Linie 2927: Bürger fahren für Bürger

Sicher und günstig durch die Dörfer des Ostelandes: Manfred Lookhof sorgt für eine gute Fahrt. Ein Tablet am Cockpit zeigt ihm, wie gut er im Zeitplan ist. Ein Monitor zum Fahrgastraum unterhält die Nutzer mit Werbung. Fotos Eidtmann
Der Bürgerbus Osteland beförderte im Vorjahr 10 709 Fahrgäste. Wieder ein Plus, wieder eine schöne Bestätigung für den Trägerverein und die 24 ehrenamtlichen Fahrer. Sechs Tage die Woche tourt der auffällige Neunsitzer über die Dörfer.
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„Toll, dass es so gut funktioniert und sich so viele Menschen so gut aufeinander verlassen können“, sagt Manfred Lookhof. Der 71-Jährige gehört zum Fahrerteam und sitzt jeden Mittwochnachmittag am Steuer. Er übernimmt damit mehr als die zwei halben Schichten im Monat, die üblich sind. „Aber ich will das so, ich tue das für mich“, lacht der Sozialpädagoge, der bei der Lebenshilfe in Hemmoor gearbeitet hat, auch schon in der Seelsorge tätig war. „Technik und der Kontakt zu Menschen – das gehört zu mir.“ Lookhof kommt aus Hechthausen und unterstützt dort die Initiative, die ebenfalls einen Bürgerbus installieren will. „Im Sommer dürfte es soweit sein“, freut er sich.
Draußen ist es bitterkalt, im Bus mollig warm. Es läuft Musik vom Radio, und gelegentlich pfeift der gut gelaunte Fahrer zur Melodie. Ein Tablet zeigt auf die Minute an, wie gut er im Zeitplan ist. Es ist auch mit der Kasse gekoppelt und macht eine ganz genaue Fahrgast-Statistik möglich.
{picture1s} An diesem Nachmittag befördert der Ehrenamtliche mehrere junge Leute und eine 77-jährige Stammkundin, die regelmäßig zwischen Himmelpforten und Oldendorf pendelt und ihrer Tochter etwas Leckeres zu essen bringt.
Dieser Mix ist typisch. Kinder und Jugendliche, die Konfirmandenunterricht oder Verabredungen haben, Mütter mit Kindern, die einkaufen wollen, ältere Menschen mit Arztterminen, Pendler, die zum Bahnhof wollen, Flüchtlinge, die zum Sprachkurs müssen – der Bus für Bürger, der eine Lücke im Nahverkehr der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten schließt (und Teil des ÖPNV ist) wird von vielen Gruppen genutzt.
{picture2s}„Unser großer Vorteil ist der feste Stundenrhythmus“, sagt Viktor Pusswald, Vorsitzender des Vereins Bürgerbus Osteland. Haltestellen in Oldendorf, Bossel, Burweg, Blumenthal, Kranenburg, Brobergen, Gräpel, Estorf, Kuhla, Neu Kuhla und Himmelpforten werden immer zur gleichen Zeit angefahren, man kommt hin und wieder zurück.
Der Fahrplan der Linie 2927 ist eng getaktet, aber gut ausgetüftelt. Abends bei der allerletzten Tour gibt es eine Ausnahme: „Wir warten auf den Zug im Himmelpfortener Bahnhof“, berichtet Pusswald. Und der komme fast immer zu spät, weiß Lookhof aus seiner vierjährigen Erfahrung als Fahrer.
Es ist genau diese Flexibilität und Kundenfreundlichkeit, die der Ehrenamtliche an dem Projekt schätzt. „Und die Freundlichkeit kommt zurück.“ Auch junge Menschen grüßten und bedankten sich. Das Miteinander im Fahrzeug sei von gegenseitiger Wertschätzung geprägt.
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Wertgeschätzt fühlen sich die 20 Fahrer und vier Fahrerinnen auch vom Vorstand, und hier vor allem von Fahrdienstleiter Eckhard Wintersieg. Er organisiert die monatlichen Fahrertreffen und die gelegentlichen Vergnügungen, sorgt im permanenten E-Mail-Verkehr für rundlaufende Schichtpläne und wirbt für das Projekt.
Neue Mitstreiter sind immer willkommen. Vielleicht mag eine Mutter mit Schulkindern zwei Vormittagsschichten im Monat übernehmen, ein Berufstätiger dafür eher den Sonnabend präferieren, den die Rentner nicht so gerne „bedienen“. So etwas ist möglich im Team. Und je mehr sich engagieren, desto stabiler ist die Basis.
„Der Verein übernimmt die Kosten für den Personenbeförderungsschein“, erklären Pusswald und Wintersieg. Die liegen bei etwa 250 Euro. Dafür verpflichten sich Fahrer und Fahrerinnen, zwei Jahre mitzumachen. Genaue Auskünfte gibt der 2. Vorsitzende Wintersieg unter Telefon 0 41 44/ 77 77.
Für Fahrerin und Kassenwartin Ursula Männich-Polenz ist der Bürgerbus denn auch eine rollende Werbung für das Ehrenamt an sich. Auch sie erlebt viel Freundlichkeit und private Gespräche. „Keine Tour ist wie die andere“, erzählt sie von ihren Erfahrungen mit gestrandeten Wanderern, Gelegenheitsfahrern und ganz vielen Stammgästen. Und: Ursula Männich-Polenz spürt, dass das Verkehrsmittel ein echter Gewinn an Lebensqualität ist für Menschen, die nicht mobil sind.
Die Preise des Bürgerbusses Osteland sind zivil: Erwachsene zahlen für eine Fahrt zwei Euro, Kinder über sechs Jahre einen Euro. Der Preis reduziert sich auf die Hälfte, wenn es nur um eine Beförderung innerorts geht. Es gibt zudem preisreduzierte Zehnerkarten. Und: Schwerbehinderte mit entsprechendem Ausweis fahren kostenlos.
Über die Einnahmen (rund 11 000 Euro durch Fahrpreise) und Werbung (ebenfalls 11 000 Euro) werden die Betriebskosten gedeckt. Der Trägerverein ist ausgesprochen stolz, dass sich das Projekt selbst trägt und die Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten kein Defizit ausgleichen muss.
Der Bürgerbus startet jede Tour an der Haltestelle Lämmerhof (Edeka-Markt) in Oldendorf.
Die Werbung könne noch ausgebaut werden, sagt Pusswald. Die „Hingucker“ auf dem Monitor zum Fahrgastraum sind eine willkommene Abwechslung zum trüben Grau draußen. Werbespots machen Lust auf die Fähre Brobergen und Plates Osteblick in Gräpel, informieren über die Ortsapotheke und das Bauunternehmen. Die neueste Idee von Viktor Pusswald: Man könnte den Veranstaltungskalender der Samtgemeinde einblenden.
An diesem Nachmittag mit Fahrer Manfred Lookhof erreicht der VW den Kilometerstand 333 985. Das Fahrzeug kommt in die Jahre, Fahrer bemerken eine gewisse Klapprigkeit, es steht eine teure Reparatur an. Der Bus ist auf fünf Jahre ausgelegt, aber auch andere Vereine machen die Erfahrung mit diesem Modell, dass das recht hoch gegriffen ist, berichtet Ursula Männich-Polenz.
Daher will der Verein einen Antrag auf vorzeitige Erneuerung bei der Landesnahverkehrsgesellschaft stellen und ein Nachfolgefahrzeug anvisieren. Wahrscheinlich mit neuester Diesel-Technik. Die E-Technik sei noch nicht so weit, die zweistündige Mittagspause (in der zurzeit täglich getankt wird), reiche zum Aufladen nicht aus, bedauern die Betreiber.
- Der Verein Bürgerbus Osteland wurde 2012 gegründet, im August 2015 ging er an den Start. 2016 gab es 8110 Beförderungen, 2017 schon 10596, im Vorjahr 10709.
- 20 ehrenamtliche Fahrer und vier Fahrerinnen sind derzeit im Einsatz.
- Der Bus verbindet die Dörfer Bossel, Burweg, Blumenthal Kranenburg, Brobergen, Gräpel, Estorf und Kuhla mit Oldendorf und Himmelpforten (in beiden Hauptorten gibt es mehrere Einstiege). Touren starten montags bis sonnabends verlässlich um 8.08, 9.08, 10.08, 11.08, 14.08, 15.08, 16.08, 17.08, 18.08 in Oldendorf-Lämmerhof (Tiedemann) und enden dort.
- Der Bürgerbus ist Teil des öffentlichen Nahverkehrs und Konzessionär der KVG
- Der Bus darf nur acht Gäste befördern. Bei Überzahl muss auf die nächste Tour vertröstet werden. Das ist selten, aber manchmal am Bahnhof Himmelpforten der Fall.
- Alle Informationen stehen auf der Homepage: www.buergerbus-osteland.de