Der BSV-Fußball ist am Scheideweg
Es rumort derzeit zwischen den Fußballverantwortlichen des Buxtehuder SV und der Vereinsführung. René Klawon und sein Team fühlen sich zu sehr beschnitten und drohen mit ihrem Zurückzug. Der Vorstand will den Fußballbetrieb aufrecht erhalten.
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Es bahnte sich ein Erdbeben in der Fußballlandschaft des Landkreises Stade an. Zwar steht die Fußballabteilung des Buxtehuder SV gerade ohne Führung da. Zwar hat Macher René Klawon seinen Vertrag bis Ende März fristgerecht gekündigt. Bei der Abteilungsversammlung am Mittwochabend ist es aber noch nicht zum großen Knall zwischen den Fußballverantwortlichen und der Geschäftsführung des BSV gekommen. Es gibt Gesprächsbereitschaft zwischen den verhärteten Fronten, und alle wollen das Wohl des Vereinsfußballs, allerdings zu den eigenen Bedingungen.
René Klawon ist nach 41 Jahren aus dem Buxtehuder SV ausgetreten und übt sein Trainer- und Teammanageramt nur noch bis Ende März aus. Stand jetzt. Die Planungen für die neue Saison liegen brach. Klawon, der die erste Fußballmannschaft des BSV 2009 nach dem Absturz in die Bezirksliga übernommen hatte und den am Boden liegenden Herrenfußball mit vielen Unterstützern wieder aufbaute, kann sich eine Zukunft des BSV-Fußballs ohne sein Team nur schwer vorstellen. „Wer soll das machen?“, fragt er rhetorisch.
Mit ihm, dem sportlichen Leiter, verliert der BSV ein ganzes Team, das sich zeitintensiv und nur gering vergütet um den Herrenfußball bemühte: Thorsten Pohl (2. Mannschaft und Sponsoring, zudem stellvertretender Abteilungsleiter), Franziska Merz (Passwesen) sowie Abteilungsleiter Karl-Heinz auf’m Kampe, der nicht wieder zur Wahl stand bei der Abteilungsversammlung am Mittwochabend. Ebenso wie viele, unabkömmliche Helfer, wie zum Beispiel die emsigen Buden-Ladies oder Ordner. Zudem sind schon einige altgediente Mitglieder ausgetreten.
Die Fußballabteilung hatte eine eigene Marketing-Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) unter dem Namen Buxtehuder Fußball-Marketing. Diese GbR verwaltete das Sponsorengeld, das Klawon und Pohl für jede Saison akquirierten. Klawon betont, dass die GbR professionell und rechtens geführt wurde und verweist dabei auch auf zwei Steuerüberprüfungen. Der Verein untersagte 2015 der Fußballabteilung aber die Marketing-Gesellschaft, um gesetzlich auf der sicheren Seite zu sein, was die Gemeinnützigkeit des Vereins sowie steuerliches Recht betrifft. Die Fußballverantwortlichen argumentierten, dass die Handballabteilung auch eine eigene Marketing hat. Geschäftsführerin Stefanie Teske erklärt rückblickend: „Auf die GbR hatte der Verein keinerlei Zugriff.“ Die Handball-Marketing sei dagegen eine GmbH & Co. KG, an der der Verein beteiligt ist. Klawon sagt heute: „Ich hätte schon damals nicht klein beigeben dürfen. Das war mein größter Fehler.“
Als Kompromiss bekam Klawon ein Unterkonto beim Buxtehuder SV. Im Glauben, auf das vorhandene Geld genauso wie bei der GbR zurückgreifen zu können, finanzierte er 2015 das Winter-Trainingslager in der Türkei. Im nächsten Jahr wurde den Fußballverantwortlichen von Vereinsseite mitgeteilt, dass sie ein Defizit von 24.000 Euro hätten. Knackpunkt: Das vorhandene Geld war als Bruttosumme vorhanden, zudem für die gesamte Fußballabteilung vorgesehen. Klawon war es aus GbR-Zeiten gewohnt, dass das Geld nur für die Ligamannschaften da ist und dass sie die 19 Prozent Mehrwertsteuer stets vom Finanzamt wiederbekamen. „Den Fehler muss ich mir vorwerfen“, sagt er, das sei naiv gewesen.
Im Sommer 2016 wurde der Fußballabteilung das Unterkonto gestrichen. Seitdem führen die Fußballverantwortlichen alle Sponsorengelder, Eintrittspreise, Budeneinnahmen plus Weihnachtsturniergewinne an die Geschäftsführung ab. „Ich bin als Manager komplett beschnitten“, sagt Klawon. Er müsse wegen jeder Kleinigkeit zur Geschäftsführung rennen. Zudem seien er und Pohl ständig aufgefordert worden, noch mehr Sponsorengelder zu besorgen. Klawon spricht von „Schikane“.
Das Defizit schiebt die Fußballabteilung seither vor sich her. Klawon sagt, sein Team habe von 2015 bis 2018 230.000 Euro Sponsorengelder akquiriert, hinzu kämen die Einnahmen aus den Weihnachtsturnieren und den beiden Freundschaftsspielen gegen den FC St. Pauli. Die Ligamannschaft habe im selben Zeitraum 116.000 Euro gekostet. Den Fußballverantwortlichen fehlt die Transparenz bei den Finanzen. Teske sagt, jeder Abteilungsleiter bekommt klare Auswertungen seiner Kostenstelle und habe einen permanenten Überblick.
Klawon pocht als sportlicher Leiter darauf, dass es, seit er 2009 die Verantwortung übernahm, eine klare Vereinbarung gegeben habe. Er ist dafür verantwortlich, die Ligamannschaften zu finanzieren. Dafür überzeugt er Sponsoren, um in Buxtehude leistungsorientierten Fußball bieten zu können. „Und bei uns läuft alles im Rahmen des Gesetzes ab“, betont er. Klawon sieht nicht ein, dass mit den Sponsorengeldern eine Abteilung finanziert wird, die der BSV als gemeinnütziger Verein unterhalten müsse. „Dann müssen die Vereinsverantwortlichen selber Sponsorengelder beschaffen“, sagt er.
Der bisherige Abteilungsleiter Karl-Heinz auf’m Kampe, der morgen seinen 66. Geburtstag feiert und nach 14 Jahren bei der Mitgliederversammlung nicht mehr zur Wahl stand, erinnert ebenso an eine klare Regelung. Die GbR war zuständig für den Ligabetrieb. Der Verein stellte das Abteilungsbudget. Von Mitgliederbeiträgen, Spenden und Eintrittsgeldern sollten die Rahmenbedingungen wie Verbandskosten und Schiribezahlungen gedeckelt werden. Zudem argumentieren die Fußballverantwortlichen, dass der BSV die Trainerverträge abschließt, also auch die Kosten tragen solle. Teske erklärt: „Wir haben das Kostenstellen-Prinzip. Die Fußballabteilung bekommt das vorhandene Geld plus einen Zuschuss. Wir können aber nicht mehr ausgeben als wir haben.“
Thorsten Pohl wie auch Klawon sagen, dass der Fußball schon immer Geld gekostet habe. „Der Verein erwartet Leistung, trägt aber nichts dazu bei. Es wurden immer Forderungen gestellt“, sagt Pohl.
Das Fass zum Überlaufen, so Pohl, brachte die erweiterte Vorstandssitzung mit allen Abteilungsleitern im Februar dieses Jahres. Die Fußballer stellten den Antrag, dass der Gesamtverein das Defizit übernimmt. Mit 8:5 Stimmen wurde dieser abgelehnt. Es gab sieben Enthaltungen. „Gerade die Enthaltungen kann ich gar nicht verstehen“, sagt Pohl. Er sei total enttäuscht. Die Fußballverantwortlichen vermissen die Solidarität. Teske sagt, dass ihnen „großzügig“ entgegengekommen sei, weil sie nur die Hälfte hätten begleichen können.
Es folgten die Rücktritte.
Bei der Abteilungsversammlung kam es nicht zum Knall. Klawon spricht von Sachlichkeit, jeder habe jeden aussprechen lassen. Die Abteilung wird vorläufig kommissarisch geführt, weil es keinen Nachfolger für auf’m Kampe gab. Klawon zitiert den Vorstand, anwesend waren neben Teske Vizepräsident Wolfgang Eggers und Schatzmeister Peter Pünjer, mit dem Satz: „Wir werden alles dafür tun, dass der Spielbetrieb aufrecht erhalten wird.“ Teske betont: „Es war nie unser Anliegen, den Fußball abzuschaffen. Fußball ist ein Hauptbestandteil unseres Vereins.“
„Ich glaube nicht, dass die BSV-Verantwortlichen wissen, was auf sie zukommt“, sagte Klawon im Vorfeld der Sitzung und bezog sich auf die vielen kleinen Details innerhalb des Großen und Ganzen, wie zum Beispiel die Fertigung des Stadionheftes, das Betreiben der Bude, das ständige Kontrollieren der Sponsoren-Banner, die sich gern mal lösen. „Wer macht das?“, fragt Klawon rhetorisch. Und vor allem: Wer kümmert sich um die derzeit verunsicherten Spieler und die Planungen für die kommende Saison.
Pohl hat sich nach der Mitgliederversammlung ein Hintertürchen offen gelassen, will die Entwicklung abwarten. Klawon sagt: „Ich habe klare Forderungen und die sind bekannt.“ Er möchte die von ihm akquirierten Sponsorengelder frei zur Verfügung haben.
Teske sagt, dass weitere Gespräche geführt werden, sobald Präsident Wolfgang Watzulik nach seiner Auslandsreise wieder in Buxtehude ist (war telefonisch nicht erreichbar). Watzulik wird von den Fußballverantwortlichen als Freund der Fußballabteilung bezeichnet. Klawon sagt: „Keiner will, dass unser Baby hier kaputtgeht.“
1962 50-jähriges Jubiläum
1962/63 Landesliga-Aufstieg
1973/74 Aufstieg in Hamburgs höchste Klasse (Landesliga), Freundschaftsspiel BSV – HSV 0:10 vor 3000 Zuschauern im Jahnstadion
1974/75 Freundschaftsspiel BSV – HSV 0:6 vor 5 000 Zuschauern im Jahnstadion
1979/80 BSV erreicht 1. Runde des DFB-Pokals: BSV – Bayer Uerdingen (1. Bundesliga) 0:6, 4000 Zuschauer und Fernsehübertragungen in der Sportschau und im Aktuellen Sportstudio
1982/83 Sturz in die Bezirksliga
1983/84Aufstieg in die Landesliga 1989/90 Aufstieg in die Verbandsliga
1993/94 Abstieg in Landesliga; Durchrutsch bis in die Bezirksliga
1999/2000 Als Meister Landesliga-Aufstieg
2002/03 Aufstieg in die Verbandsliga, höchste Klasse in Hamburg
2003/04 Als Aufsteiger wird der BSV Vizemeister in der Verbandsliga. Teilnahme an den Aufstiegsspielen zur Oberliga Nord
2007/08 Abstieg in die Landesliga
2008/09 Abstieg in die Bezirksliga
2011/12 Aufstieg in die Landesliga
2013/14 BSV wird Meister der Landesliga Hansa, Aufstieg in die Oberliga
2016/17 Abstieg in die Landesliga