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Der letzte Tag in „Witt’s Gasthof“

Hannelore und Friedhelm Witt schließen heute den Gasthof, ein Hotel garni auf dem rückwärtigen Grundstück betreiben sie weiter. Foto Eidtmann

Hannelore und Friedhelm Witt schließen heute den Gasthof, ein Hotel garni auf dem rückwärtigen Grundstück betreiben sie weiter. Foto Eidtmann

Wenn Friedrich Witt am Freitagabend die Tür von „Witt’s Gasthof“ in Himmelpforten schließt, geht eine 105-jährige Familientradition zu Ende. Zwei Jahre hat Friedrich Witt vergebens nach einem Nachfolger gesucht.

Von Jutta Eidtmann Freitag, 30.06.2017, 10:00 Uhr

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In vierter Generation hatten Friedrich und Hannelore Witt den Gasthof mit Hotel und Restaurant im Christkinddorf geführt, gehalten und entwickelt. Nun ist Schluss, zumindest mit der in der Region bekannten Gastronomie, die für eine regionale, rustikale und gute Fisch-Küche stand.

„Witt’s Gasthof“ verschwindet aus dem Ortsbild. Wieder schließt ein Landhaus. Sehr zum Bedauern der Stammgäste und Himmelpfortener, die hier Geburtstage und Hochzeiten feierten, den Mittagstisch schätzten, das Fisch-Büffet buchten oder abends auch nach dem Sport noch ihre Currywurst bekamen. Treue Gäste, Gruppen und Vereine verabschieden die Eheleute schon seit Wochen mit Besuchen, guten Wünschen und Ständchen. Auch heute Abend dürfte da noch etwas „passieren“... „Unser Miteinander mit den Menschen im Ort war ein Geben und Nehmen“, sagt der Gastronom.

„Wie es mir am Sonnabend geht, weiß ich noch gar nicht so genau“, bekennt der 68-Jährige seine gemischten Gefühle. Zu hektisch waren die letzten drei Monate. Und irgendwie ist es auch nur ein Abschied auf Raten. Der letzte Öffnungstag des Restaurants ist zwar heute, aber für Juli waren noch einige Gruppen angemeldet. Und für sie schmeißt der Koch selbstverständlich noch einmal die Öfen an. Hotelbetrieb und Clubtouren gehen sowieso weiter, und wenn ihm zu langweilig wird, wird er ins Cateringgeschäft einsteigen. „Da mache ich dann das, was ich als Konkurrenz immer beschimpft habe“, lacht der Himmelpfortener.

Zwei Jahre habe er nach einem Nachfolger gesucht, erzählt Friedo Witt – privat wie auch über die IHK. Ohne Erfolg. Bis heute kann er nicht verstehen, dass die von ihm angeschriebenen Ketten Nordsee und Gosch Sylt nicht „angebissen“ haben. An der belebten Bundesstraße 73 würde sich ein Fischrestaurant und -bistro rechnen, ist seine Einschätzung. „Aber die gehen nur in Städte mit 40 000 Einwohnern.“

Ein potenzieller Investor schien ein Vierteljahr lang sehr interessiert an einem Umbau im alten Stil. Dann sprang er ab. Da kam das Kauf-Angebot von Nachbar Mittelstädt wie gerufen. Das erweiterungswillige Baugeschäft hat die 200 Jahre alte Immobile, die nicht unter Denkmalschutz steht, zum 1. August erworben. Es wird sie abreißen und auf der Fläche Büros und Ausstellungsflächen errichten.

Teile der schönen Frontfassade sollen, so ist besprochen, in den Neubau integriert werden. Wenn das nicht klappt, schaut Friedrich Witt, ob er damit seine Hotelanlage auf dem rückwärtigen Grundstück aufhübschen kann.

„Mir hat mein Beruf immer Spaß gemacht“, sagt der leidenschaftliche Koch, der das Metier in Bremerhaven lernte und mehrere Stationen durchlief, bis Mitte der 70er Jahre der Hilferuf der Eltern kam. „Die Anfangszeit war schwer“, erinnert sich der Gastronom. Kochen war das eine, die Betriebsführung und Bürokratie das andere.

Ein hartes Brot ist der Fulltime-Job für die Eheleute all die Jahre geblieben. „Du musst vielseitig sein“, war Witts Motto – und nicht selten biss er in der letzten Zeit die Zähne zusammen, wenn nach zehn Stunden Steherei und Lauferei im Betrieb die Knie schmerzten. Viele Familienmitglieder halfen mit, eine Übernahme aber kam für die Töchter nicht in Frage.

Ganz von der Tätigkeit lassen kann Friedo Witt nicht, auch wenn er künftig mal die Seele baumeln lassen und Konzerte erleben möchte. Die Eheleute werden sich auf ihren Hotelbetrieb konzentrieren. In den haben sie seit Jahren investiert, vor zehn Jahren das Privathaus daneben bezogen.

„Witt’s Hotel“ ist der neue Name für ihre Anlage am Stubbenkamp 59 mit sieben modernen Doppelzimmern. Das Hotel garni bietet Frühstück, aber kein Mittag- oder Abendessen mehr. Da müssen Gäste ausweichen, er wird sie beraten. Und mit seinen „himmelstouren“ weiter für Unterhaltung sorgen.

Um die Beschäftigen ist ihm nicht bange. Gutes Personal ist gefragt. Seinen Berufskollegen wünscht er alles Gute. Der ein oder andere wird von seinem Inventar profitieren.

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