Bundesverwaltungsgericht bremst Weiterbau der A 20 vorerst aus
Verkehrspolitische Klatsche für Schleswig-Holstein vor dem Bundesverwaltungsgericht: Der Planfeststellungsbeschluss für ein 19,9 Kilometer langes Teilstück von der A 7 bis Wittenborn im Kreis Segeberg sei „rechtswidrig und nicht vollziehbar“, entschied das Gericht.
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Die Richter hegten vor allem wasser- und artenschutzrechtliche Bedenken, sahen aber auch den Schutz des Fledermaus-Winterquartiers „Segeberger Kalkberghöhle“ nicht hinreichend berücksichtigt. Die Auswirkungen des Autobahnbaus hätten in einer Verträglichkeitsprüfung untersucht werden müssen.
„Der Stopp für die Umsetzung der Planung zu A 20 in dem Abschnitt in Schleswig-Holstein ist ärgerlich, da die Planfeststellung vom Gericht im Grundsatz bestätigt worden ist“, urteilt Enak Ferlemann (CDU), Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr. Jetzt müssten die zu ergänzenden Unterlagen zügig erarbeitet werden. Ferlemann: „Das Urteil zeigt erneut den großen Veränderungsbedarf im deutschen Planungsrecht.“
„Das Urteil aus Leipzig hat keine Auswirkungen auf unsere Planungen“, sagt Sebastian Mannl, Leiter der Projektgruppe A 20 der Landesbehörde für Straßenbau in Oldenburg. Die vom Bundesverwaltungsgericht beanstandeten Punkte seien in den Verfahren auf niedersächsischer Seite bereits berücksichtigt. „Inhaltlich haben wir das alles drin“, sagt der Planungschef. Auch zeitlich sieht der Planungschef noch keine Beeinträchtigungen, weil die A 20 in beiden Bundesländern unabhängig voneinander geplant werde.
Das planerisch verbindende Element ist der 5,6 Kilometer lange Elbtunnel. Zwei Tunnelbohrmaschinen mit einem Durchmesser von 14 Metern sollen sich von Nord nach Süd unter der Elbe durchgraben. Die Bauzeit soll sechs Jahre betragen. Obwohl ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss vorliegt, ist noch nicht klar, wann die ersten Arbeiten beginnen können. Nach dem derzeitigen Stand der Planung soll die Ausschreibung 2020 erfolgen. Das sich an den Elbtunnel anschließende Autobahnkreuz Kehdingen ist auch noch in der Planungsphase, das Planfeststellungsverfahren läuft zurzeit.
Die A 20 soll im Endausbau von der A 28 bei Westerstede in Niedersachsen bis nach Gramzow im Nordosten Brandenburgs führen. Allerdings ist bisher erst der östliche Teil fertig gestellt (und im Bereicht Tribsees bereits wieder ins Moor abgesackt). Insbesondere die Nordwestumgehung Hamburgs, die Elbquerung bei Glückstadt und der niedersächsische Teil fehlen bislang. Geht es nach den Gegnern, soll das auch so bleiben: Sie halten die von der Wirtschaft geforderte Projekt für überdimensioniert, monieren Naturzerstörung und Flächenfraß. Die Befürworter sehen in der Strecke eine Lebensader für die norddeutsche Wirtschaft und eine wichtige Anbindung des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) kündigte an, auf die Umweltverbände zuzugehen. „Wir müssen einfach in Zukunft besser und sauber arbeiten“, sagte Günther am Dienstag. Die Entscheidung der Richter bezeichnete Günther als bitter. Sie bedeute für den Abschnitt weitere Verzögerungen von zwei oder drei Jahren. „Das ist kein schöner Tag“, sagte Günther. Die A 20 sei nicht vor 2030 fertigzustellen.
Das niedersächsische Verkehrsministerium von Bernd Althusmann (CDU) betonte, dass man sich weiter für ein schnelles Voranschreiten des Ausbaus einsetzen werde. „Jede weitere Verzögerung dieses wichtigen norddeutschen Infrastrukturprojekts ist bedauerlich“, sagte eine Sprecherin Althusmanns. Für Niedersachsen habe das Urteil jedoch nur insofern Bedeutung, „als dass die Urteilsbegründung sorgfältig analysiert wird", betonte sie. „Wenn das Urteil Kritikpunkte thematisiert, die bei niedersächsischen Projekten ebenfalls relevant sein könnten, kann bei zukünftigen Planungen aus solchen Urteilen gelernt werden“, sagte die Sprecherin. In Niedersachsen gehe das Projekt voran: Zwar würden dieses Jahr wohl noch keine Bagger rollen, doch man habe bereits mit der Schaffung von Ausgleichsflächen begonnen – unter anderem für die Fledermaus.