Borstel – kleiner Hafen mit großer Geschichte

Vergangenheit: Blick in den Borsteler Hafen um 1900, im Hintergrund ist der Dampfer zu sehen. Foto Altländer Archiv der Gemeinde Jork
Der Borsteler Hafen war über Jahrhunderte das Zentrum des Handels in der Zweiten Meile Alten Landes – vor gut 100 Jahren lagen noch 70 Schiffe regelmäßig vor Anker. Bei der verheerenden Cäcilienflut war das Dorf Zesterfleth untergegangen.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Ungefähr 30 000 Menschen starben bei der Sturmflut vom 21. November 1412. Die Schiffslände wurde nach Borstel verlegt. Im 17. Jahrhundert gewann der Hafen an Bedeutung, Getreide, Meerrettich und Obst und vieles mehr wurden vor allem nach Hamburg transportiert. Am Ufer entstanden im 18. und 19. Jahrhundert erst die Hartje-Werft, später die Ritscher-Werft. Die ersten Schiffszimmerer wurden 1675 erwähnt.
Bereits 1750 hatten sich die Schiffer aus Borstel und Umgebung zu einer Schiffergenossenschaft zusammengeschlossen, diese betrieb den Hafen bis 1930. Die Ewer dominierten den Borsteler Hafen. Mit ihren Ewern, Jollen und Kähnen brachten die Schiffer unter anderem Obst, Branntwein, Ziegelsteine, Mehl, Vieh und andere Erzeugnisse vorwiegend nach Hamburg. 1824 waren 82 Schiffe in Borstel registriert, bis nach St. Petersburg. London, Amsterdam, Stockholm und Danzig reichten die Handelsbeziehungen.
Von 1896 bis 1952 verkehrten Dampfer – wie der Schraubendampfer „Borstel I“ – täglich zweimal zwischen Borstel und Hamburg und dem gegenüberliegenden Elbufer. Die Dampfer dienten dem Fracht- und dem Personentransport. Die Reste der Dampferbrücke sind noch zu sehen – im Naturschutzgebiet Borsteler Binnenelbe. 1953 wurde die Fährverbindung eingestellt.
In unmittelbarer Nachbarschaft lag die 1861 gegründete Wehrtsche Ziegelei mit ihrem großen Ringofen. Mit ihren Ziegeln erbauten die Hamburger unter anderem die Speicherstadt. In der Kaiserzeit war der Hafen Borstel als Tor zum Alten Land ein beliebtes Ausflugsziel für die Hamburger, beim Pfingstmarkt wurde am Hafen und in den Gaststätten wie „Pickenpack“ kräftig gefeiert.
Infolge des Straßenbaus und des Siegeszugs der Lastwagen mit Gummireifen, die sich immer mehr durchsetzten, verlor der Borsteler Hafen an Bedeutung. Um 1925 hatte dieser seine eigentliche Blüte bereits hinter sich. Nach dem Ersten Weltkrieg ging es bergab. Davon zeugt das traurige Borsteler Lied von Ferdinand und seiner „Amazone“ von 1928. Schiffer Ferdinand fuhr Stroh über Borstel von Krautsand nach Hamburg. Doch er hatte lange keine Aufträge mehr, sodass er schließlich eines Winters aus der Armut heraus sein eigenes Schiff zerlegen lassen musste. In dem Lied hieß es: „Stolzer Segler Amazone, der die See durchfurcht‘ so stolz, wirst bei Ritscher nun zum Lohne kleingemacht zu Feuerholz.“ Im Jahr 1952 wurden in Borstel noch nur 1888 Tonnen Obst umgeschlagen. Die Sturmflut 1962 versetzte dem Hafen den Todesstoß. Im Zuge der Eindeichung der Borsteler Binnenelbe und Hahnöfersands wurde der Hafen 1970 von der Elbe abgetrennt.
2003/2007 erweckte der Verein Borsteler Hafen den Hafen aus seinem Dornröschenschlaf. Bis zu 2000 Besucher besichtigen in der Saison die Tjalk Annemarie, die von 1925 bis 1938 Altländer Obst transportierte.
Gegenwart: Lediglich die 1893 in Holland gebaute Tjalk Annemarie – gepflegt vom Verein Borsteler Hafen – liegt noch im Hafen, von 1925 bis 1938 transportierte der Obstbauer Johann Barfels aus Höhen damit Obst von der Lühe zum Markt am Hamburger Messberg. Foto Vasel