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Foto-Fälschung auf Flyer

Das AfD-Krawallfoto schlägt hohe Wellen

„Urheberrechtsverletzung“ und „Fälschung“ nannte das TAGEBLATT das Foto auf einem AfD-Flyer zur Inneren Sicherheit im Kreis – die AfD ist sich aber keiner Schuld bewusst. Medienrechtler sagen, was Sache ist.

Von Wolfgang Stephan Dienstag, 06.09.2016, 19:11 Uhr

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Nachdem das TAGEBLATT am Sonnabend über die Verwendung eines Fotos von Krawallen in Griechenland auf einem Flyer der AfD zur Sicherheit im Kreis Stade berichtet hat, erreicht der Fall bundesweite Bedeutung in den Medien. Die AfD wehrt sich und spricht von einem „Versuch der Kriminalisierung“.

Zum Hintergrund: Unter der Überschrift: „Innere Sicherheit im Landkreis Stade“ ist auf einem Wahlflyer der AfD ein Foto zu sehen, auf dem ein Demonstrant einen Polizisten prügelt. Im Foto steht der Text „Rechtsstaat am Boden.“ Mit einem Bildbearbeitungsprogramm wurde dem Mann auf dem Foto ein Aufnäher-Logo der linken Gruppe „Antifaschistische Aktion“ verpasst und so suggeriert, es handele sich um einen linken Aktivisten aus Deutschland.

Fakt ist: Die Prügelszene wurde nicht in Stade aufgenommen, sondern im Jahre 2009 in Athen. Der Fotograf Milos Bicanski hatte dieses Foto der internationalen Fotoagentur Getty Images zur Verfügung gestellt. Weder von Milos Bicanski noch von Getty Images hat die AfD die Fotorechte gekauft. Auf dem Flyer gibt es auch keinen Hinweis auf den Fotografen und die Bildrechte, auch nicht auf die Bearbeitung/Verfälschung des Fotos.

Das sagt die AfD dazu: „Das beanstandete Bild ist zweifelsfrei ein Symbolbild“, so eine Erklärung auf der Homepage der Partei. Weiter heißt es: „Es trägt eine eigene Bildüberschrift. Dem unvoreingenommenen Betrachter wird durch dieselbige sofort deutlich, dass mit dem zu Boden fallenden Polizeibeamten der Rechtsstaat versinnbildlicht wird. Bei der bewusst eingesetzten Bilddatei handelt es sich um eine seit Jahren im Weltnetz befindliche, stark verfremdete Arbeit eines unbekannten Künstlers, welcher sich offensichtlich das 2009 bei Krawallen in Griechenland entstandene und später im ‚The Guardian‘ veröffentlichte Foto von Milos Bicanski zum Vorbild genommen hat.

Den Vorwurf der Bildfälschung weisen wir zurück. Die Fragestellung, wann aus einem von einer Originalvorlage inspirierten Motiv ein ‚Werk eigener Art‘ wird, ist in der Rechtssprechung umstritten und vom Einzelfall abhängig.“

Das sagen die Experten: Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke ist einer der profiliertesten Medienrechtler der Republik. „Fremde Fotos dürfen nie ohne Einwilligung des Rechteinhabers veröffentlicht werden. Die Nutzung von Bildern, die im Internet zu finden sind, ist daher in der Regel nicht möglich. Es bedarf der ausdrücklichen, idealerweise sogar der schriftlichen Zustimmung des Urhebers. Dies hat hier ganz offensichtlich nicht stattgefunden. Im Übrigen sind auch Symbolbilder urheberrechtlich geschützt. Es kommt für einen urheberrechtlichen Schutz selbstverständlich nicht darauf an, dass bei dem Foto explizit dabei steht, dass dieses Foto geschützt ist. Im vorliegenden Fall hätte man ganz eindeutig im Vorfeld die Einwilligung des Urhebers einholen müssen. Zudem muss derjenige, der ein fremdes Foto verwendet, zwingend auch den Fotografen benennen. Darüber hinaus liegt hier eine Bearbeitung des Fotos vor. Auch die leichte Veränderung des Fotos ändert nichts an der unzulässigen Verwendung. Trotz der Veränderung bleibt es ein fremdes Foto. Hieraus resultieren Ansprüche des Urhebers sowohl auf Auskunft, als auch auf Unterlassung und Schadensersatz.“

Der Dozent für Bildrechte, Christian Eggers aus Kiel, sagt: „Der Nutzer räumt ein, dass er das Bild aus dem Netz herunter geladen hat und es ohne Zustimmung des Fotografen verwendet. Auch wenn ein Foto als Symbolbild eingesetzt wird, bedarf es zur Veröffentlichung der Erlaubnis (Lizenz) des Urhebers. Diese benötigt der Bildnutzer auch für die Veränderung von Bildinhalten. Ungefragt wäre die Montage eine Verletzung der Rechte des Fotografen: Das Urheberrecht verbietet Veränderungen von Bildinhalten (Entstellung des Werkes, § 14 UrhG) ohne die Zustimmung des Fotografen. Der Bildnutzer beruft sich weiter auf das Recht ein „verwaistes Foto“ nutzen zu dürfen. Dieses kann dann der sehr seltene Fall sein, wenn der Urheber unbekannt ist und er nicht zu ermitteln ist. In Deutschland ist aber auch dann eine Urheberrechtsverletzung gegeben, wenn der Nutzer hohen Aufwand betrieben hat, um den Urheber ausfindig zu machen.“

Fazit: Die „Welt“ schrieb gestern: „AfD wirbt mit geklautem Foto für mehr Sicherheit.“ Umgekehrt ist die Botschaft schlimmer: Mit einem illegal erworbenen und gefälschtem Foto wird Angst im Landkreis geschürt.

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