Bahnhof Buxtehude: Vom Vorzeige-Objekt zum Schandfleck
So sah der Bahnhof und sein Umfeld früher aus. Quelle: Stadtarchiv Buxtehude
Buxtehude ohne richtigen Bahnhof? Unvorstellbar? Aber genauso unvorstellbar ist der Zustand des wichtigen Knotenpunktes, der jährlich von sieben Millionen Reisenden, viele davon Pendler, benutzt wird – von den Zugausfällen und Baubehinderungen ganz zu schweigen.
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1881, genau am 1. April, fuhr der erste Zug der Niederelbe Bahn zum ersten Mal die Strecke Harburg bis Stade, dafür wurde der Bahnhof extra gebaut. Wenige Monate später, am 1. November, konnte die Gesamtstrecke bis Cuxhaven in Betrieb genommen werden. Damals ein besonderes feierwürdiges Ereignis. Das heute baufällige zweistöckige Backsteingebäude stammt aus dieser Glanzzeit und diente zwei Eisenbahnern mit ihren Familien als Wohnung. Es steht seit Jahren schon leer.
Anfang des 20. Jahrhunderts brauchten die Hamburger 50 Minuten nach Buxtehude. Die Sommerfrischler kamen zum Kaffeetrinken, Flanieren oder unternahmen Ausflüge ins Alte Land. Bierfässer aus der damals florierenden„Unterelbe’sche Bierbrauerei Actien Gesellschaft“ wurden auf dem Buxtehuder Bahnhof verladen und so nach Hamburg „gerollt“. Als die Bahn 1881 nach Buxehude kam, hatte der Kaufmann Carl-Hermann Richter Junior kurz zuvor die Brauerei am Bahnhof angesiedelt. 1895 ging das Unternehmen bankrott. Später wurde die Brauerei zur Nudelfabrik.
1928 erhielt der Bahnhof, der bis dahin nur mit einem einzigen Kopfgleis ausgestattet war, den ersehnten Anschluss nach Harsefeld, der von der Buxtehuder-Harsefelder Eisenbahn (BHE) betrieben wurde. Es ging bergauf mit dem kleinen, aber wichtigen Bahnhof. Umsetz-, Abstell- und Übergabegleise der Buxtehuder-Harsefelder Eisenbahn (BHE) lagen im Westen. Im Süden des Staatsbahnhofes wurde der Bahnhof Buxtehude Süd errichtet, mit einem eigenen massiven, zweistöckigen Bahnhofsgebäude in Klinkerbauweise und Walmdach sowie angebautem, einstöckigen Güterschuppen. Die Verbindung zur Staatsbahn stellte ein westlich führendes Gleis her, dank der BHE gab es bald auch einen Anschluss an die Birkelwerke in Altkloster.
Zur damaligen Zeit existierten drei mechanische Stellwerke, eins davon bis 1960, zwei Stellwerke wurden 1987 durch eine andere Bauform ersetzt. Heute wird das gesamte Stellwerk aus Hamburg-Neugraben ferngesteuert. Bis 1980 gab es am Bahnübergang Schranken, die mit dem Bau des Ellerbruch-Tunnels ausgedient hatten. Ab 1987 verkehrte die City-Bahn zwischen Neugraben und Buxtehude, erst mit grünen, später mit roten Loks der Baureihe 141, die mit eigentümlichen Klopfgeräuschen anfuhr. Einige wenige Züge fuhren auch bis zum Hauptbahnhof. 1992 bis 1993 hatten die Gleise am Kleinbahnhof, bis auf die Abstellgruppe, ausgedient. Personenzüge von und nach Hamburg-Harburg hielten jetzt direkt am Gleis 3 des Mittelbahnsteigs.
Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis Buxtehude in den Hamburger Verkehrsverbund integriert wurde. 2004 war es dann soweit. Die drei Jahre später erfolgreiche Aufnahme des S-Bahn-Betriebes auf der Strecke nach Stade erforderte erhebliche Umbaumaßnahmen: Gleise mussten für Bushaltestellen und Parkplätze weichen. Denn immer mehr Fahrgäste nutzten die Züge nach Hamburg oder Stade und ärgern sich nicht nur über Ausfälle und Verspätungen, sondern über den Zustand ihres Heimatbahnhofs. Einige Bürger wollten etwas dagegen tun und gründeten 2018 eine Bürgerinitiative zur Rettung des historischen Gebäudes. In diesem Frühjahr hat eine Abordnung eine Fahrt nach Cuxhaven unternommen, um sich vor Ort über die Möglichkeiten, wie alte Bahnhöfe wieder Aushängeschilder werden können, zu informieren.
Die Genossenschaft „Bürgerbahnhof Cuxhaven“, die der Deutschen Bahn zusammen mit der Stadt Cuxhaven den heruntergekommenen Bahnhof 2016 abkaufte, setzt sich zusammen aus Unternehmen, Vereinen, Organisationen und Privatpersonen und investierte rund eine Million Euro. Vom Land Niedersachsen kamen 800 000 Euro hinzu. Bisher verkaufte die Deutsche Bahn 700 Bahnhöfe an private Organisationen oder Städte. In Buxtehude ist diesbezüglich noch nichts passiert. 2010 trafen sich in der Bahnhofsgaststätte Mitglieder der DV Buxtehude, die hier E-Dart und Steeldart spielten.
Vor Jahren haben bereits Studenten der privaten Hochschule 21 Vorschläge konzipiert. Außer, dass das Thema immer wieder Gespräch ist, hat sich wenig bewegt. Das bedauern Alexander Paatsch, SPD-Ratsherr und Mitbegründer der Bürgerinitiative Bahnhof Buxtehude, sowie seine engagierten Mitstreiter zutiefst. Denn der Verfall vollzieht sich unübersehbar. Das sanierungsbedürftige Bauwerk mit Kiosk und Bahnschalter, aber ohne Gastronomie, Toiletten, Geldautomaten, ist heute alles andere als ein schmuckes Empfangsgebäude.
Trotz alledem – 42 Reisende haben sich die Mühe gemacht, den Bahnhof im Internet zu bewerten. Neben vernichtenden Urteilen wie „Außerhalb von Dunkeldeutschland einer der vergammeltsten und verranztesten Bahnhöfe hier im Westen“ oder „riecht und sieht aus wie eine Seitengasse in New York“ gibt es auch Lob: „sehr schöner Bahnhof mit Monte-Snack und Mini-Meica-Würstchen“ Oder „Der Bahnhof ist sehr gut erreichbar und ausreichend beleuchtet. Die Jahresparkplätze sind ne Wucht, perfekte Lage zum Gleis.“ Ein anderer Nutzer meint: „Extra aus Hamburg angereist, um dieser legendären Stadt und ihrem Bahnhof einen Besuch abzustatten.“ Und einer sagt: „Insgesamt ein schöner und sauberer Bahnhof“. Dieses Urteil stammt allerdings aus dem Jahre 2017.