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Wie das CFK Valley in Stade floriert

Das CFK Valley in Stade und die Solarhalle. In der Niederlassung im chinesischen Sechuan sollen vier Mal größere Hallen gebaut werden.

Das CFK Valley in Stade und die Solarhalle. In der Niederlassung im chinesischen Sechuan sollen vier Mal größere Hallen gebaut werden.

Das CFK Valley bleibt auf Wachstumskurs: Ende Mai wurde eine Dependance im chinesischen Sichuan eröffnet. Obwohl das Know-how gefragt ist, strebt das Netzwerk eine Fusion mit dem Verein Carbon Composites an. Ziel: eine deutschlandweite CFK-Allianz.

Von Karsten von Borstel Mittwoch, 21.06.2017, 10:00 Uhr

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Eigentlich haben die Vorstände Dr. Gunnar Merz, Professor Axel Herrmann und Thomas Friedrichs dieser Tage frohe Kunde zu überbringen: Das Fachwissen aus der Hansestadt rund um den Faserverbundwerkstoff streut sich weiterhin in der Welt. Der Grund: Die Komplexität des Werkstoffs. Auf 30 Jahre Erfahrung kann der Standort Stade in dem Bereich zurückblicken. „Für die Beherrschung braucht es viel Know-how“, sagt Gunnar Merz.

Jüngster Beweis für das florierende Geschäft ist die Eröffnung einer internationalen Niederlassung des Vereins im chinesischen Sichuan – einer wachstumsstarken Region mit innovativen Technologien (mehr Text unten). Der Austausch mit den beiden Zentren in Belgien und Japan sei weiter rege. Es gibt Innovationstreffen wie erst kürzlich in Brüssel.

Doch es gibt Herausforderungen, die allen voran Thomas Friedrichs, Finanzvorstand und Wirtschaftsförderer der Stadt Stade, benennt: Die Stadt als Unterstützer des Vereins – und zugleich Vermieter im Gewerbegebiet Ottenbeck – könne die notwendige Expansion nur begrenzt vorantreiben. Friedrichs: „Wir als Kommune dürfen keine Außenpolitik betreiben.“ Inwieweit die Stadt die Internationalisierung verfolgen könne und möchte, müsse politisch diskutiert werden. Die Weiterentwicklung hänge auch von anderen Akteuren wie der Süderelbe AG und niedersächsischen Ministerien ab. Selbst die Umwandlung von einer Non-Profit-Organisation hin zu unternehmerischeren Strukturen sei eine Variante, über die zumindest gesprochen werden müsse.

Technologievorstand Professor Hermann macht deutlich: „Wir müssen weltoffen bleiben.“ Die Liste umsatzstarker Unternehmen in der Branche, die insgesamt 3000 Arbeitsplätze in der Region stellen, sei lang – und die gelte es zu vertreten. Das CFK Valley zählt 115 Mitglieder aus 20 Nationen, Tendenz steigend. 55 Tonnen des kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffs werden jährlich in Stade verarbeitet. In einem sind sich die drei Vorstände einig: Das CFK Valley braucht künftig erheblich mehr Manpower.

Um Kräfte zu bündeln, hat die Mitgliederversammlung seinen Vorstand in der Vorwoche mit einem Mandat ausgerüstet, Fusionsverhandlungen mit dem Verein Carbon Composites aus Augsburg zu führen. Das süddeutsche Pendant feierte kürzlich zehnjähriges Bestehen und hat sich mit 300 Mitgliedern rasch entwickelt. Anders als beim CFK Valley, liegt der Forschungsschwerpunkt auf der Leichtbauweise in der Automobilindustrie. Im Bundesland Bayern stünden enorme Fördermittel für diese Zukunftsbranche zur Verfügung, sagt Merz. Davon könnte die gesamtdeutsche CFK-Landschaft profitieren.

Das Stader Netzwerk ist traditionell der Luft- und Raumfahrt zugeneigt, nicht zuletzt aufgrund der Nähe zu drei Airbus-Standorten. Trotz unterschiedlicher Schwerpunkte besteht ein Wettkampf zwischen den Vereinen, der bislang zu Reibungsverlusten führt. „Der Föderalismus macht uns schwach“, sagt Friedrichs. Es sei nicht zielführend, wenn deutsche Delegationen im Ausland nicht mit einer Stimme sprechen, sondern „kleinmaßstäblich unterwegs seien“. Die Kollegen in Süddeutschland hätten die Schwierigkeit gleichermaßen erkannt.

Erschwerend kommt hinzu: Weltweit haben zahlreiche Länder die Chancen des zwar teuren, aber vielseitig einsetzbaren Werkstoffs erkannt. In fernöstlichen Industrienationen wie Japan und Korea ist die Technologie gewissermaßen zur Regierungssache erkoren worden. Bereits seit einigen Jahren ist immer wieder davon zu hören, dass die Koreaner ein Mega-CFK-Valley nach Stader Vorbild planen. Gesamtinvestition: eine Milliarde US-Dollar. Noch ist der Wissensvorsprung des CFK Valley da. Aber er beginnt bereits zu schwinden.

„Die Branche wächst jährlich um 12 Prozent“, berichtet Merz. Es kämen immer neue Anwendungsbereiche hinzu. In der Architektur ermöglicht CFK nie da gewesene Formen, die Windindustrie errichtet immer höhere Anlagen durch das High-Tech-Material. Im sogenannten Consumer-Bereich werden leichte und flache Fernseher möglich. Das Problem: Die Märkte haben sich nach Ostasien verlagert, weshalb der Einfluss aus Stade schwindet.

Deshalb rücken die deutschen Fachleute enger zusammen. Möglicherweise. Am Ende einer Fusion von CFK Valley und Carbon Composites könnte ein einflussreicher CFK-Club stehen – ohne föderale Reibungsverluste.

 

STADE / SICHUAN. Ende Mai wurde nach Belgien und Japan die dritte Dependance des CFK Valley mit einem feierlichen Akt in der chinesischen Provinz Sichuan eröffnet. Mit dabei: Eine zehnköpfige Delegation aus Deutschland, bestehend aus Vertretern des Vereins und Mitgliedsunternehmen. Die Neugründung ist Teil der Internationalisierungsstrategie.

„Die Technologien rund um carbonfaserverstärkte Kunststoffe sind in China noch weniger entwickelt, umso größer sind die potenziellen Kooperationsbereiche und Wachstumsmöglichkeiten“, sagt Vorstand Dr. Gunnar Merz. Das CFK Valley habe den Trend erkannt und zusammen mit seinem chinesischen Mitgliedsunternehmen Future Aerospace Industry LLC. die Gründung forciert. Der neue Standort, so Merz, sei eine Win-win-Situation für alle: „Die Chinesen wollen Aufträge haben und möchten umgekehrt ihre Aufträge platzieren.“

Ziel sei zunächst die Belieferung der Luftfahrtindustrie mit Bauteilen aus CFK, aber auch die chinesische Flugzeugindustrie werde von der Zusammenarbeit profitieren. „Wir rechnen damit, dass sich das CFK Valley China schnell etablieren und signifikante Mehrwerte für alle Mitglieder weltweit bieten wird“, so Divis Han, CEO des CFK Valley China.

Peggy Repenning von der Privaten Hochschule Göttingen lud chinesische Studieninteressierte dazu ein, Composite Technology am Hansecampus Stade zu studieren. Der Standort benötigt dringend Studierende im Bereich CFK. Zhao Hui, Bürgermeister der 400 000-Einwohner-Stadt Shi fang, begrüßte bei einem Festbankett die Delegation und beglückwünschte die Verantwortlichen zu der Entscheidung, seine Stadt als chinesisches Kompetenzzentrum für carbonfaserverstärkten Kunststoff ausgewählt zu haben.

Sichuan ist 2008 von einem Erdbeben erschüttert worden. Mit Investitionen baut die Regierung die Region wieder auf und errichtet einen Cluster für die Zulieferindustrie im Flugzeugbau. Am Ende sollen dort Hallen mit dem vierfachen Ausmaß ihrer Vorbilder aus Stade entstehen.

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