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Energiekrise

EU-Preisdeckel: Bauern warnen vor Stillstand der Biogasanlagen

Biogasanlagen können Strom bedarfsgerecht erzeugen und haben somit dieselben Vorteile wie Gaskraftwerke. Foto: Michaelis

Biogasanlagen können Strom bedarfsgerecht erzeugen und haben somit dieselben Vorteile wie Gaskraftwerke. Foto: Michaelis

Noch ist unklar, wo und wie der Deckel konkret greift. In der Landwirtschaft geht jedoch  die Sorge um, nicht mehr kostendeckend die eigenen Biogas-Anlagen betreiben zu können.

Montag, 17.10.2022, 10:22 Uhr

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„Sollte der Strompreisdeckel auch für Biogasanlagen gelten, wie er auf EU-Ebene beschlossen wurde, würde ein Großteil der Landwirte ihre Biogasanlagen ganz abstellen“, klagt Bio-Landwirt Friedrich Hake aus dem niedersächsischen Tündern in einer Landvolk-Mitteilung. Hintergrund seien die steigenden Rohstoffkosten: Nur mit reiner Verstromung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) können die Biogasanlagen nicht mehr kostendeckend arbeiten, erklärt der Landwirt aus dem Weserbergland.

„Mit der Ende September auf EU-Ebene beschlossenen Erlösobergrenze von 18 Cent/kWh ist kein rentabler Betrieb mehr möglich. Selbst über eine zusätzliche Vermarktung der bei der Stromerzeugung anfallenden Wärme wird es ökonomisch schwierig“, zeigt Hake auf. Nach Kritik hatte die EU jüngst die Möglichkeit eingeräumt, im Fall höherer Erzeugungskosten die Erlösobergrenzen – etwa beim Biogas – anzuheben. 

Da Biogasanlagen – im Gegensatz zu Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen – Strom bedarfsgerecht, mithin flexibel erzeugen können, haben sie dieselben Vorteile wie Gaskraftwerke, die dann betrieben werden, wenn Wind- und Solarstrom fehlen. „Es ist daher unbedingt sachgerecht, Biogasanlagen wie Gaskraftwerke zu behandeln und sie von der Erlösobergrenze ganz auszunehmen“, so Hake. Hier sei nun der Gesetzgeber gefordert.

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Die Europäische Union plant derzeit bis 2030, 35 Milliarden Kubikmeter Biomethan zu produzieren. Biogas könnte bis 2050, nach Ansicht von Harmen Dekkers, Vorsitzender des europäischen Biogasverbandes, sogar 30 bis 50 Prozent des künftigen Gasbedarfs in der EU abdecken.

Maisernte mit Ertragseinbußen von 26 Prozent

Doch um die Biogasanlagen mit genügend Material zu füttern, sind gute Maisernten nötig. Gegen Ende der Maisernte verzeichnen die Landwirte im südlichen Niedersachsen sehr stark schwankende Erträge. „Wo noch Regen runterkam, stand der Mais einigermaßen. Die Bodenqualität hat großen Einfluss auf die Ernte gehabt“, berichtet Hake und rechnet um die 70 Prozent von der eigentlichen Durchschnittsernte.

Die guten Flächen liegen im Durchschnitt, die anderen um die Hälfte darunter. Die Ernte des Silomais hat früh begonnen und ist inzwischen abgeschlossen, der Körnermais hingegen lässt mancherorts noch auf sich warten. Bis Anfang November wird dieser in diesem Jahr wohl geerntet, und auch hier zeichnet sich die Tendenz ab, dass Körnermais für die Biogasanlagen gemahlen und zudem als Milchviehfutter Verwendung finden wird.

Die Trockenheit in diesem Sommer schmälert die Maisernte in Niedersachsen. Foto: Marijan Murat/dpa

Die Trockenheit in diesem Sommer schmälert die Maisernte in Niedersachsen. Foto: Marijan Murat/dpa

Hake ist überzeugt, dass die klassische Futtermittelindustrie aufgrund der Energiekrise deutlich weniger Körnermais zum Füttern geliefert bekommen wird als in den vergangenen Jahren. „Mancherorts haben es die Bestände erst gar nicht zum Trockner geschafft und sind gleich in die Biogasanlage gewandert“, erklärt der Bio-Landwirt.

Auf 610.000 Hektar werden in Niedersachsen überwiegend Silomais, aber auch reiner Körnermais angebaut. In Deutschland umfasst die Anbaufläche in diesem Jahr gut 2,65 Millionen Hektar. Nach Landvolk-Schätzungen liegen die Ertragseinbußen beim Körnermais bei circa 26 Prozent.

26 neue Biogasanlagen in 2021

Nach Einschätzung von Karl-Friedrich Meyer, Landvolk-Pflanzenbauexperte, fallen im Betrieb von Biogasanlagen häufig nicht so deutliche Übergewinne an wie bei anderen Erzeugungsformen von Strom und Wärme. Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) sieht „starre Grenzwerte“ für die geplante Abschöpfung von weit über den Produktionskosten liegenden Gewinnspannen kritisch. Dies nehme schlimmstenfalls „jeden Anreiz zur flexiblen Stromerzeugung und verunsichert gleichzeitig in der Entscheidung zu den so wichtigen Investitionen in Erneuerbare“, glaubt LEE-Chefin Silke Weyberg.

Laut Daten des zuständigen Fachverbands kamen im vorigen Jahr 26 neue Biogasanlagen in Niedersachsen hinzu, die allesamt vorwiegend mit Gülle laufen. Die installierte Leistung sämtlicher 1735 Anlagen im Land beträgt den Angaben zufolge inzwischen knapp 1,5 Gigawatt. Weyberg sagte: „Wir erkennen die angekündigten und teilweise beschlossenen bundespolitischen Maßnahmen zur Steigerung der Biogasproduktion an. Jetzt ist aber auch das Land ist gefordert, klare genehmigungsrechtliche Vorgaben für Biogasanlagen zu machen.“ (st)

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