Die letzten Schlachter von Buxtehude

Klaus, Regina und Mario Wiersbitzki (von links) in ihrem Geschäft im Danziger Weg. Foto Wisser
In der Fleischerei Wiersbitzki in Altkloster wird noch selbst geschlachtet – Die Zukunft von Schlachter Bitter ist ungewiss.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Früher gab es sie an fast jeder Straßenecke: die kleinen Schlachter, bei denen Kunden das frische Hack und den Sonntagsbraten oder den Aufschnitt kauften. Kleine Handwerksbetriebe mit eigener Schlachtung und Herstellung. Im Buxtehuder Stadtgebiet gibt es nur noch eines dieser traditionellen Geschäfte, die Fleischerei Wiersbitzki in Altkloster im Danziger Weg.
Der letzte echte Schlachter im Buxtehuder Stadtgebiet war der Familienbetrieb bereits, bevor Schlachter Bitter am Westfleth in der Altstadt das Geschäft vor einigen Wochen geschlossen hat und es allerorten Zweifel daran gibt, ob das Geschäft als Schlachterei wiedereröffnet wird. Nach TAGEBLATT-Informationen sind die Angestellten gekündigt und die auf einem Schild nach Renovierungsarbeiten versprochene Wiedereröffnung nicht mehr geplant – zumindest nicht als Schlachter Bitter. Andere Nutzungen – wie die durch einen Feinkosthandel – sollen im Gespräch sein. Offizielle Aussagen gibt es keine, Gerüchte jede Menge.
Der Unterschied der Wiersbitzkis zu den anderen Betrieben: Die Familie schlachtet noch selbst. Jeden Montag holt Seniorchef Klaus Wiersbitzki (73) sechs Schweine aus Apensen vom Landwirt seines Vertrauens. Viele Metzger haben in den letzten Jahren mit dem Schlachten aufgehört. In Buxtehude gibt es in Altkloster den Pferdeschlachter Meier und in Neukloster die Fleischerei Lüssenhop. Beide schlachten nicht mehr selbst. Die strengen EU-Vorschriften sind nur mit erheblichen Investitionen zu erfüllen. „Wir werden behandelt wie ein industrieller Großbetrieb“, sagt Klaus Wiersbitzki.
Andere Schlachter gehen inzwischen den Weg, den Innungsmeister Steffen Bömmelburg aus Stade geht. Sie kaufen das Vieh selbst ein und lassen es bei einem Lohnunternehmen wie Maretzki in Düdenbüttel schlachten. „So können wir dem Kunden weiter die Qualität garantieren“, sagt Bömmelburg. In der Buxtehuder Umgebung gibt es mit Röhrs in Jork und Wystub in Wangersen zwei weitere Betriebe, die die EU-Zulassung besitzen.
Klaus Wiersbitzkis Vater Emil gründete das Geschäft in Altkloster in der damaligen Vertriebenen-Siedlung im Buxtehuder Süden. Die Familie floh bei Kriegsende aus Ostpreußen, lebte ein paar Jahre in Mecklenburg-Vorpommern und floh dann weiter nach Buxtehude. Hier besaß ein Schwager bereits eine Bäckerei, die Schlachterei entstand daneben.
„Früher hat die ganze Nachbarschaft hier eingekauft“, sagt Mario Wiersbitzki (43), der das Geschäft jetzt in dritter Generation seit 2006 führt. Auch Mutter Regina (71) arbeitet im Geschäft mit. Das Team wird durch einen Auszubildenden komplettiert. Mario Wiersbitzki sorgte mit seiner Berufswahl dafür, dass der Familienbetrieb ein Problem, das viele andere Schlachtereien zur Aufgabe zwingt, nicht bekam: die fehlende Nachfolge. Dazu kommen Personalmangel und das Abwandern von Kunden zu Discountern, die das langsame Sterben einer ganzen Branche bedingen. In Niedersachsen ist die Zahl der Betriebe in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent gesunken. Die Zahlen aus dem Landkreis Stade passen dazu. 2006 gab es 58 Betriebe, heute sind es noch 38. „Wir waren der letzte Schlachter, der in Buxtehude aufgemacht hat“, erinnert sich Klaus Wiersbitzki. Damals seien es 13 im Stadtgebiet gewesen, in Buxtehude gab es zuletzt Peters am Schafmarkt und Zabel in der Langen Straße. Die Wiersbitzkis sind jetzt die Letzten ihrer Art.
Das Geschäft in der Danziger Straße funktioniert auch, weil es zwei zusätzliche Standbeine gibt. Den Wachtelimbiss an der Apenser Straße betreibt die Familie mithilfe von mehreren Mitarbeitern seit den 80er Jahren. Außerdem bieten Vater und Sohn einen Partyservice an.
Die Kundschaft hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, genau wie die Bewohner im Buxtehuder Süden. Die älteren Kunden kommen immer noch, inzwischen aber sind es auch junge Leute, die bewusst auf Qualität setzen. Ein kleiner Beleg für die handwerkliche Tradition: Bei den Wiersbitzkis gibt es Hackfleisch nur verarbeitungsfrisch vom selben Tag, was der alten Hackfleischverordnung entspricht. Das bedeutet, keine Vakuumverpackung, kein Schutzgas und nicht tiefgefroren. Das wollen zunehmend wieder mehr Kunden.
Sie heißen mal Metzger, mal Schlachter, mal Fleischer. Üblicherweise richten sich Sprachgewohnheiten in Deutschland nicht nach den Grenzen der Bundesländer, Dialekte sind älter als Bundesländer. Bei dieser Berufsbezeichnung ändern sich die Ausdrücke aber fast exakt mit den Ländergrenzen. Den das Töten nicht verheimlichenden Begriff Schlachter benutzt man in vier nördlichen Bundesländern, den die Wurst vernachlässigenden Begriff Fleischer in sechs östlichen und den vom lateinischen macellum (Fleischmarkt) kommenden Begriff Metzger in sechs südlichen Bundesländern. Eigentlich hatte der Bundestag 1966 beschlossen, dass der Beruf einheitlich Fleischer heißen sollte. Durchgesetzt hat sich das nicht. Im Norden sagt man zwar, man gehe zum Schlachter. Auf dem Schild über dem Schaufenster steht aber meistens Fleischerei.