Zahnarztpraxis in "Tamckes Alter Gasthof"

Dr. Klaus-Peter und Sabine Wilkens freuen sich über das frisch sanierte, ortsbildprägende Fachwerkhaus an der Bundesstraße 73 in Dollern. Sie haben das alte Gemäuer erhalten, aber modern eingerichtet. Fotos: Lankuttis
Aus dem denkmalgeschützten „Tamckes Alter Gasthof“ haben sie eine moderne Zahnarztpraxis gemacht. Jetzt ist der Umbau fast geschafft, und die Dollerner Zahnärzte Dr. Klaus-Peter und Sabine Wilkens blicken „total zufrieden“ auf ihr neues Domizil.
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Am Montag eröffnen die Eheleute ihre Gemeinschaftspraxis an der Bundesstraße 73. Statt in den Sommerurlaub zu fahren, haben sie deshalb nochmal vier Wochen lang gewerkelt. Ohnehin haben beide auf der Baustelle mit angepackt und in der Freizeit hart gearbeitet. „Muckibude war nicht mehr nötig“, sagt Klaus-Peter Wilkens. Die Bauherren mussten sich außerdem den Kopf über unzählige Vorschriften zerbrechen und viel Geld in die Hand nehmen.
„Das ist ein Groschengrab“, war der erste Gedanke von Klaus-Peter Wilkens, als Eigentümerin Annegret Spielmanns ihm den Gasthof zum Kauf anbot. Unfreiwillig und ohne Erfolg waren die Zahnärzte bis dahin auf der Suche nach neuen Räumen in Dollern, wo sie seit 28 Jahren leben und arbeiten. Die bisher gemieteten Praxisräume im Birkenweg seien an den Edeka-Markt verkauft worden, bedauert der Zahnarzt. Mit einer Kündigung so kurz vor seinem Berufsende – 2020 hätte er raus gemusst – hatte der 57-Jährige nicht gerechnet.
Sabine Wilkens präsentiert den alten, reich verzierten Kachelofen , der im Sozialraum, dem früheren Clubraum, steht.
Jetzt nach den intensiven Arbeiten fühlen sich die neuen Eigentümer „ihrem“ historischen Fachwerkhaus sehr verbunden. „Es hat ein Eigenleben“, sagt Sabine Wilkens. Sie haben die verborgensten Stellen kennengelernt, die Findlinge unter den Außenwänden gesehen, als sie den früheren Saal betonierten, und Geheimnisse einer Zwischendecke gelüftet: Sie fanden ein uraltes Hühnerei, eine nostalgische Bierflasche, einen Pantoffel und Reste vom Zaumzeug.
Und immer wieder erzählen sie von Jürgen Helmcke von der gleichnamigen Zimmerei in Jork. „Ehrfurcht“ vor der alten Konstruktion, auch wenn sie nicht den heutigen Berechnungen entspreche, hätten sie von ihm gelernt. Die Firma hat unter anderem das Fachwerk saniert. Zum Beispiel mussten einige der untersten Eichenholzbalken ausgetauscht werden. Eine Aufgabe für Spezialisten. Manche Fächer wurden neu ausgemauert. Im Vorderhaus gab es statische Probleme, die neue Decken erforderten.
Die Balken und Ständer drinnen im Haus haben die Eheleute selber von der Verkleidung befreit, jede Menge Dreck abgekratzt und Nägel entfernt. „Das war auch so eine Aufgabe, mit der wir keine Handwerker quälen wollten“, sagt Sabine Wilkens fröhlich. Angefangen hatten beide mit Bäumeausreißen im verwilderten Garten. „Ich hab dafür Baggerfahren gelernt“, erzählt ihr Mann.
Kontrast im Behandlungszimmer: Modernes Zahnarzt-Mobiliar steht neben dem weiß gestrichenen Fachwerkständer.
Seit März 2017 gehört der stattliche Hof den Zahnärzten. Mit den Innenarbeiten mussten sie wegen des Mietvertrages mit Peter Hauschildt, der das Bürgerhaus mit seinem Partyservice bewirtschaftete, bis Oktober warten. Das Reetdach wurde im vergangenen Sommer ausgebessert.
Innen wurde das Haus neu aufgebaut. Die Anforderung, Altes und Modernes in Einklang zu bringen, sei „sehr komplex“ gewesen, sagt Sabine Wilkens und zählt eine Reihe von notwendigen Gutachten auf. Am Schwierigsten, weil nicht immer nachvollziehbar, und extrem aufwendig seien die brandschutztechnischen Anforderungen gewesen.
Das Haus ist jetzt in zwei getrennte Bereiche aufgeteilt. Das Vorderhaus mit dem früheren Haupteingang ist an das Dentallabor Schmidt vermietet. Das Labor, das bereits den Betrieb aufgenommen hat, nutzt auch die Fläche der früheren Küche. Die Zahnarztpraxis ist durch die große Tür hinten zu erreichen. Der Eingang mit einer neuen Glastür liegt zurückgesetzt hinter der grünen Holztür. Wo früher Festgesellschaften tanzten, verbergen sich neben und hinter dem großzügigen Empfang mit Tresen zahlreiche kleine Räume: Warteraum, fünf Behandlungszimmer, Toiletten, Röntgen-, Technik- und Lagerraum. Im Sozialraum ist ein alter, reich verzierter Kachelofen stehengeblieben. Wer auf dem Behandlungsstuhl sitzt, erlebt modernste Technik und guckt dabei auf die alten, weiß gestrichenen Fachwerkständer.
Stolz sind die Eigentümer auf die neue Einrichtung im historischen Gewand. „Wir haben den schönsten Schmuckbalken in Dollern“, sagt Klaus-Peter Wilkens über den verzierten Giebelspruch. Auch den haben die Eheleute selber angemalt.
Das Fachwerkhaus mit Reetdach stammt aus dem Jahr 1793. Es steht unter Denkmalschutz und liegt ortsbildprägend direkt an der Bundesstraße 73. Für die Gaststätte „Tamckes Alter Gasthof“ hatte sich lange Zeit kein Käufer gefunden – und auch kein Pächter. Bis 2011, als der letzte Pächter Rüdiger Gradert starb, war es immer Gaststätte gewesen. „Vorübergehend“ – für letztlich fünf Jahre – nutzte die Gemeinde Dollern das Haus als Bürgerhaus mit dem Steinkirchener „Parti-Service Hauschildt“ als Betreiber. Dass der Saalbetrieb zum Oktober 2017 schloss, wurde allgemein bedauert. Die Gemeinde wollte „Tamckes“ nicht kaufen, sondern plante den Neubau eines Dorfgemeinschaftshauses. Zur Erinnerung an vergangene Zeiten wollte sie den Holzleuchter des Saales, geschmückt mit geschnitzten Musikanten, im Neubau aufhängen. Den Schrank, der hinter dem Tresen stand, haben die neuen Eigentümer an das Kiekeberg-Museum in Harburg gegeben.