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Raumordnungsprogramm

Der Kampf um die kleinen Windparks in Kehdingen

Die Baljer wollen ihren Windpark in Hörne noch nicht aufgeben. Bürgermeister Hermann Bösch hofft, die Kreis-Politik doch noch für die Interessen seiner Gemeinde gewinnen zu können. Auch die Landwirtsfamilie Morgenstern aus Aschhorn ist enttäuscht.

Von Susanne Helfferich Freitag, 29.03.2019, 10:00 Uhr

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Wie berichtet, soll der Windpark in Balje-Hörne im überarbeiteten Teilbereich Wind des Regionalen Raumordnungsprogramms künftig wegfallen, da er aufgrund neuer Abstandskriterien um gut zwei Drittel schrumpft. So bleibt bei einem Repowering nicht einmal mehr Platz für drei Windenergieanlagen. Damit wäre er vom Tisch, weil der Landkreis nur noch Windpark ab drei Anlagen genehmigt. Aktuell stehen dort elf Mühlen, zum Teil mehr als 20 Jahre alt.

Knackpunkt ist der Abstand zum alten Sommerdeich an der Oste. Seit 1991 steht die alte Deichlinie unter Denkmalschutz. Dennoch habe das weder beim Bau des Windparks in den 90er Jahren noch im ersten Entwurf des aktuellen Regionalen Raumordnungsprogramms 2013 eine Rolle gespielt, so Hermann Bösch. Zwar sei 2013 ein Abstand von 800 Metern zum Baudenkmal Altenwisch vorgegeben worden, das Bodendenkmal Sommerdeich sei nicht berücksichtigt worden. Lediglich die Fallhöhe musste einbezogen werden. So wurde beim ersten Windpark in den 90er Jahren mit wesentlich niedrigeren Windkraftanlagen 100 Meter Abstand gehalten, damit im Falle eines Kippens der Anlagen nicht der Deich beschädigt wird. Beim jetzt vorgelegten Entwurf für die Fläche mit drei 200 Meter hohen Anlagen ist daher einen 200-Meter-Abstand zum Sommerdeich vorgesehen.

Doch jetzt soll der Sommerdeich ebenso behandelt werden wie das Baudenkmal Altenwisch, von beiden muss ein Abstand von 800 Metern eingehalten werden. Für Bürgermeister Bösch ist das nicht nachvollziehbar. „Damit hat der alte Deich mehr Schutz als die Bewohner der Häuser im Außenbereich.“ Von diesen muss nur 600 Meter Abstand gehalten werden.

„Wir wollen, dass der Baljer Standort für Windenergie erhalten bleibt“, sagt Bösch. Der Abstand zum Deich sei ein weiches Tabu-Kriterium und somit durch die Politik verhandelbar. Bösch und die Kehdinger Kreistagsabgeordneten wollen in den nächsten Wochen weiter Überzeugungsarbeit leisten. Immerhin war das Abstimmungsergebnis im Ausschuss des Landkreises für Regionalplanung und Umweltfragen im Februar denkbar knapp: Fünf Kreistagsabgeordnete stimmten dafür, den Abstandsradius zum Deich auf 200 Meter zu reduzieren, sechs dagegen. „Wir werden als Gemeinde eine Stellungnahme schreiben und wollen die Kreistagspolitiker zu Informationsgesprächen einladen“, sagt der Bürgermeister, „so schnell geben wir nicht auf.“

Der Windpark bringt der kleinen Gemeinde immerhin 20 000 Euro Gewerbesteuer ein. Allerdings hat er aus Sicht des Artenschutzes eine sensible Lage, da in der Nähe der Seeadler nistet.

Betroffen ist auch das Repowering-Projekt in Drochtersen. Die Regionalplaner im Stader Kreishaus wollen es nicht zulassen, weil der kleine Park mit drei Windrädern zu weit von den vorhandenen Parks entfernt sei. Sie wollen eine Zersiedelung mit weiteren Standorten verhindern, so die Argumente der Planer.

Zur Erinnerung: Die Landwirtsfamilie Morgenstern aus Aschhorn möchte gemeinsam mit der Planerin Rosemarie Rübsamen in Nindorf einen neuen Windpark entwickeln und ihre beiden kleinen Windräder ersetzen. Sie haben vor, die Menschen vor Ort einzubinden und einen Bürgerwindpark zu errichten.

Physikerin Rübsamen, die seit 20 Jahren Windparks plant und projektiert, ist nach wie vor davon überzeugt, dass die ausgeguckte Fläche bestens geeignet sei. Die zehn betroffenen Eigentümer seien mit im Boot. Außerdem sei das Gebiet im Gegensatz zu anderen Gebieten in Drochtersen kein Lebensraum für Brutvögel, also naturschutzrechtlich unbedenklich, so Rübsamen weiter.

Zudem sei der geplante Park genau an der Grenze der vom Landkreis willkürlich festgesetzten Grenze zum benachbarten Gebiet. Das Argument der Zersiedelung greife also gar nicht richtig. Außerdem verweisen Thomas Morgenstern und Rosemarie Rübsamen darauf, dass in dem Gebiet bereits zwei alte kleine Anlagen vorhanden sind, die dann rückgebaut würden. Für das Landschaftsbild ändere sich ja nicht viel. Rübsamen: „Nachvollziehen können wir die ablehnende Haltung des Kreises nicht.“

Nun suchen Morgenstern und Rübsamen das Gespräch zum einen mit der Gemeinde Drochtersen und der Kreisverwaltung, zum anderen mit den betreffenden Kommunalpolitikern. Sie setzen auf Kooperation und „unsere guten Argumente“ (Rübsamen) und hoffen, auf offene Ohren zu stoßen. Die Drochterser Politik hatte in der bisherigen Stellungnahme zur Raumordnung Wind das Nindorfer Projekt nicht abgelehnt, aber auch nicht ausdrücklich befürwortet.

Vielleicht – so die Zielrichtung der Windpark-Projektierer – lasse sich der eine oder andere Politiker umstimmen – sowohl auf Ebene der Kommune als auch auf Kreisebene. Dazu bleibt ihnen auch noch Spielraum, denn bis zum Sommer haben sie Zeit, ihre Einwendungen schriftlich zu formulieren.

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