Das Bier aus Moritz Bartmers Gerste

Moritz Bartmer hält ein Glas Gerste, Braumeister Marco Hacker ein Glas Bier. Dazwischen steht der Prototyp der patentierten Mälzanlage. Foto: Richter
Schon sein Großvater baute auf Gut Immenbeck Braugerste an. Aber Moritz Bartmer wusste bisher nie, was für Bier daraus wird. Das ändert sich jetzt, und zwar durch seine einzigartige, selbst entwickelte Mälzanlage.
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(Korrektur im 6. Absatz: Bartmer bekommt für eine Tonne Gerste - nicht Malz - 230 Euro)
Wenn er in der Schule früher erzählte, dass auf seinem Hof Braugerste angebaut wird, sagten die Mitschüler immer: „Oh, cool. Wo gibt’s denn das Bier?“ Die Antwort hätte er gerne gegeben, berichtet Moritz Bartmer. Aber die Gerste ging stets an Zwischenhändler weg. In welcher Brauerei und welchem Bier das Malz daraus landete, erfuhr sein Vater nie.
So kam Bartmer auf eine Idee, die ihn seither nicht mehr losließ: aus seiner Gerste eines Tages selbst Malz herzustellen. Er sah sich in der Branche um und stellte fest, dass es keine kleinen Mälzer gab, sondern nur große, industrielle Mälzanlagen. Dort bestand kein Interesse daran, kleine Mengen von Gerste eines bestimmten Ursprungs zu verarbeiten. Diese Anlagen verarbeiten eine Tagescharge von 300 Tonnen – so viel erzeugt Moritz Bartmer in einem ganzen Jahr.
Es war der Craft-Beer-Trend, der ihn bewog, seine Idee weiterzuverfolgen und es selbst mit der Mälzerei zu versuchen. Denn bei einem handwerklichen Bier musste der Gedanke naheliegen, auch den Mälzungsprozess transparent und zurückverfolgbar zu gestalten – bis hin zur Braugerste. Aber bisher arbeiten selbst die kleinen Craft-Beer-Brauereien in der Regel mit Einheitsmalz aus großen Industrieanlagen. Bartmer las sich also schlau und legte zunächst mit einem ganz gewöhnlichen Betonmischer los. Damit knüpfte er an die traditionelle, aber heute fast vergessene Technik der Trommelmälzerei an.
Ein Mälzvorgang dauert vier bis fünf Tage. Dazu gehören mehrere Schritte: erstens das Waschen und Einweichen der Körner, zweitens das Keimen, das die Bildung essentieller Enzyme im Korn aktiviert. Dabei sinkt der Stärkeanteil, der Zuckeranteil steigt. Der dritte Schritt ist das Darren. Es stoppt den Keimvorgang und beim kontrollierten Lufttrocknen entstehen die malztypischen Farb- und Geschmacksstoffe. Am Ende steht das Putzen und Polieren, wobei die inzwischen gewachsenen Wurzel- und Blattkeime von den Malzkörnern abgetrennt werden.
Das Prinzip funktioniert auch im Betonmischer, stellte Moritz Bartmer fest. Damit war die Idee für „Landmalz“ geboren – eine Anlage, mit der Landwirte wie er auf ihrem Hof ihr eigenes Malz herstellen können.
Ein Landwirt kann durch das Mälzen mehr Wertschöpfung auf dem eigenen Hof erzielen: Für eine Tonne Gerste bekommt Bartmer zurzeit 230 Euro, für eine Tonne Malz vier- bis fünfmal so viel, schätzt er.
Um die Technik zu perfektionieren und sich zu professionalisieren, holte er sich Hilfe und fand sie bei Dr. Ralf Wicke, Bauingenieur bei der Maschinenbaufirma Herbst in Buxtehude, sowie bei Frank Schilling,, einem gelernten Mälzer und Lebensmitteltechniker beim Deutschen Lebensmittelinstitut in Quakenbrück. Das Bundeswirtschaftsministerium förderte das Projekt finanziell im Rahmen des „Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand“. Herausgekommen ist dabei der Prototyp einer kompakten und effizienten Trommelmälzanlage. Das Patent für Europa hat Bartmer sich bereits gesichert.
Einzigartig ist, dass hier der gesamte Mälzprozess in einer einzigen Anlage bewältigt wird. Bisher mussten dafür drei bis vier verschiedene Geräte benutzt werden. Dank der Trommeldrehung wird das Korn beim Waschprozess besonders sauber, was sich auf die Malzqualität auswirkt.
Außerdem arbeitet die Anlage aromaschonend und verbraucht 20 Prozent weniger Energie als die herkömmlichen Anlagen. „Wer Mälzanlagen kennt, weiß, wie es beim Darren nach Malz duftet“, erläutert Bartmer. Bei seiner Anlage ist das – dank eines Extra-Isoliermantels – nicht so. Der Effekt: Mehr Aromastoffe bleiben im Malz. Für seine Entwicklung hat Bartmer, wie berichtet, bereits den „Ceres Award“, eine der wichtigsten Auszeichnungen für Landwirte, in der Kategorie „Geschäftsidee des Jahres 2017“ gewonnen. Nicht nur er, sondern in erster Linie auch andere Gersten-Anbauer sollen von seiner Idee profitieren können.
Es geht aber nicht darum, die Anlage einfach zu verkaufen. Damit aus der Gerste auch qualitativ hochwertiges Malz wird, will Bartmer einen Landmalz-Verbund schaffen. Ausgesuchte Landwirte können die Anlage dann leasen, werden im Umgang damit geschult und bei Saatgutauswahl, Anbau, Ernte und Vermarktung unterstützt.
„Bisher ist die Resonanz vielversprechend“, sagt Moritz Bartmer, der den Prototyp der Landmalz-Anlage ab 13. November auf der BrauBeviale, der wichtigsten Fachmesse der Getränkewirtschaft, präsentieren wird und mit regem Interesse besonders bei Craft-Beer-Brauern rechnet.
Auf Gut Immenbeck ist er schon einen Schritt weiter: Mit dem Braumeister Marco Hacker, der früher bei Carlsberg beschäftigt war, hat er bereits jemanden gefunden, der sein Projekt mit ihm umsetzt. Hacker hat aus Bartmers Gerste schon das erste Bier gebraut. Es ist blond, heißt „Immenbecker“, zeigt auf seinem Etikett das Uhrenhaus des Gutshofs – und es schmeckt gut. Eine Anlage, mit der fünf Tonnen pro Mälzvorgang bewältigt werden können, ist in Arbeit und soll auf Gut Immenbeck bei der nächsten Ernte zum Einsatz kommen – in der „Landbrauerei Hacker“ auf Gut Immenbeck.