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Wenn das Hochwasser im Garten steht

Weniger Überschwemmungen: Hildegard von Gilgenheimb, Günter Kölln, Rainer Podbielski und Arno Hagenah von der IG Este fordern eine Veränderung der Schließordnung des Inneren Este-Sperrwerks in Cranz. Auch der Kaffeegarten des Gasthauses Hin

Weniger Überschwemmungen: Hildegard von Gilgenheimb, Günter Kölln, Rainer Podbielski und Arno Hagenah von der IG Este fordern eine Veränderung der Schließordnung des Inneren Este-Sperrwerks in Cranz. Auch der Kaffeegarten des Gasthauses Hin

Seit mehr als 100 Jahren gibt es das Gasthaus Hintze in Jork-Leeswig: Mit dem Bau des Inneren Este-Sperrwerks (1959) in Cranz war der Kaffeegarten im Frühjahr/Sommer trockengelegt. Jetzt steht der Uferbereich „immer häufiger unter Wasser“, klagt Gastronom Thorsten Hintze.

Von Björn Vasel Donnerstag, 07.06.2018, 09:00 Uhr

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Er fordert, dass der Schließpegel erneut geändert wird. Dafür macht sich auch die Interessengemeinschaft Este stark. Die Anwohner fühlen sich von den Behörden im Stich gelassen.

Bis zu acht Tische stehen manchmal unter Wasser. Für den Gastronomen ist das ein „wirtschaftlicher Schaden“. Hintze hofft, dass das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt, der NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) und der Landkreis Stade „endlich handeln“ – und etwas für die Menschen an der Untereste tun. Seit Jahren protestiert die Interessengemeinschaft Este gegen die regelmäßig „zu hohen“ Wasserstände bei Hochwasser. Sie fürchten, dass es nicht nur zu Schäden in Gärten, sondern auch an Häusern am Deich kommt. Sie fordern deshalb, dass das WSA Hamburg das Innere Este-Sperrwerk in Cranz in Zukunft bereits ab einem Wasserstand von 7,10 Meter Pegelnull (PN), das entspricht 2,10 Meter über NN, schließt.

Gastronom Thorsten Hintze (rechts) klagt, dass sein Kaffeegarten an der Este in Königreich (Leeswig) regelmäßig überflutet wird. Hildegard von Gilgenheimb, Günter Kölln, Rainer Podbielski und Arno Hagenah von der Interessengemeinschaft Este fordern eine Veränderung der Schließordnung des Inneren Este-Sperrwerks. Auch sie fürchten um ihr Eigentum, die Gärten zwischen Estebrügge und Cranz regelmäßig überflutet werden (von links).   Foto Vasel

Dabei geht es IG Este-Sprecher Rainer Podbielski nicht um die Hochwasser bei Sturmfluten und bei Starkregen, sondern um das alltägliche Tidegeschehen. Denn die steigende Strömung in der Elbe und der Este hat dazu geführt, dass das Wasser höher aufläuft und „teilweise bis an die Häuser heranreicht“. Das sei auch eine Folge von Elbvertiefung, Teilzuschüttung des Mühlenberger Lochs für Airbus sowie des Klimawandels. Das Mittlere Tidehochwasser sei seit 1970 um 40 Zentimeter gestiegen, so Arno Hagenah von der IG Este. Schon jetzt müssten die Stemmtore öfter geschlossen werden.

Die Bürgerinitiative fühlt sich durch eine TU Hamburg-Studie bestätigt. Die Daten zeigen, dass es sich um ein „gravierendes Problem handelt, das jahreszeitlich zu einem täglichen Dauerproblem wird“, so Podbielski. Edgar Nehlsen vom Institut für Wasserbau kommt im WSA-Auftrag zum Schluss, dass eine Schließpegelabsenkung um mindestens zehn Zentimeter auf +7,10 Meter Pegelnull zu deutlich häufigeren Sperrwerksschließungen führen würde. Aktuell liegt der Anteil der gesperrten Tidehochwasser, unter Berücksichtigung der neuen und „besseren“ Schließordnung von 2015, im Mittel (2003 bis 2017) bei 200. Sollte der Wunsch der Altländer in Erfüllung gehen, müsste das Innere Sperrwerk in Cranz 288 bis 313 Mal kurzzeitig geschlossen werden (Basis: 706 Tiden im Jahr). Nehlsens Sorge, dass es zu mehr Verlandungen kommt, teilt die IG Este nicht.

Die Behörden müssten endlich handeln – unbürokratisch, ohne mehrjähriges Planfeststellungsverfahren und über Ländergrenzen hinweg. Hauptziel der Schließordnung dürfe es nicht allein sein, Schutzdeiche trocken zu halten. Auch das Eigentum der Bürger müsse geschützt werden. Dass der Hochwasserpegel über Jahre um fast einen halben Meter gestiegen und es in Estebrügge zu Absackungen von acht Zentimetern gekommen sei, habe die Behörden bislang nicht gekümmert. Das alles seien allerdings nicht nur Folgen von Naturereignissen. Deshalb ziehe auch das „behördliche Totschlagargument“ des 1973/1977 festgesetzten Überschwemmungsgebiets nicht mehr, so Podbielski. Demnach müssten die Anwohner laut Wasserhaushaltsgesetz das Wasser zwischen den Deichen hinnehmen – und sich selbst schützen. Für ihn überwiegt hier der grundgesetzliche Schutz des Eigentums.

Blick auf das geöffnete Innere Sperrwerk in Cranz von oben bei einer Wartung. Foto Vasel

Hinzu komme, dass es in Cranz ein funktionsfähiges Sperrwerk gebe, mit dem der Wasserstand reguliert werden könne. Der Schiffsverkehr auf der Este werde dadurch kaum berührt, mehr als 75 Prozent der kurzfristigen Schließungen (weniger als eine Stunde) fallen in schiffsarme Jahres- und Tageszeiten. Kurzum: Dass sich das WSA, der NLWKN und der Kreis gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben, sei nicht mehr hinnehmbar. Sie setzen auf Kreis- und Landespolitik.

Kreisbaurat Hans-Hermann Bode sieht die Länder in der Pflicht. Das Sperrwerk liege in Cranz, Hamburg müsse das Planfeststellungsverfahren einleiten, Niedersachsen könnte sich stark machen. Das Verfahren sei nötig, Folgen für Natur, Schifffahrt und Wasserwirtschaft müssen geprüft werden. Er persönlich glaube, dass die geforderte Herabsetzung des Schließpegels um zehn bis 20 Zentimeter kaum Erfolgsaussichten habe. Hinzu komme, dass das Überschwemmungsgebiet eben ein Ausuferungsraum sei. Gleichwohl wolle der Kreis die Betroffenen nicht alleine lassen, er biete Gespräche vor Ort und Einzellösungen an – etwa kleine Verwallungen in den Gärten. Ob dafür neue Überflutungsflächen als Ersatz notwendig seien, müsse die Einzelbetrachtung zeigen.

Wenn das Hochwasser im Garten steht

Wenn das Hochwasser im Garten steht

Überflutung III. Foto IG Este

Überflutung III. Foto IG Este

Blick auf das geöffnete Innere Sperrwer k in Cranz von oben bei einer Wartung. Foto Vasel

Blick auf das geöffnete Innere Sperrwer k in Cranz von oben bei einer Wartung. Foto Vasel

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