Der Betrüger aus Buxtehude

Verteidiger Frank Jansen hält seinen Mandanten Jens L. wegen dessen Spielsucht für nicht voll schuldfähig. Foto Schwartau
Er soll laut Anklage 8,4 Millionen Euro veruntreut haben: Seit gestern steht ein einfacher Bankangestellter der Buxtehuder Filiale der Deutschen Bank vor dem Stader Landgericht. Er räumt die Taten im Grunde ein, die Verteidigung zielt auf eine verminderte Schuldfähigkeit ab. Der Mann sei spielsüchtig gewesen. Vertreter der Bank mochten am Rande des Prozesses keine Angaben dazu machen, warum die Taten über Jahre nicht aufgefallen waren.
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Jens L. ist ein kräftiger Mann. Doch in der Filiale der Deutschen Bank war er eigentlich ein kleiner Angestellter. Rund ein Dutzend Bankkunden waren gestern in den Stader Gerichtssaal gekommen, um den Auftakt des Prozesses zu verfolgen. Einer von ihnen ist Peter M.* . In einer Prozesspause schildert er seinen Fall. Rund 320 000 Euro hatte demnach L. von seinem Konto in mehreren Tranchen abgebucht. „Ich hatte das Geld als Altersvorsorge angelegt“, erzählt er. Dann rief die Bank an, das Geld sei weg. Immerhin: Einschließlich Zinsen erstattete das Geldinstitut den Verlust. Doch die Frage, wie das Kontrollsystem der Bank so versagen konnte, war im Prozess zumindest jetzt noch kein Thema.
Und auch die drei anwesenden Vertreter der Deutschen Bank, darunter der Leiter der internen Ermittlungsgruppe, mochten am Rande der Sitzung dazu keine Angaben machen. Nur soviel: „Die Bank hat die Unregelmäßigkeiten festgestellt und intern umfänglich aufgeklärt“, so Pressesprecher Christian Hotz.
Ähnlich wie Peter M. erging es insgesamt 71 Kunden, bei denen zwischen Februar 2007 und Dezember 2010 Beträge von wenigen hundert Euro bis zur 320 000 Euro unterschlagen wurden. Insgesamt kamen so 8,4 Millionen Euro zusammen, von denen der spielsüchtige Angeklagte 4,5 Millionen Euro zurückzahlte.
Am Montag ging es neben der Verlesung der Anklage angesichts von 156 Anklagepunkten auch um Fragen der Prozessvereinfachung. So erwägt das Gericht Fälle, bei denen es um jeweils weniger als 50 000 Euro ging, einzustellen, weil sie für das Gesamtstrafmaß kaum ins Gewicht fallen. Außerdem hat es im Vorfeld des Prozesses Kontakte zwischen Gericht und Verteidigung gegeben, in denen das Gericht eine Strafe von vier Jahren ohne Bewährung bei einem Geständnis und unter der Voraussetzung der vollen Schuldfähigkeit in den Raum stellte. Doch diese Absprache ist bislang nicht zustande gekommen. Denn die Verteidigung bezweifelt die Schuldfähigkeit. Sie sieht im Umgang mit fragwürdigen Finanzprodukten und dem Verkaufsdruck die Ursache für die Spielsucht von Jens L. Sein ehemaliger Therapeut hatte sogar gegen den vom Gericht bestellten Sachverständigen Strafanzeige erstattet, weil dieser nicht fachgerecht vorgegangen sei. In seinem Vorgutachten hatte der Sachverständige den Angeklagten zwar als spielsüchtig, aber dennoch voll schuldfähig bewertet. Die Verteidigung hält in diesem Zusammenhang den ermittelnden Staatsanwalt für voreingenommen, weil dieser das Verfahren zu dieser Strafanzeige eingestellt hatte. Das Gericht wies dies als unbegründet zurück.
* Name geändert