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Atelierbesuch bei Holzbildhauerin Barbara Uebel

Völlig unscheinbar liegt die kleine Reetdachkate an der Moorstraße von Nordkehdingen. Daneben ein alter Stall mit Schlachtraum. Heute ist hier die Werkstatt von Barbara Uebel, die am Wochenende im Freiburger Kornspeicher ausstellt.

Von Susanne Helfferich Donnerstag, 05.10.2017, 18:06 Uhr

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An der Wand hängen in Reih’ und Glied gut 80 Schnitzeisen, in allen Größen und Formen. An der anderen Wand Schraubzwingen. In der Ecke die 40 Jahre alte Schleifmaschine. Ein Regal mit Dosen und alten Marmeladengläsern. Darin Beizen, Farben, Farbpigmente, Leinöl oder Schellack. In einem anderen Regal Schleifpapier in unterschiedlichen Stärken. Und überall Holz – Erle, Linde, Eiche. Dazwischen knorrige Stücke uralter Mooreiche.

Seit 22 Jahren lebt und arbeitet die Holzbildhauerin Barbara Uebel in Hamelwördenermoor. Sie ist eine der Kunstschaffenden im Landkreis, die die Kulturszene entschieden prägten. In den Landkreis kam sie Anfang der 80er Jahre. Damals lernte sie den ehemaligen Stellmacher Regenbogen aus Estebrügge kennen, der ihr Raum für ein Atelier gab. Ein Glücksfall für die junge Bildhauerin, die gerade aus München in den Norden gekommen war. Denn der alte Mann verfügte über ein unerschöpfliches Wissen über Holz und über ein riesiges Holzlager. „Alles, was ich über Holz weiß, habe ich von ihm gelernt“, erzählt die heute 68-Jährige, „er hatte einen tollen Blick dafür.“ Und so legte er seiner Untermieterin immer mal wieder Hölzer auf die Hobelbank, die sie bis dahin nicht kannte, etwa Afzelia aus Afrika. Oder ein Stück Mooreiche – „ein wunderschönes, schwarzes Holz“. Es sei jedes Mal spannend gewesen, sich darauf einzulassen.

Wild und unbehandelt – ein Stück Mooreiche.

Bis heute fasziniert die Künstlerin jedes Holz neu. „Jedes Stück hat sein eigenes Innenleben“, sagt sie. Vielleicht ist mal ein Ast herausgewachsen oder es hat einen Schaden bekommen und verwächst sich wieder. Der Baum decke alles ab und dann, wenn sie mit dem Holz arbeitet, tauche es wieder auf. „Ich weiß gar nie, wo ich lande, wenn ich mit einer Arbeit anfange.“

Barbara Uebel arbeitet fast ausschließlich mit der Hand. „So arbeite ich langsamer und bin näher dran.“ Kettensägen sind ihr zu aggressiv. Gerade hat sie wieder ein Stück Mooreiche in Arbeit. Ganz wirbelig ist es in der Struktur und unglaublich hart, da es Jahrhunderte im Wasser gelegen und sich so verdichtet hat. Sie klemmt das Holz mit einer der vielen Schraubzwingen fest, greift zum Schnitzmesser und betrachtet sich das Holz konzentriert. „Für andere ist das vielleicht ein Stück Brennholz. Ich versuche da, Ordnung reinzubringen, mit dem Holz zusammen.“

Den künstlerischen Prozess beschreibt Uebel als Dialog mit der Materie, währenddessen diese zum Objekt wird. Unzählige Skulpturen sind so in den vergangenen 30 Jahren unter ihren Händen entstanden. Meist sind es sehr abstrakte Formen, oft nur in Ansätzen figürlich. Um so überraschender ist, dass die Ausstellungsstücke, die am Wochenende im Freiburger Kornspeicher zu sehen sein werden, sehr konkret sind. Unter anderem sind zwei Tänzerinnen in anmutiger Haltung zu sehen.

Bei diesen Arbeiten habe sie eher das Ziel im Blick gehabt als den Dialog, gibt die Künstlerin zu. Es habe sie gereizt diese Bewegung, die gleichzeitig Spannung und Lässigkeit ausdrücke, im Holz festzuhalten. Das herauszuarbeiten, die Fußhaltung oder die Hände so zu arbeiten, dass die Verhältnisse stimmen, das sei eine große Herausforderung gewesen. „Aber das habe ich ja auch gelernt.“ Schließlich hat sie in München zu einer Zeit Bildhauerei gelernt, als sie dort alle „Herrgottsschnitzer“ waren – also durch und durch figürlich.

Im Dialog mit dem Holz wird aus der urwüchsigen Materie ein Objekt.

Zurück zur Mooreiche. „Manchmal stelle ich mir vor, eine Ameise zu sein und in das Holz einzudringen“, sagt Barbara Uebel mit Blick auf die verwachsene Struktur. Konzentriert und mit viel Kraft arbeitet sie sich voran. Ein hartes Stück Arbeit. Auch sei es anstrengend, immer auf dieses schwarze Holz zu sehen, sagt sie. Wenn sie sich einem Stück Linde zuwendet, sei das reine Erholung. „Das geht wie Butter“, sagt sie und strahlt.

„Moment mal eben“ heißt die Ausstellung des Kehdinger Kunstvereins im Kornspeicher. Vernissage ist am Sonnabend, 7. Oktober, um 14 Uhr bis 18 Uhr geöffnet). Hanns-Henning Keese gibt eine Einführung. Am Sonntag ist sie von 11 bis 18 Uhr geöffnet.

Mit der Serie (Ein-)Blick verschafft das TAGEBLATT den Lesern Zugang zu den Ateliers der bildenden Künstler der Region. Wie sehen die Arbeitsstätten der Maler und Bildhauer aus? Welche Werkzeuge verwenden sie und wie sieht eigentlich der Arbeitsalltag der Kunstschaffenden aus? Und woher holen sie sich Inspiration? Diese und mehr Fragen beantwortet die Kulturredaktion mit einem Blick hinter die Kulissen.

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