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Eine sexsüchtige und hungrige Invasorin bedroht den Obstbau

Hungrige Invasorin: Das ist eine Makroaufnahme der Kirschessigfliege .

Hungrige Invasorin: Das ist eine Makroaufnahme der Kirschessigfliege .

Die Obstbauern an der Niederelbe haben ein Problem: Die im Jahr 2008 in Südeuropa eingeschleppte asiatische Kirschessigfliege ist auf dem Vormarsch.

Von Björn Vasel Mittwoch, 10.02.2016, 17:28 Uhr

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„Es ist ein potenziell sehr gefährlicher Schädling“, betonte Professor Dr. Roland Weber vom Obstbauzentrum „Esteburg“ am Mittwochnachmittag bei den Fachvorträgen in der voll besetzten Altländer Festhalle in Jork. Die gefräßige Invasorin namens „Drosophila Suzukii“ ist nicht nur hungrig, sondern auch fortpflanzungsfreudig. Sie kann „acht bis 13 Generationen im Jahr“ in die Welt setzen, 2014 und 2015 habe die Invasorin erste wirtschaftliche Schäden an der Niederelbe verursacht. Im Süden verursach(t)en sie bereits wiederholt Millionenschäden.

Das Problem: Währen die Altländer kräftig in Dachkirschen-Plantagen investieren, siedelt sich der Schädling an der Niederelbe an. Inklusive der Bäume und der Bewässerung müssen die Obstbauern bis zu 100 000 Euro pro Hektar auf den Tisch legen, um unter dem Riesen-Regenschirm für Süßkirschen ihre Premium-Früchte produzieren zu können. Das Dach schützt das Steinobst vor dem Platzen – bei Regen. Sie werden größer und süßer – und der Handel zahlt mehr Geld. Bei Süßkirschen ist noch Luft nach oben, der deutsche Selbstversorgungsgrad liegt bei 50 Prozent.

In acht Jahren amortisiert sich die Investition bereits. In diesem Jahr werden mehr als 200 Hektar überdacht sein. Doch die Kirschessigfliege könnte einigen Obstbauern einen Strich durch diese Rechnung machen. Warum? Das mit einer Säge bewaffnete Weibchen legt Eier in intakte reife, aber auch überreife und geplatzte Früchte. Die Einbohrungen sind gut sichtbar, genauso wie die Atemschläuche der Viecher. Ihre Larven fressen sich im Inneren satt – beschädigte Früchte sind unverkäuflich. Lieblingsspeise der Fliege sind Beerenobst und Kirschen, lediglich vereinzelt legt sie ihre Eier im Apfel ab und überwintert als adulte, befruchtete Fliege. Übrigens: Die Männchen unterscheiden sich durch einen „Bierbauch“ von den Weibchen.

Um sich zu rüsten, läuft am Obstbauzentrum „Esteburg“ bereits ein Monitoring. Die Fallenfänge erhöhten sich von 2013 bis 2014 um das 200-fache. Sie breitet sich niedersachsenweit aus. Und: Nach milden Wintern sei das Befallspotenzial bei Kirschen hoch, in den Anlagen gibt es bis zu drei Generationen, die letzte sorgt für die Schäden. Immerhin: Noch ist das Alte Land nicht verloren. Bislang waren die Schäden durch das Fruchtplatzen nach Regen „deutlich schwerwiegender als der Befall durch die Kirschessigfliege“, unterstrich der Steinobst-Experte und Berater des Obstbauversuchsrings des Alten Landes, Martin Kockerols. Er arbeitet an Strategien zur Bekämpfung und Vermeidung und an einem Frühwarnsystem mit Spezialfallen.

Sie liebt Feuchtigkeit, Frost ist ihr Tod. Im Juli/August dienen Kirsche, Erdbeere und Himbeere als Wirtspflanzen, von September bis Oktober Brombeere, Heidelbeere, Holunder und schließlich die Pflaume. In Dachkirschanlagen fiel der Befall geringer aus.

Was hilft? „Die Einnetzung von Steinobst und Strauchbeeren kann eine effektive Maßnahme sein“, sagt Kockerols. Es reicht ein vier Meter hohes Seitennetz. Die Netze sollten Maschenweiten von einem Millimeter haben. Der Massenfang mit Essig- und Rotweinfallen sei nicht praktikabel. Außerdem sei Hygiene in den Anlagen, befallene Früchte auspflücken, und später die Wahrung der Kühlkette wichtig. Kälte tötet die Larven ab. Um die Ausbreitung zu verhindern, sollten die Sorten nach Reifegruppen gepflanzt und bei der Ernte schnell und regelmäßig gepflückt werden. Problem: Bei Regen funktionieren Pflanzenschutzmittel nicht so gut, wenige Mittel seien zugelassen.

Doch die Obstbauern setzen ohnehin mehr auf engmaschige Anti-Fliegen-Netze – und auf Vermeidungsstrategien. Die Invasion bedeute nicht das Ende des Kirschanbaus, unterstrich Weber, sofern Vermeidungsstrategien wie Hygiene und die Erstellung von Dachanlagen als „Käfige“ greifen.

Larve guckt aus der Frucht .

Larve guckt aus der Frucht .

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