Wirtschaft

Der Hamburger Hafen - Deutscher Jobmotor im Umbruch

Für Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher zählt der Hafen zu den Grundfunktionen der Stadt. Entsprechend lässt der SPD-Politiker nichts auf die umstrittene Elbvertiefung kommen. Doch wie steht es eigentlich um Deutschlands größten Hafen?

Samstag, 07.01.2023, 18:34 Uhr
Der Hamburger Hafen an der Elbe ist ein Universalhafen für Güter aller Art und der mit Abstand wichtigste Warenumschlagplatz in Deutschland. Pro Jahr gehen über gut 50 Umschlaganlagen rund 130 Millionen Tonnen Seegüter über die Kaikanten, etwa 290 Liegeplätze bieten Platz für Schiffe jeglicher Größe - von besonders großen Container- und Massengutschiffen über Öl- und Chemikalientanker bis hin zu Feeder- und Binnenschiffen. Foto: Marcus Brandt/dpa

Der Hamburger Hafen an der Elbe ist ein Universalhafen für Güter aller Art und der mit Abstand wichtigste Warenumschlagplatz in Deutschland. Pro Jahr gehen über gut 50 Umschlaganlagen rund 130 Millionen Tonnen Seegüter über die Kaikanten, etwa 290 Liegeplätze bieten Platz für Schiffe jeglicher Größe - von besonders großen Container- und Massengutschiffen über Öl- und Chemikalientanker bis hin zu Feeder- und Binnenschiffen. Foto: Marcus Brandt/dpa

Von Markus Klemm, dpa

Ohne ihn ginge in der deutschen Wirtschaft wenig bis nichts mehr. Fiele der Hamburger Hafen aus, brächen Lieferketten zusammen, die Produktion vieler Unternehmen stünde still, in zahlreichen Geschäften gäbe es nur noch wenig zu kaufen, Tausende Arbeitsplätze wären akut gefährdet. Entsprechend empfindlich reagieren Politik und Interessenvertreter, wenn schlechte Schlagzeilen etwa um eine chinesische Beteiligung, um Probleme bei der Elbvertiefung oder das Schlickdrama das Tagesgeschäft dominieren - erst recht, da diese weltweit genau beobachtet werden und binnen kürzester Zeit Folgen haben können. So groß der Hafen auch ist, so sensibel reagieren Warenströme auf Veränderungen.

Wie der Hafen aussehen könnte, soll der Hafenentwicklungsplan 2040 zeigen. Er soll im März vorgelegt werden. Eine Bestandsaufnahme:

Der Hafen

Der Hamburger Hafen an der Elbe ist ein Universalhafen für Güter aller Art und der mit Abstand wichtigste Warenumschlagplatz in Deutschland. Mit einer Fläche von knapp 72 Quadratkilometern - davon rund 42 Quadratkilometer Land- und 30 Quadratkilometer Wasserfläche - umfasst er etwas weniger als zehn Prozent der Hamburger Landesfläche, ist aber etwa so groß wie die Universitätsstadt Gießen. Pro Jahr gehen über gut 50 Umschlaganlagen rund 130 Millionen Tonnen Seegüter über die Kaikanten. Etwa 290 Liegeplätze bieten Platz für Schiffe jeglicher Größe - von besonders großen Container- und Massengutschiffen über Öl- und Chemikalientanker bis hin zu kleineren Feeder- sowie Binnenschiffen.

Containerumschlag

Der Containerumschlag ist das Herzstück des Hafens. Es gibt vier Containerterminals - das Eurogate Terminal sowie die HHLA-Terminals Altenwerder, Burchardkai und Tollerort - über die laut Hafen pro Jahr zwölf Millionen 20-Fuß-Standardcontainer (TEU) abgefertigt werden könnten. Derzeit bewegt sich der Umschlag bei rund neun Millionen TEU, was beim 24-Stunden-Betrieb etwa 17 Stahlboxen in der Minute bedeutet. Damit landet Hamburg hinter Rotterdam (15 Millionen TEU) und Antwerpen (12 Millionen TEU) auf Platz 3 unter den wichtigsten kontinentaleuropäischen Nordseehäfen, über die 80 Prozent des europäischen Im- und Exports abgewickelt werden.

Hafenbahn

Damit die Güter möglichst umweltschonend von den Kaianlagen ins Hinterland zu den Kunden gelangen, verfügt Hamburg nach Angaben der Hafenbehörde HPA über den weltweit größten Eisenbahnhafen. Täglich verkehren rund 210 Züge mit etwa 5500 Wagen zwischen dem Hafen und dem Hinterland, das bis Ungarn, Rumänien und Österreich reicht. Damit werden den Angaben zufolge per Bahn so viele Güter weitertransportiert wie in Rotterdam, Antwerpen und Bremerhaven zusammen - zuletzt fast 50 Millionen Tonnen Fracht und knapp 2,8 Millionen Container.

Kreuzfahrt

Wegen seiner guten Lage und Anbindung zählt Hamburg auch zu den wichtigsten Kreuzfahrthäfen der Republik. Nach Angaben der Cruise Gate Hamburg (CGH) werden in diesem Jahr mehr als 280 Anläufe von Hochseeschiffen sowie fast 40 von Flusskreuzfahrtschiffen erwartet. Die Zahl der Passagiere beziffert die CGH zwischen 780.000 und einer Million - was dem Vor-Corona-Niveau entspräche. Bis 2025 sollen alle Kreuzfahrtterminals in Steinwerder, Altona, Baakenhöft und der Hafencity mit Landstrom ausgestattet sein, so dass die schwimmenden Hotels ihre klimaschädlichen Maschinen während ihres Aufenthalts abschalten können.

Arbeitsplätze

Der Hafen sichert einer Studie im Auftrag der Wirtschaftsbehörde und der HPA zufolge aus dem Jahr 2021 bundesweit mehr als 600.000 Arbeitsplätze. 124.000 Jobs befänden sich in der Metropolregion, gut 68.000 in Hamburg selbst. Bundesweit habe die hafenbezogene Beschäftigung 2019 eine Wertschöpfung von fast 51 Milliarden Euro generiert. Durch die hafenabhängige Beschäftigung seien bundesweit rund 9,8 Milliarden Euro an Wertschöpfung sowie Steuereinnahmen von fast 2,6 Milliarden Euro entstanden. Der Studie zufolge sichert ein einziger Beschäftigter an den Terminals mit seiner Arbeit bundesweit 141 Jobs. Allein 110 davon befänden sich in der hafenbezogenen Industrie, also in Unternehmen, die für ihre Exporte auf Häfen angewiesen seien.

Problem Elbvertiefung

Die nach jahrelangem Streit Ende Januar 2022 vom Bund für abgeschlossen erklärte Elbvertiefung droht zum Flop zu werden. Wegen der immensen Schlickmengen verringerte die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt Ende November die schiffbare Tiefe der Unterelbe zwischen Hamburg und der Nordsee für ein Jahr um einen Meter. Ursprünglich sollte mit dem mehr als 800 Millionen Euro teuren Projekt der zulässige Tiefgang für Frachter auf 14,50 Meter bei Flut und auf 13,50 Meter gezeitenunabhängig erhöht werden. Auch wenn große Containerschiffe nun weniger Spielraum haben, zeigen sich Reedereien wie Hapag-Lloyd unbeeindruckt. Die Einschränkungen seien für sie unproblematisch, da sie mit ihren Großcontainerschiffen nie voll beladen in Hamburg ein- oder ausliefen. Der rund 130 Kilometer lange Abschnitt der Elbe zwischen Hamburg und der Nordsee zählt zu den wichtigsten Wasserstraßen Europas.

Problem Schlick

Wie bei jeder Elbvertiefung hat sich auch mit der neunten Fahrrinnenanpassung die Schlickbelastung erhöht. Die Folge: Es muss immer mehr zu immer höheren Kosten gebaggert werden, um den Fluss schiffbar zu halten. Eine Studie aus dem April kommt zum Schluss, dass künftig wahrscheinlich für mindestens 220 Millionen Euro fast 36 Millionen Kubikmeter Schlick pro Jahr weggebracht werden müssen. Das entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von gut 330 Metern. Die Frage ist: Wohin? Zuletzt hatten sich Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach einem heftigen Streit über einen Verklappungsort nahe der Vogelschutzinsel Scharhörn darauf verständigt, mehr Schlick bei Helgoland zu verklappen. Eine dauerhafte Lösung ist das nicht, weshalb Hamburg wohl von 2025 an weit draußen in der Nordsee verklappen will.

Problem Hafenkooperation

Seit Jahren gibt es vor allem von Umweltverbänden, aber auch aus der Wirtschaft immer wieder Forderungen nach einer nationalen Hafenkooperation, um die Kräfte der Häfen Hamburg, Wilhelmshaven und Bremerhaven zu bündeln. Passiert ist bislang kaum etwas. Animositäten zwischen den Bundesländern, die Nachteile für den eigenen Hafen befürchteten, oder verhakte Verhandlungen bei Umschlagsunternehmen verhinderten eine Lösung. So haben der Hamburger Hafenlogistiker HHLA und der Bremer Konkurrent Eurogate ihre Gespräche über einen gemeinsamen Betrieb ihrer norddeutschen Containerterminals nach mehr als zwei Jahren auf Eis gelegt. Als Grund nannten sie die "aktuelle geopolitische Situation mit bisher unabsehbaren Auswirkungen".

Problem chinesische Abhängigkeit

China ist seit vielen Jahren der wichtigste Handelspartner Hamburgs. Nach Angaben des Hafens wurden 2021 knapp 2,6 Millionen Container aus der Volksrepublik umgeschlagen. Das sind etwa so viele wie die aus den acht nächstgroßen Handelsländern zusammen. Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und der damit schmerzlich offengelegten Energieabhängigkeit Deutschlands gibt es zunehmend Warnungen vor einem ähnlichen Szenario mit China. Entsprechend hohe Wellen schlug die Beteiligung des chinesischen Cosco-Konzerns an der Betreibergesellschaft des HHLA-Terminals Tollerort - auch wenn diese kaum für eine zunehmende Einflussnahme Chinas taugt. Denn anders als beim Hafen Piräus, den Griechenland 2016 zur Bekämpfung seiner Schuldenkrise maßgeblich auf Drängen der damaligen schwarz-roten Bundesregierung tatsächlich mehrheitlich an Cosco verkaufte, bleiben in Hamburg die Terminals und Hafenanlagen im Eigentum der Stadt.

Problem Zukunft?

Seit geraumer Zeit will Hamburg weg von der "Containerzählerei" und stattdessen mit anderen Geschäftsmodellen die Zukunft des Hafens sichern. Aufschluss darüber soll im März der Entwicklungsplan geben. Schon jetzt ist klar, dass Wasserstoff - insbesondere grüner Wasserstoff - eine wichtige Rolle spielen soll. So möchte Hamburg Teile des nationalen und europäischen Wasserstoffbedarfs bedienen und als internationales Drehkreuz in ein europäisches Wasserstoffnetz eingebunden werden. Einerseits will die Hansestadt dafür von 2026 an beim früheren Steinkohlekraftwerk Moorburg selbst grünen Wasserstoff herstellen. Laut einer Studie wäre dort eine Elektrolyse mit einer Kapazität bis zu 500 Megawatt umsetzbar. Andererseits soll der Import stark hochgefahren werden. Erste Vereinbarungen von Hafenunternehmen gibt es bereits mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien. Diese wollen grünen Ammoniak liefern, der dann in Hamburg in grünen Wasserstoff umgewandelt werden soll.

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