Ehrenamtliche packen für Flüchtlinge mit an
Erika Hatecke.
Zahl der Asylbewerber steigt auf 116 – Erika Hatecke lobt Bürgerengagement.
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Die Zahl der Flüchtlinge, die in Nordkehdingen untergebracht werden müssen, wird bis Ende Januar von derzeit 68 auf 116 steigen. Das teilte Erika Hatecke, Leiterin des Ordnungsamtes der Samtgemeinde, am Donnerstagabend dem Samtgemeinderat mit. Gleichzeitig dankte sie den rund 40 Ehrenamtlichen, die ihr bei der Begleitung und Betreuung der Asylbewerber helfen.
Damit seien dann 3,8 Prozent aller Flüchtlinge im Landkreis Stade in Nordkehdingen untergebracht. Die Verwaltung habe inzwischen die Grenzen der Belastbarkeit erreicht, erklärte Samtgemeindebürgermeister Edgar Goedecke. Mit der Unterbringung der Flüchtlinge, der Beschaffung von Wohnraum und der Einrichtung dessen ist Erika Hatecke „zu 110 Prozent“ beschäftigt. „Ich mache nichts anderes mehr“, berichtete sie. Außerdem seien zwei Mitarbeiter des Bauhofes im Dauereinsatz, um Wohnungen her- und einzurichten.
90 Prozent der Asylbewerber in Nordkehdingen kommen vom Balkan; aus sogenannten sicheren Herkunftsländern. Zwei Ehepaare stammen aus dem Sudan, einige alleinstehende Männer aus Algerien. Für kommende Woche werde die erste syrische Familie erwartet.
Bisher wurden vorwiegend Familien nach Nordkehdingen geschickt. Das sei auch erwünscht. „Den Wünschen wird in der Regel entsprochen, da wir entsprechenden Wohnraum vorhalten“, so die Amtsleiterin. Ziel ist nach wie vor, die Menschen dezentral und in Mehrfamilienhäusern nur eine Flüchtlingsfamilie unterzubringen, „damit die Integration gelingt“.
Zur besseren Integration bietet die Samtgemeinde seit einigen Monaten mittwochs und freitags einen Deutschkurs für Erwachsene an. Der Kurs der VHS werde durch Spenden finanziert, etwa von den Kehdinger Lions und der Bürgerstiftung der Kreissparkasse. Während der Kurszeiten bieten Ehrenamtliche eine Kinderbetreuung an. Da würden noch Helfer benötigt.
Überhaupt sei die Aufgabe nicht ohne die Hilfe der Ehrenamtlichen zu bewältigen, betonte Erika Hatecke. Sie holen Neuankömmlinge am Bahnhof in Stade ab, bringen sie zur Unterkunft nach Nordkehdingen, führen sie durchs Dorf und begleiten sie am nächsten Tag zur Ausländerbehörde. „Sicher ist das alles auch mit dem Bus zu leisten, aber nicht für Familien mit kleinen Kindern.“ Außerdem geben Ehrenamtliche Nachhilfe für Flüchtlingskinder und managen die neue Kleiderkammer in der Oederquarter Schule. Zwei lassen sich über die Ländliche Erwachsenenbildung (LEB) als Flüchtlingshelfer ausbilden. „Das wird mich weiter entlasten, da sie dann auch andere Ehrenamtliche anleiten können.“
Noch sei es kein Problem für die Verwaltung, Unterkünfte für die Flüchtlinge zu finden, so Hatecke auf Nachfrage aus dem Rat. Allerdings seien Suche, Anmietung und Ausstattung enorm zeitintensiv. Es mache sich durchaus bei Hauseigentümern eine gewisse Goldgräberstimmung bemerkbar. „Aber wir zahlen nicht mehr als die ortsüblichen fünf Euro Kaltmiete“, betonte Hatecke.
Mehrere Asylbewerber seien inzwischen ihrerseits ehrenamtlich tätig; vermittelt über das Berufsbildungswerk Cadenberge. Fünf Mitarbeiter seien bei den Bauhöfen in Freiburg und Wischhafen beschäftigt, zwei unterstützen die Kulturstätte Kornspeicher und auch der MTV Freiburg prüfe derzeit Beschäftigungsmöglichkeiten für Flüchtlinge. Für diese Tätigkeit erhalten die Asylbewerber einen kleinen Obolus von 1,05 Euro pro Stunde. Auch bei der Freiburger Ortswehr packen Flüchtlinge mit an.
„Frau Hatecke ist diejenige, die gute Stimmung beim Thema Flüchtlinge verbreitet“, gestand Edgar Goedecke ein. Es gebe auch verhaltenere Stimmen in der Verwaltung. „Das Problem ist die Masse im Verhältnis zur Zeit“, stellte der Verwaltungschef klar. Letztlich dürfte die Zuwanderung bei 80 Millionen Einwohnern in Deutschland aber kein Problem sein. Die Flüchtlinge machten ein Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Krummendeichs Bürgermeisterin Christiane von der Decken lobte Hateckes Engagement: „Wie Sie das mit dem Herzen managen, springt bei allen der Funke über. Sie machen aus der Not eine Tugend.“ Hatecke selbst betonte: „Auch wenn manche Flüchtlinge wieder abgeschoben werden, weil sie aus sicheren Herkunftsländern kommen, müssen wir sie, solange sie hier sind, integrieren. Wir müssen das hinkriegen, weil es Menschen sind. Und das schaffen wir, gemeinsam mit den Ehrenamtlichen.“
Bei zwei Gegenstimmen stimmte der Samtgemeinderat dem Gesetz zur Bildung der Gemeinde Nordkehdingen zu. Einzig die SPD-Ratsherren Jonny Röndigs aus Wischhafen und Paul Willers aus Krummendeich stimmten dagegen. Mit dem Beschluss wird parallel zu den Bürgerbegehren in Balje und Wischhafen der Prozess für die Umwandlung der Samtgemeinde in eine Einheitsgemeinde weiter betrieben.
Einstimmig beschloss der Samtgemeinderat, die strukturelle Seniorenarbeit von den Mitgliedsgemeinden auf die Samtgemeinde zu übertragen. Seniorennachmittage bleiben in der Hand der Gemeinden. Keinen Widerspruch gab es auch beim vorgelegten Jahresabschluss für 2014. Kein Wunder: Das Jahr schließt mit einem Plus von 204 508 Euro ab. Erstmals seit Jahren konnte etwas für die Rücklage abgezweigt werden: 36 470 Euro.