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Die Köhlbrandbrücke - Was wird aus dem Hamburger Wahrzeichen?

Blick auf die Köhlbrandbrücke im Abendlicht.

Blick auf die Köhlbrandbrücke im Abendlicht. Foto: Christian Charisius/dpa

Die viel befahrene Hamburger Köhlbrandbrücke ist fast 50 Jahre alt, muss in den kommenden Jahrzehnten ersetzt werden. Aber wie? Eine neue Brücke? Ein Tunnel? Oder kann sie doch gerettet werden?

Von Von Markus Klemm, dpa Samstag, 23.03.2024, 18:45 Uhr

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Hamburg. Sie ist neben Michel, Rathaus und Elbphilharmonie ein Wahrzeichen Hamburgs und gilt als eine der wichtigsten Verkehrsadern im Hafen - die weithin sichtbare Köhlbrandbrücke. Doch inzwischen haben Millionen Lastwagen, die das insgesamt 135 Meter hohe Bauwerk auf ihrem Weg zwischen dem Hafen und den Autobahnen A1 und A7 über Jahrzehnte passiert haben, Spuren hinterlassen - und zwar so sehr, dass seine Tage schon lange gezählt sind. Eine Lösung muss also her. Wie die aussehen könnte, will Hamburgs rot-grüner Senat am Dienstag (26.3.) entscheiden. Ein Überblick über die bisherige Debatte.

Um welche Brücke geht es eigentlich?

Die Köhlbrandbrücke wurde vor fast 50 Jahren, am 23. September 1974, eröffnet - und dabei an drei Tagen von rund 600 000 Hamburgerinnen und Hamburgern besucht. Die vom Bauingenieur Paul Boué und dem Architekten Egon Jux entworfene Schrägseilbrücke überspannt unweit der A7-Autobahnanschlussstelle Waltershof den 325 Meter breiten Köhlbrand - einen Arm der Süderelbe - und endet auf der Elbinsel Wilhelmsburg. Die Bauzeit für die 3618 Meter lange Brücke betrug damals vier Jahre, die Kosten beliefen sich auf rund 160 Millionen D-Mark (knapp 82 Millionen Euro). Wegen Korrosionsschäden und Drahtbrüchen mussten noch in den 70er-Jahren sämtliche Stahlseile ausgetauscht werden, zwischen 2014 und 2016 folgte dann eine Grundinstandsetzung für mehr als 60 Millionen Euro. Die Brücke steht unter Denkmalschutz und prangte gegen Ende der 80er-Jahre auch auf einer Sonderbriefmarke der Bundespost.

Warum soll eine erst vor acht Jahren grundsanierte Brücke ersetzt werden?

Bereits 2012 - also noch vor den Sanierungsarbeiten - hatte der damalige Hamburger Bürgermeister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärt, dass die Brücke abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden soll. Sein damaliger Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) sagte, die Brücke könne nur noch bis 2030 sicher und wirtschaftlich betrieben werden. Um die Brücke zu schonen, gilt bereits seit 2012 ein Überholverbot für Lastwagen, Anfang 2019 ordnete die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) zudem ein Abstandsgebot für Lkw von 50 Metern an. Nach HPA-Angaben passieren inzwischen täglich rund 38 000 Fahrzeuge die Brücke, etwa ein Drittel davon sind Lastwagen.

Brücke oder Tunnel?

Der frühere Bürgermeister Scholz wollte ursprünglich eine neue Brücke. 2017 begann die HPA dann auch, eine solche für 2030 zu planen. Doch dann kam die Idee eines doppelstöckigen Tunnels, auf dessen unterer Ebene eventuell sogar Züge oder autonom fahrende Containertransporter unterwegs sein sollten. Wirtschaftssenator Horch sagte damals, mit mehr als drei Milliarden Euro sei der Bau eines Tunnels zwar deutlich teurer als der Bau einer Brücke, habe aber mehrere Vorteile. So seien danach die Unterhaltskosten niedriger und ein Tunnel halte auch länger als eine Brücke. Außerdem könnten dann auch ganz große Containerschiffe das hinter der Brücke liegende Terminal Altenwerder erreichen. Wirtschaftsbehörde, Hafenwirtschaft und Hafenverwaltung zeigten sich geradezu elektrisiert von dieser Variante. Der Tunnel galt damit über Jahre als gesetzt.

Wann kam das böse Erwachen?

Mitte vergangenen Jahres: Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) hatte noch einmal nachrechnen lassen, kam dabei auf Kosten für den Tunnel in Höhe von rund 5,3 Milliarden Euro - inzwischen sollen es sogar 7 Milliarden Euro sein - und setzte deshalb wieder eine neue Brücke auf die Tagesordnung. Nach ihren Worten hatte sich herausgestellt, dass der Bau eines Tunnels deutlich komplizierter und aufwendiger wäre als bislang gedacht. Einem kürzlich aufgetauchten internen Prüfbericht der Wirtschaftsbehörde zufolge soll eine Brücke dagegen mit 4,5 bis 5 Milliarden Euro zu Buche schlagen, wobei noch rund eine halbe Milliarde Euro für den Abriss der bisherigen Brücke hinzukäme. Darin heißt es auch: Statt des zuletzt kolportierten Fertigstellungstermins 2036 soll es nun noch einmal zehn Jahre länger dauern.

Wer soll das eigentlich alles bezahlen?

Da wird es kompliziert. Sicher ist nur, allein wird die Stadt Hamburg das Projekt nicht stemmen können. Schon deshalb hatten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bereits 2020 eine Absichtserklärung zu einer gemeinsamen Erneuerung der Köhlbrandquerung unterzeichnet. Damit das möglich ist, wurde die Brücke 2021 zu einer Bundesstraße hochgestuft, ist seither für Lkw auch mautpflichtig. Eine konkrete Förderhöhe des Bundes gibt es bislang nicht, die Rede war einmal von 50 Prozent. Antworten der Bundesregierung und des Senats auf Kleine Anfragen der Union zufolge gab es seit 2019 in Sachen Planung und Finanzierung inzwischen fast 20 dokumentierte Unterredungen zwischen Hamburg und dem Bund. Die bereits aufgelaufenen Planungskosten bezifferte der Senat zuletzt auf fast 66 Millionen Euro.

Beteiligt sich der Bund nun oder nicht?

Das ist völlig unklar, denn es gibt da noch ein Problem: die geplante Autobahn A26 Ost. Die bereits planfestgestellt neue Autobahnverbindung zwischen der A7 und der A1, nur wenige Kilometer südlich der Köhlbrandbrücke, soll laut einem Bericht des Bundesverkehrsministeriums vom Juli 2023 über die „Gesamtmittelbedarfe für die Aus- und Neubauvorhaben der geltenden Bedarfspläne von Schiene, Straße und Wasserstraße“ inzwischen statt knapp 900 Millionen rund 2,28 Milliarden Euro kosten. Und da der Bund wie üblich die Kosten für das knapp zehn Kilometer lange Autobahnstück trägt, hat die stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestags, Bettina Hagedorn (SPD), bereits vor rund einem Jahr gesagt: „Wer glaubt, zwei so große Projekte so nah beieinander realisieren zu können, hat den Schuss nicht gehört.“

Gibt es eigentlich Alternativen?

Eine ganze Menge - je nachdem, wen man fragt. Das fängt schon bei der Höhe der Brücke an. Scholz wollte schon vor zwölf Jahren ein Ersatzbauwerk mit einer Durchfahrtshöhe für Schiffe von 73,5 Metern - 20 Meter mehr als die bisherige Köhlbrandbrücke bietet. Damit sollen auch jene allergrößten Containerfrachter passieren können, die bislang unter der Brücke hängen bleiben würden. Kritiker sagen jedoch, das sei am Bedarf vorbei geplant, Reedereien änderten derzeit ihr Flottenmanagement und sähen in Zukunft möglicherweise gar keine Notwendigkeit mehr, mit solch großen Schiffen nach Hamburg zu kommen. Und selbst wenn, stünden die enormen Mehrkosten für die Steuerzahler in keinem Verhältnis zum Ertrag - zumal sich die Reedereien nicht an den Kosten beteiligten. Aus Sicht dieser Kritiker täte es also auch eine niedrigere Brücke.

Lässt sich die Brücke nicht auch erhalten?

Diese Variante präferieren der Denkmalschutz, die Hamburgische Architektenkammer und diverse andere Organisationen. Sie haben bereits eine Petition gestartet und verweisen auf Untersuchungen, wonach die Brücke saniert und weitergenutzt werden könnte, wenn sie vom Schwerlastverkehr befreit würde. Da dieser sich aber nicht einfach in Luft auflösen kann, erwärmte sich diese Gruppe schnell für den Vorschlag des Hafenexperten und früheren Präsidenten des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz. Dieser hatte im Januar die Idee wieder aufgenommen, südlich der Köhlbrandbrücke eine zweite Brücke für den Schwerlastverkehr zu bauen. Hamburgs rot-grüner Senat lehnt einen Erhalt der Brücke bislang jedoch ab. Für Wirtschaftssenatorin Leonhard ist die Köhlbrandbrücke ein „technisch-wirtschaftlicher Totalschaden“, der nicht mehr gerettet werden kann.

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