Jugendbauhütte in Sandbostel: Kein alltäglicher Arbeitsplatz

Die Freiwilligen in der Denkmalpflege an der Arbeitsstätte: Johanna Klocke, Johann Holst, Bennet Willmer und Tessa Lüdke (von links). Fotos: Beneke
Drei Wochen waren die Freiwilligen der Jugendbauhütte des Landkreises in der Gedenkstätte Lager Sandbostel im Einsatz.
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Sie halfen bei der Instandsetzung des Ensembles, das einst die Nationalsozialisten für die Unterbringung von Kriegsgefangenen genutzt haben und das heute von einer Stiftung als Ort des Erinnerns genutzt wird.
Im September haben vier junge Menschen im Alter von 18 bis 19 Jahren ihr Freiwilliges Soziales Jahr in der Denkmalpflege bei der Jugendbauhütte des Landkreises Stade angetreten. Sie kommen aus verschiedenen Gegenden Deutschlands, haben gerade ihre Abiturprüfungen bestanden und wollen vor dem Start ins Berufsleben eine Auszeit sinnvoll nutzen. Über Zeitungsartikel und die Internetpräsenz haben sie von der Jugendbauhütte erfahren – und sich bei der Mobilen Einsatzgruppe beworben.
Nach Stationen bei der Wassermühle in Karoxbostel im Landkreis Harburg und auf dem Museumsschiff Greundiek in Stade waren sie drei Wochen im Lager Sandbostel bei Bremervörde im Landkreis Rotenburg tätig. Sie haben vorwiegend das Haus Altenberg auf Vordermann gebracht, ein in den 1950er Jahren von einem Händler mit Militärartikeln errichtetes Gebäude, das inzwischen zur Gedenkstätte gehört. Es beherbergte einst eine Wäscherei. Viel Feuchtigkeit war in dem Haus, das offenbar seit Jahren niemand mehr betreten hatte, berichten die Freiwilligendienstleistenden. Sie mussten erst eine Stahltür aus der Verankerung stemmen und einen Wanddurchbruch vollziehen, ehe sie sich der Sanierung des Objektes widmen konnten. An den Wänden haben sie Risse und Löcher entdeckt und neu verspachtelt. Die Decke war instabil und musste teilweise zurückgebaut werden. „Wer mit einem Hammer angeklopft hat, dem fiel sie fast aus den Kopf“, sagt die Leiterin der Jugendbauhütte, Eva Pfennig. Reet diente als Isolierung.
Vor allem aber haben sich die jungen Frauen und Männer den Fenstern gewidmet. Sie haben die Rahmen aufbereitet: Die alte Farbe blätterte ab, also haben die Freiwilligendienstleistenden sie abgeschliffen und mit Spachteln abgekratzt. Um das Holz vor den Einflüssen der Witterung zu schützen, haben sie die Rahmen lasiert. Außerdem bedurften die Verfugungen einer Erneuerung. Am Haus Altenberg und an einigen Baracken – die Unterkünfte der Gefangenen aus den 1930er und 1940er Jahren sind weitgehend originalgetreu erhalten – haben die Freiwilligen zudem Fenster erneuert.
Hunderttausende Kriegsgefangene haben das Stammlager des Wehrkreises X in der Gemeinde Sandbostel bis zur Befreiung im Frühjahr 1945 durchlaufen. Vielen von ihnen verweigerte die Wehrmacht aus ideologischen Gründen jedweden völkerrechtlichen Schutz. Tausende starben an Hunger und Krankheiten. Die Baracken sind heute Teil einer Gedenkstätte, die ein Zehntel des ursprünglich 30 Hektar großen Geländes umfasst. Pro Jahr kommen rund 10 000 Besucher. Bei der Instandhaltung der historischen Gebäude hat die Stiftung Gedenkstätte Lager Sandbostel in den vergangenen Jahren immer wieder auf die Unterstützung der Jugendbauhütte aus dem Nachbarlandkreis Stade zurückgegriffen. In dieser Zeit lebten die vier Freiwilligen in einer Ferienwohnung in Selsingen.
Vor dem Start der Arbeiten bekamen sie eine Führung: „Das war schon beeindruckend“, sagt der Freiwilligendienstleistende Bennet Willmer (18) aus Oldenburg. „Ich finde es schön, dass wir dazu beitragen können, diesen Ort noch länger als Gedenkstätte zu erhalten“, ergänzt Kollegin Tessa Lüdke (18) aus Nordstemmen. „Wir haben uns anfangs gefragt, ob wir an so einem Ort bei der Arbeit überhaupt Musik hören können“, sagt Johanna Klocke (18) aus Aachen. Idyllisch gelegen in der Feldmark am Ortsrand von Sandbostel bestimmt sonst Vogelgezwitscher die Geräuschkulisse auf dem Gelände. Jeden Tag aufs Neue hätten sie sich mit der Geschichte auseinandergesetzt – etwa beim Blick in die Ausstellung, die sie jedes Mal auf dem Weg in die Küche durchschritten haben, sagt Johann Holst (19) aus Heidenau. „Die Zeit in Sandbostel war für uns sehr bereichernd.“
Nach einem Seminar in der Jugendbildungsstätte des Landkreises in Hude wird die Mobile Einsatzgruppe im Altländer Archiv in Jork arbeiten.