Zähl Pixel
Destillerie Ulex

Ein Single Malt aus dem Osteland

Silka Schlichting zeigt den ersten in Neuhaus abgefüllten Single Malt Whisky der Firma Ulex, den sie in der hauseigenen Anlage brennt. Fotos: Klempow

Silka Schlichting zeigt den ersten in Neuhaus abgefüllten Single Malt Whisky der Firma Ulex, den sie in der hauseigenen Anlage brennt. Fotos: Klempow

Die Destillerie Ulex in Neuhaus blickt auf eine lange Familiengeschichte zurück. Silka Schlichting führt mit ihrer Schwester die Tradition fort – und sie haben den Mut, Neues zu wagen. Jetzt gibt es den ersten Whisky der Firma Ulex, gebrannt in Neuhaus.

Von Grit Klempow Samstag, 13.07.2019, 15:30 Uhr

Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!

Die Geschichte des ersten Whiskys, der in der Region gebrannt wird, ist untrennbar verbunden mit Familie Schlichting, mit der Firma Ulex, aber auch mit dem Flecken Neuhaus, der kurz vor der Ostemündung im Norden mit großem Zusammenhalt, dem Charme seines alten Ortskerns und vergangener Pracht glänzt – und mit dem Sinn für Tradition und Erfindungsreichtum.

„Alle, die hier leben, leben gerne hier, ich glaube, das ist das Besondere“, sagt Silka Schlichting. Auch sie gehört zu denen, die ganz bewusst hier leben, sich entschieden haben, an diesen Flecken zurückzukehren und eine Familientradition fortzuführen. Gemeinsam mit ihrer Schwester, die zurzeit in Elternzeit ist, führt sie fort, was ihre Eltern bewahrt haben – in der achten Generation. Seit mehr als 200 Jahren gibt es die Destille schon. Georg Ferdinand Ulex gründete sie 1795 – der einzige, der nicht zur Familie gehört. Deshalb heißt die Firma G.F. Ulex Nachfolger.

Neben den Junior-Chefinnen gehört Vater Olaf Schlichting zum Team. Der gelernte Destillateur war „immer mit Leidenschaft dabei – und er hat sich seine Träume erfüllt“, erzählt seine Tochter am Tisch im familieneigenen Brauhaus. Auch das eigene Bier war so ein Traum. Seit 2005 gibt es in der Gaststätte das „Cronemeyers“, Helles und Dunkles.

{picture1}

Ebenso wie beim selbstgebrauten Bier hat die Familie mit dem eigenen Whisky Neuland betreten. Um die Brennanlage zu finanzieren, wurde eine Brenngemeinschaft gegründet. Die Anteilseigner werden in flüssigen Anteilen ausgezahlt. Nach drei Jahren Lagerung sind jetzt die ersten Flaschen des „Ulex Single Malt“ Coastland Whisky abgefüllt. Das letzte Jahr verbrachte der Whisky in einem Rotweinfass. „Jedes Fass bekommt ein eigenes Etikett“, sagt Silka Schlichting.

Die moderne, blitzsaubere Brennanlage ist an allen Öffnungsmöglichkeiten amtlich verplombt. Wer Alkohol brennt, muss seine Anlage zunächst durch die Generalzolldirektion abnehmen lassen, wenn gebrannt wird, kommt auch der Prüfdienst des Hauptzollamtes. Schon allein, weil auf das Produkt Steuern anfallen. Der Brennvorgang ist speziell: geschrotetes Malz, für den Coastland-Whisky über Buchenholz geräuchert, wird mit Wasser gekocht, die Stärke löst sich. Im Gärbehälter verwandelt Hefe die Stärke in CO2 und Alkohol.

450 Liter Maische werden zu 150 Litern Alkohol. Hochkochen, kondensieren, abkühlen – über verschiedene Brennblasen wird dieser Vorgang wiederholt. „Man muss schon dabei sein, die Temperaturen und die Druckanzeigen im Blick haben und die Alkoholstärke“, sagt Silka Schlichting. Ein Tag in der Woche ist dem Whiskybrand vorbehalten, aber der bindet auch viel Arbeitskraft im Familienbetrieb.

{picture2}

Mit einem Alkoholgehalt von etwa 65 Prozent kommt das Gebräu ins Fass. Whisky darf er erst genannt werden, wenn er drei Jahre und einen Tag gelagert ist. Erst im Fass bilden sich Geschmack und Farbe. „Nur Eichenfässer geben die Farbe ab“, sagt die Ulex-Junior-Chefin. Ob das Fass „getoastet“, also geflämmt ist, ob es Rotwein oder Sherry beherbergt hat, spielt später für den fertigen Whisky eine tragende Geschmacksrolle. „Das macht 90 Prozent aus.“ Weil der Sherry-Konsum nachlässt, werden die Sherry-Fässer allerdings immer seltener und damit immer teurer.

Das Whisky-Brennen ist dennoch nicht nur ein chemischer Vorgang. „Das muss man sich gefühlsmäßig erarbeiten, und jeder Whisky wird anders schmecken“, sagt Silka Schlichting. Während der Lagerung verliert der Whisky von seinem Alkoholgehalt. Rund vier Prozent, die auch „zolltechnisch gutgeschrieben“ werden. Die Spirituosenhersteller nennen es „Angels’ share“ – den „Anteil der Engel“.

Welche Aromen aus einem geöffneten Fass strömen, ist mitunter bemerkenswert. „Teilweise riecht es nach Banane.“ Dafür zuständig sind die Fuselöle im Alkohol. „Man braucht sie. Sie verästen sich mit dem Sauerstoff zu Geruchs- und Geschmacksstoffen. Ohne Fusel kein Geschmack“, erklärt Silka Schlichting. Sie ist gelernte Fachkraft für Lebensmitteltechnik, das heutige Pendant zum Destillateur wie ihr Vater. Zehn Jahre lebte sie in Hamburg, aber eigentlich war ihr immer klar, dass sie nach Neuhaus und in die Familienfirma zurückkehren würde. Sie studierte zusätzlich zur Ausbildung Sozialökonomie und ließ sich von „Papa die Geheimrezepte, seine Tricks und Kniffe zeigen. Da wächst man rein“.

{picture3}

Im Laufe der Geschichte seien es oft Frauen gewesen, die in der Firma einsprangen. „Die hatten vielleicht nicht die Wahl. Heute sind wir aber stolz darauf, fast ein reines Frauenunternehmen zu sein“, sagt Silka Schlichting. Zumal die große Brauerei in Hamburg sie als Auszubildende trotz ihrer Qualifikationen damals nicht wollte. Begründung: Es hätte eine zusätzliche Toilette gebaut werden müssen.

Über diese Ablehnung ist Silka Schlichting längst hinweg. Sie ist zurück in Neuhaus, gut ausgebildet und gerüstet, um gemeinsam mit der Familie die Firma Ulex auch noch für die zehnte Generation fit zu halten.

„Wir haben uns unsere Nischen gesucht, das ist auch das Verdienst meines Vaters“, sagt sie. Der Ulex-Schnapsladen im heimeligen Fachwerkhaus gegenüber der Kirche wartet mit einem großen Angebot an selbst kreierten Spirituosen auf. Mit dem eigenen Absinth sorgte die Firma Ulex schon vor rund 20 Jahren für Furore. Und wenn Kunden Bilder schicken vom hauseigenen Gin auf Bali oder aus dem Feinkostladen in Shanghai, der den Ulex-Absinth im Sortiment hat, ist die Familie schon stolz. Dabei ist das internationale Geschäft gar nicht so neu für das Unternehmen. Einer ihrer Vorfahren aus der Familie Cronemeyer exportierte bereits 1869 wagemutig den Columbia-Bittern nach Südamerika.

Von solch unternehmungslustigen Inhabern, Traditionen und neuen Wagnissen erfahren die Gäste im Brauhaus und im Schnapsladen. Nur dort ist exklusiv der Coastland-Whisky zu kaufen, im Ulex-Online-Shop gibt es ihn nicht. Aber was ist bei so vielen Geschichten schon gegen einen Klönschnack im Schnapsladen einzuwenden – es gibt viel zu erzählen in Neuhaus an der Oste. www.ulex.de

Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.