Von Satans-Röhrlingen und Schirmlingen: Mit Uta Kappel ins Reich der Pilze

Uta Kappel ist seit frühster Kindheit von den Pilz-Schönheiten fasziniert.
„Essen kann man alle Pilze, manche nur einmal.“ Den Spruch kennt auch Uta Kappel, die sich nicht besonders wundert, dass Vergiftungen in diesem Jahr erheblich zugenommen haben.
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„Pilze sammeln liegt wie Waldbaden im Trend, aber vielen Leuten fehlt das nötige Wissen“, bedauert die Pilzexpertin, die sich seit frühster Kindheit für die Natur interessiert und sich ständig auf diesem Gebiet weiterbildet. Durch Schulungen, Bücher und Austausch mit anderen. Denn gerade Pilze, das sei eine Wissenschaft für sich, betont sie.
Die meisten Sammler, die ihre Fundplätze wie wertvolle Schätze hüten und schon früh morgens, am besten nach einem Regenguss, „in die Pilze gehen“, machen das nur aus einem Grund: Sie lieben den besondern Pilzgeschmack. Zubereitungsmöglichkeiten gibt es viele, zum Beispiel in der Pfanne braten, trocknen und als Gewürz verarbeiten. Aber eben nicht alle Arten sind essbar. Von den rund 10.000 Pilzen in Mitteleuropa, sind das etwa 200. 150 sind giftig, zehn davon tödlich. Der Rest gilt als ungenießbar, weil zu bitter, zu zäh, zu hart, zu scharf oder zu klein für den Verzehr.
Einige Sorten eignen sich zur Papierherstellung und zum Stoffe färben, da bestehe keine Gefahr, denn Hautkontakt schade nicht, sagt Pilzcoach Uta Kappel. „Wer ein Stück von einem rohen Pilz in den Mund nimmt und wieder ausspuckt, dem passiert nichts, nur nicht runterschlucken“, ergänzt sie. Es gäbe jedoch bessere Methoden - denn giftige Arten schmecken nicht unbedingt bitter oder scharf - um die Genießbarkeit zu testen.
Fühlen und riechen etwa. Wichtig sei, alles unter die Lupe zu nehmen, den Hut, den Stiel, die Farbe, die Gesamthülle. Trotzdem bleibe es für Anfänger schwierig. Selbst für Fachleute mit langjähriger Erfahrung, die wie Uta Kappel fast täglich das ganze Jahr „auf der Pirsch sind.“
„Tückisch sind die giftigen Doppelgänger, mit denen die essbaren Arten verwechselt werden können“, erklärt die Sachverständige der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM). Der große, auffällige Parasolpilz unterscheide sich durch den verschiebbaren Ring am Stengel noch realativ einfach von den giftigen Schirmlingen.
Schwieriger wird es bei dem orangefarbenen, ausgezackten Exemplar daneben. „Vom Regen sind die weißen Pünktchen und die rote Oberfläche ausgewaschen, deshalb halten Laien den hier nicht für einen Fliegenpilz.“ Tödlich sei er nicht, wie oft behauptet: „Nur dann, wenn jemand durch die hervorgerufenen Halluzinationen aus dem Fenster springt“, sagt die 51-Jährige, die weiß, dass einige Pilze eben als Rauschmittel gelten. Viel gefährlicher sei sein Verwandter, der Königsfliegenpilz, brauner Hut mit gelben Punkten. „Der wächst hier in der Region noch nicht, aber das kann sich ändern, denn immer wieder entdecken wir neue Arten.“
Von einer App hält sie nichts. Eher von Büchern, Seminaren oder Führungen. „Es gibt so viel, worauf zu achten ist,“ sagt die Fachfrau, die regelmäßig Kurse bei den Volkshochschulen anbietet. Da lernen die Teilnehmer, dass alte, angegammelte Pilze Magenschmerzen verursachen können. Dass es bestimmte Sorten gibt, die bei empfindlichen, geschwächten Personen, Beschwerden auslösen, während ein Gesunder nichts spürt. Dass es wiederum Arten gibt, die man 100-mal essen kann, und beim 101 Mal geht’s einem schlecht.
Bei manchen reicht ein zweites Mal, weil Pilze sich verändern - zum Beispiel durch das Klima, Radioaktivität, und Aufnahme von Schwermetallen - und der Mensch auch, sagt die Staderin und demonstriert, wie sie einen Röhrling aus dem Boden hebelt, mit dem Messer sorgfältig reinigt und ihn dann in ihrem luftdurchlässigen Korb lagert.
Grundsätzlich getrennt von unbekannten, möglichen giftigen Pilzen. Wer unsicher ist, solle sein Sammelgut einem Experten zeigen, bevor er sie zubereitet. Für Einsteiger eignen sich die Röhrlinge am besten, unter ihnen gibt es keine tödlich giftigen Pilze. Nur der Satans-Röhrling verursache „satanische Bauchschmerzen“.
Wildpilze nie roh essen, immer durchgegart, mindestens 15 Minuten. Frisch verarbeiten, einfrieren oder trocknen, da sich das Eiweiß schnell zersetze. „90 Prozent der Vergiftungen stammen vom Verzehr der essbaren Arten, weil die Pilze zu alt und verdorben waren“, sagt Kappel und zeigt auf Bildkarten die Grade der Verwesung von eins bis sechs. „Bauchschmerzen sind auch bei Pilzen aus dem Supermarkt möglich, wie eben bei allen verdorbenen Lebensmitteln.“ Pilze in Plastik kaufe sie nie, ungekühlt schon gar nicht, weil die schnell vergammeln.
In Pilzberatungsstellen kan jeder seine gesammelten Pilze kontrollieren lassen. Auskunft gibt es auf der Seite der DGfM: www.dgfm-ev.de. Hier finden Interessierte weitere Informationen.
Bei Verdacht auf Pilzvergiftungen: Es gibt eine bundesweite gleiche Telefonnummer mit der entsprechenden Vorwahl des eigenen Ortes 1 92 40.