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Buxtehude

Debatte um geplanten Syrien-Vortrag auf der Halepaghenbühne

Die Stadtteileltern waren stolz, dass es ihnen gelungen war, den viel gelobten Multimedia-Vortrag „Syrien. Ein Land ohne Krieg“ nach Buxtehude zu holen. Doch nun sind sie enttäuscht: Die Stadt hat untersagt, ihn auf der Halepaghen-Bühne zu zeigen.

Von Anping Richter Dienstag, 29.01.2019, 19:59 Uhr

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„Das ist kein politischer Vortrag“, sagt Dr. Dunja Sabra von den Stadtteileltern. Als der preisgekrönte Reisejournalist Lutz Jäkel zusagte, sei die Freude groß gewesen, berichten Sabra und ihre Mitstreiterin Birgit Wilhelmy. Schon vor vier Wochen hatten sie deshalb die Halepaghen-Bühne für den Multimedia-Vortrag angefragt, nach einer letzten Nachfrage bei der Bürgermeisterin selbst am Wochenende nun aber eine endgültige Absage kassiert. Die Begründung: Politische Veranstaltungen seien auf der Halepaghen-Bühne nicht erlaubt. Als Alternative bot die Stadt das Deck 1 der Malerschule an, das für solche freigegeben sei.

Das allerdings fasst statt 500 Zuschauern nur 199. Allein die Syrer und interessierte ehrenamtliche Helfer hätten diesen Rahmen gesprengt, sagt Dunja Sabra. Die Stadtteileltern hatten sich aber gewünscht, dass möglichst viele Buxtehuder die Gelegenheit haben, durch Jäkels Live-Reportage das Syrien vor dem Krieg mit seiner Gastfreundschaft, den altehrwürdigen Souks und Kulturschätzen zu erleben.

„In den vergangenen zwei, drei Jahren waren wir sehr mit der Flüchtlingsarbeit beschäftigt“, sagt Birgit Wilhelmy. Die Stadtteileltern, zu denen inzwischen auch mehrere Neubürger aus Syrien gehören, waren froh, wieder Luft für andere Projekte zu haben. Jetzt fühlten sie sich ausgebremst und ungleich behandelt. Bei der Ablehnung sei ihnen gesagt worden, sie könnten auf der Halepaghen-Bühne aber jederzeit gerne einen Vortrag über Finnland veranstalten. Zudem entstand bei Sabra und Wilhelmy in den Gesprächen mit der Stadt der Eindruck, dass diese in Reaktion auf den Vortrag Probleme vonseiten der AfD befürchte. Lutz Jäkel bezog sich nach einem Gespräch mit Sabra in einem Beitrag in den sozialen Netzwerken darauf, der vielfach kommentiert und geteilt wurde.

Die Stadtteileltern wurden mehrfach für ihre Arbeit ausgezeichnet: 2012 mit dem niedersächsischen Integrationspreis und 2015 im Bundeswettbewerb des „Bündnisses für Demokratie und Toleranz“. Ihr jüngstes Projekt habe in diesem Sinne einen durchdachten Hintergrund, versichert Dunja Sabra: „Das Bild der Mehrheitsgesellschaft von Syrien ist heute vor allem mit Krieg und Zerstörung verbunden. Aber vor dem Krieg war es ein Land mit reicher Kultur, in dem jahrhundertelang viele Ethnien friedlich miteinander gelebt haben. Viele Buxtehuder Syrer wären froh, ihren Mitbürgern auch dieses Land nahebringen zu können.“

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Der Journalist, Islamwissenschaftler und Historiker Lutz Jäkel hat in Damaskus studiert. Seine Fotos und Reportagen erscheinen unter anderem in „Stern“, „Spiegel“, „National Geographic“ und „Geo“. Den Vortrag „Syrien. Ein Land ohne Krieg“ moderiert er im Stil einer Live-Reportage, in der auch Syrer, Deutsch-Syrer und Deutsche in kurzen Videos von ihrem persönlichen Syrien jenseits des politischen Systems berichten. Jäkel hat den Vortrag schon in 36 deutschen Städten gezeigt – „bisher ohne Kontroversen und mit viel positiver Resonanz“, wie er berichtet. Er wolle damit kulturelle Brücken bauen und einen kleinen Beitrag zur Völkerverständigung leisten. Mit der Publizistin Lamya Kaddor hat er unter gleichem Titel einen Bildband herausgegeben, der mit dem Buchpreis der Berliner Tourismusmesse ITB ausgezeichnet wurde.

Wie Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt erklärt, sieht sie die Entscheidung ihrer Mitarbeiter, die Veranstaltung als politisch einzustufen, als völlig richtig an. Gemäß Ratsbeschluss seien politische und religiöse Veranstaltungen für Schul-Bühnen seit 2017 nicht mehr zulässig. Seither müssten die Mitarbeiter sorgfältig recherchieren und abwägen und hätten das auch hier getan: „Aus unserer Sicht werden von Herrn Jäkel bei diesem Vortrag ganz klar politische Akzente gesetzt, die oft in Diskussionen münden.“ Mit einer bestimmten Partei habe die Entscheidung nichts zu tun, sagt Oldenburg-Schmidt.

Den Vorwurf der Ungleich-Behandlung weist sie von sich: „Niemand will die Stadtteil-Eltern nicht gut und mit anderen gleich behandeln. Im Gegenteil: Wir haben viel dafür getan, dass sie sich hier wohlfühlen“, sagt Oldenburg-Schmidt. Sie betont, dass ihnen das Deck 1 sofort angeboten worden sei. Die Stadtteileltern hatten wegen des Vortrags, der für den 27. April in Buxtehude vorgesehen war, auch in Stade angefragt. Dort wird er am Freitag, 26. April, in Kooperation mit der Diakonie in der Seminarturnhalle für bis zu 199 Zuschauer über die Bühne gehen; die Vereinbarung verlief problemlos.

{picture2s} Für Buxtehude hoffen Jäkel und die Stadtteileltern noch, einen größeren Veranstaltungsraum zu finden – ob städtisch oder nicht. Sie haben auch alle Fraktionen angeschrieben. Die Grünen haben dazu bereits eine Anfrage gestellt, und der frühere Kulturausschussvorsitzende Joachim Buttler äußert sein Unverständnis über die Entscheidung in einem offenen Brief an die Bürgermeisterin – zu lesen auf:

www.tageblatt.de

 

Offener Brief an die Bürgermeisterin von Buxtehude

Sehr geehrte Frau Oldenburg-Schmidt,

mit Unverständnis habe ich zur Kenntnis nehmen müssen, dass Sie dem anerkannten und mehrfach ausgezeichneten Journalisten und Fotokünstler Lutz Jäkel die Halepagen-Aula als Veranstaltungsort für einen Multimedia-Vortrag verweigert haben. Das Thema seines Vortrages: „Syrien – ein Land ohne Krieg“. Unter dem gleichen Titel erschien im Piper-Verlag ein Buch mit den Fotos von Herrn Jäkel. Im Internet findet man darüber folgende Beschreibung:

„Syriens Reichtum liegt in seiner Geschichte, seiner Kultur und seinen Menschen. Stets verband das Land Orient und Okzident; zahlreiche Völker und Religionen haben ihre Spuren hinterlassen. Mitreißend dokumentieren die ausdrucksstarken Fotos von Lutz Jäkel den Alltag, bevor 2011 die Aufstände gegen das Regime begannen und ein grausamer Krieg folgte.“ Es geht also um die unvergleichliche Schönheit und die herausragenden Kunst- und Architekturschätze Syriens, wie wir sie vor dem Krieg kennenlernen konnten. Das Buch erhielt übrigens den ITB (Internationale Tourismusbörse Berlin) Award 2018.

Sehr geehrte Frau Oldenburg-Schmidt, ich selbst habe lange Jahre Kunst- und Kulturreisen veranstaltet. Für 2011 hatte meine Firma eine Reise zu den Kulturschätzen Syriens vorbereitet. Sie war komplett ausgebucht und dann konnten wir wegen des Bürgerkrieges nicht reisen. Gern hätte ich mir die herausragenden Fotos Lutz Jäkels hier zu Hause angesehen und seine Erlebnisberichte gehört.

Wenn Sie heute dieser Veranstaltung die Halepagen-Aula verweigern mit dem Argument, schulische Räume stünden laut Ratsbeschluss politischen Veranstaltungen nicht zur Verfügung, dann ist das in zweierlei Hinsicht nicht nur ungeschickt, sondern auch bedenklich:

1. Mit welchem Recht maßen Sie sich an, diese Veranstaltung als politisch zu zensieren? Haben sie das entsprechende Buch (siehe oben) dazu überhaupt zur Kenntnis genommen? „Politisch“ ist hier doch nur die Sehnsucht, der Krieg möge endlich enden, damit die Kunst- und Architekturschätze, wenn möglich, wieder aufgebaut werden können. Wollen Sie diese Friedenssehnsucht in Buxtehude verbieten?

2. Die Halepagen-Aula ist sowohl Schulaula als auch Theatersaal der Stadt. Somit unterliegt sie nicht nur den schulischen sondern auch den kulturellen Belangen der Stadt. Als die Gelder für den Ausbau der Aula zur Theaterspielstädte im Rat bewilligt wurden, war ich selbst Ratsmitglied und Kulturausschuss-Vorsitzender und habe mit Freude den Um- und Ausbau der Aula und deren Finanzierung mit vielen Ratsmitgliedern gemeinsam vorangebracht. Unsere gemeinsame Intention damals: Mit einem anspruchsvollen Theater-, Konzert- und Multimediaprogramm die kulturelle Vielfalt der Stadt bereichern.

Wollen Sie diese Intention wieder zurückfahren und mit Ihrem enggefassten Begriff des „Politischen“ auch die politischen Kabarett-Programme des Buxtehuder Kleinkunst-Igels in der Halepagen-Aula untersagen?

Vielleicht überlegen Sie es sich noch einmal

Herzlichst, Ihr Dr. Joachim Buttler

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