliches. Das wird deutlich, wenn wir – oft vergeblich – eine Fliege fangen wollen: Ihr riesiges Komplexauge besteht aus etwa 4000 Einzelaugen und ermöglicht ihr einen Blick in fast alle Richtungen, auch nach hinten.
250 Flügelschläge pro Sekunde
Viele Hundert Einzelbilder pro Sekunde können im Gehirn zu einem Eindruck verschaltet und verarbeitet werden. Dabei kann sich die Stubenfliege der Situation gemäß verhalten und diese verrechnen, wenn wir als Fliegenfänger ihr begegnen. Dann springt sie vom Untergrund ab und fliegt mit etwa 250 Flügelschlägen pro Sekunde davon. Wollen wir sie abermals fangen, dann verlässt sie ihr Territorium und fliegt in dunklere Bereiche eines Raums, wo wir sie nur schlecht sehen können.
Ursprünglich lebte die Stubenfliege – genauer: die Große Stubenfliege – nicht in der Nähe des Menschen. Die Stammform der Stubenfliege ist in der Savanne verbreitet. Ihre Larven entwickeln sich im Kot von Säugetieren.
Trocken-warme Klima behagt der Stubenfliege
Erst mit der Sesshaftigkeit des Menschen und der Ausbreitung seines Lebensraums nach Norden konnte auch die Stubenfliege ihr Verbreitungsgebiet ausdehnen. Das trocken-warme Klima in den Häusern behagte ihr. Die Haltung von Haustieren und deren Kotmassen trugen ebenfalls dazu bei. „Synanthropie“ wird dieses Phänomen genannt. Andere Tierarten machten eine ähnliche Entwicklung durch. Beispiele dafür sind Haustaube, Kompost-Regenwurm, Kleidermotte, Hausmaus oder Mehlkäfer.
Was kreucht und fleucht in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des Biologen in loser Reihenfolge.