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Bürger wollen keinen Markt-Klotz

Bei einem Abend der Initiative „Rettet den Steinmetzpark“ in Himmelpforten sind Informationen geflossen, auf die die Öffentlichkeit schon lange wartet. Es rundete sich ein Bild von der Gemengelage um das neu geplante Einkaufszentrum.

Von Jutta Eidtmann Donnerstag, 28.01.2016, 14:15 Uhr

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Klar wurde am Mittwochabend in der von über 50 Personen besuchten Veranstaltung: Das von der Bünting AG geplante Zentrum hat Befürworter wie Gegner, es wirbelt den bestehenden Handel auf und es gibt mächtige Bauhürden.

.Die Initiative „Rettet den Steinmetzpark“ setzt sich aus Bürgern, Grünen, BUND, Nabu und Fledermausexperten zusammen. Sie ist angetreten, das Wäldchen am Steinmetzhaus vor dem Abholzen zu bewahren. Für die Entwicklung des Supermarktzentrums der Bünting AG ist diese freie Fläche unverzichtbar. Der Konzern mit Sitz in Ostfriesland braucht ein großes Gelände. Er will dort einen Combi-Markt samt Shops, einen neuen Aldi, eine Drogerie, einen Fachmarkt, Lagerräume und große Stellflächen anordnen.

Das Steinmetzgelände gilt als Keimzelle des Christkinddorfes. Hier zwischen Mühle, Kirche und Horsterbeck stand das Zisterzienser-Kloster, dessen Pforte (Porta Coeli) das Wappen der Gemeinde ziert. Das privat von den Steinmetzhausbewohnern genutzte Gartengelände hat einen alten Baumbestand. Er bietet, so vermutet Biologin Alisa Steinberger von der Initiative, einen Lebensraum für unter Schutz stehende Eulen- und Fledermausarten. Da sei es für Gemeinde und Investoren nicht so einfach, einen derart massiven Eingriff durchzusetzen.

Offensichtlich haben Gutachten genau das ergeben. Bürgermeister Bernd Reimers, der sich erst auf Aufforderung und gegen Ende der dreistündigen Veranstaltung äußerte, berichtete, dass Bünting und Planer Uwe Cappel in Verhandlungen mit der Umweltbehörde des Landkreises seien. Reimers kündigte an, dass man demnächst gemeinsam informieren und Erklärungen liefern würde. Er geht davon aus, dass die Bünting AG einen neuen Plan vorlegt, der von der Ursprungskonzeption abweicht. Die Gemeinde ist in diese Vorarbeiten nicht involviert, werde aber „stark verhandeln“, wenn es um den Bebauungsplan gehe.

Genau das ist die Aufforderung der grünen Politiker Ursula Männich-Polenz, Peter Wortmann und Viktor Pusswald, die sich das Zentrum an der Bahnhofstraße eine Nummer kleiner wünschen und Bürgerbeteiligung anmahnen. Die Gastgeber des Abends, die von einigen ungehaltenen Gästen höchst ungehörig angegangen wurden, entwickelten die Vision eines inhabergeführten Einkaufsmarktes mit vorgelagerter kleiner Markthalle für regionale Anbieter. „Wir möchten etwas, das alle Generationen im Ort und auch Touristen begeistert“, so Viktor Pusswald.

Ursula Männich-Polenz will ein Gleichgewicht im Ort bewahren, denn sie vermisst bei der Debatte um Bünting den Blick zum Sky-Markt an der Marktstraße. Die Grüne hat Sorge, dass Sky den Wettbewerb verliert und „wir dort eine Brache bekommen.“ Zwar sagt das Einzelhandelsgutachten aus, dass Himmelpforten zwei Vollsortimenter und zwei Discounter verträgt. Aber Bünting will mit einer Verkaufsfläche zwischen 4000 und 5000 Quadratmetern alle Möglichkeiten ausschöpfen. Und da prognostiziert der Gutachter denn doch einen harten Wettbewerb der Anbieter.

Die Coop eG als Betreiber des Sky-Marktes, das kündigte Projektentwickler Daniel Goldner als geladener Gast des Infoabends in der Villa von Issendorff an, reagiert auf die Entwicklung im Ort und wird ihren Markt mit einem siebenstelligen Betrag neu aufstellen. Vorher, so Goldner, sei das Verhältnis im Ort (hier Sky, dort Rewe/Aldi) ausgewogen gewesen, mit der aktuellen Planung sei man „klar benachteiligt.“ Auch ein Sprecher der Völkelgruppe, die Vermieter des Komplexes ist, kündigte an, die Attraktivität des Standortes erhöhen zu wollen.

„Ich werde leiden“, bekennt auch ganz klar Michael Tiedemann, Betreiber des Edeka-Marktes in Oldendorf, der bis nach Himmelpforten ausstrahlt. Er sieht das Bünting-Vorhaben für Himmelpforten „überdimensioniert. „Es ist einfach zuviel des Guten.“ Auch die Edeka-Kette hatte seinerzeit einmal Interesse am Standort gezeigt und Ideen entwickelt. „Da ist man aber nicht weiter gekommen.“ Jetzt sei das keine Option mehr.

„150 Meter Fassadenfront – das ist so lang wie bei Marktkauf in Stade“, auch aus dem Publikum kamen Bedenken gegen einen „Klotz“, den man so nicht brauche und der sich vermutlich auch gar nicht rentiere. Es gab mehrere Vorschläge zur Reduzierung.

Doch eine wesentlich abgespeckte Variante rechnet sich für Bünting nicht, warf Hans Wehber ein. Der Vorsitzende der Werbegemeinschaft „Himmelpforten hat’s“ und Nachbar führte aus, dass der Erwerb der Altimmobilien, der Abriss, die Geländeniveuanpassung und die Neubauten so teuer kämen, dass es sich für den Investor nur auszahle bei größtmöglicher Ausnutzung der Fläche. Wehber beschwor die Seriosität und Finanzkraft der Bünting AG, die als einziger Investor übrig geblieben sei. Auch Ratsherr Ludwig Oellerich warnte: „Er könnte abspringen.“

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